Ägypten: TikTok-Influencerinnen freigesprochen

TikTok
Die staatliche Medienaufsicht überwacht in Ägypten jedes Social-Media-Profil mit mehr als 5000 Abonnenten. (Quelle: imago images / Hollandse Hoogte)

Die beiden Ägypterinnen Mauada al-Adham und Hanin Hussam wurden am Dienstag von einem Berufungsgericht freigesprochen, berichtet die staatliche Nachrichtenseite Al-Ahram. Ihnen war vorgeworfen worden, dass ihre Videos gegen die Sittengesetze im Land verstoßen.

Im Juli hatte ein Gericht die beiden Frauen wegen der “Verletzung von Familienwerten” zu zwei Jahren Haft und einer Geldstrafe in Höhe von umgerechnet etwa 16.000 Euro verurteilt. Das Gericht hatte Hussam zudem vorgeworfen, zu “Sittenlosigkeit und Ausschweifungen” angestiftet zu haben. Sie hatte in einem Video dazu aufgefordert, Videos auf der Plattform “Likee" zu veröffentlichen, die Geld für Klicks bezahlt.

Das Berufungsgericht hat zwar die Haftstrafen komplett aufgehoben – allerdings muss Mauada al-Adham weiterhin die Geldstrafe bezahlen, schreibt die New York Times.

TikTok-Video
Mauada al-Adham in einem ihrer Videos. (Screenshot: Posteo)

Die Verhaftung der beiden jungen Frauen, die in sozialen Netzwerken Millionen Fans haben, hatte für Aufsehen gesorgt. In den beanstandeten Videos war al-Adham beispielsweise mit blau gefärbten Haaren in einem Haifisch-Kostüm zu sehen. Die Studentin Hussam zeigte sich in ihren Videos normalerweise mit Kopftuch und präsentierte vor allem Tanz-Videos. “Für uns hier in Europa ist das alles harmlos”, sagte die ägyptische Menschenrechtlerin Hoda Salah dem Deutschlandfunk Kultur anlässlich der Verhandlung vor dem Berufungsgericht.

Laut der Nachrichtenseite Al-Ahram hat das Berufungsgericht auch drei weitere Angeklagte freigesprochen. Ihnen war vorgeworfen worden, einer der beiden Hauptangeklagten geholfen zu haben, ihrem Haftbefehl zu entgehen. Außerdem sollen sie versucht haben, die öffentliche Meinung in dem Fall zu beeinflussen.

Gesetz gegen Online-Kriminalität

Rechtliche Grundlage für die Verurteilungen in erster Instanz war ein Gesetz zur Internet-Kriminalität aus dem Jahr 2018. Die Regierung begründete das Gesetz damit, besser gegen Terrorismus vorgehen zu können. Laut dem Gesetz kann jedoch jeder Beitrag im Internet, der gegen “Familienwerte und Werte der ägyptischen Gesellschaft” oder die “öffentliche Moral” verstößt, zu einer Haftstrafe von mindestens sechs Monaten und einer Geldstrafe von umgerechnet mindestens 2600 Euro führen. Konten in sozialen Netzwerken mit mehr als 5000 Abonnenten werden als öffentliche Internetseiten eingestuft und von der staatlichen Medienaufsicht überwacht.

Verurteilungen wegen regierungskritischer Inhalte auf Facebook und Twitter häufen sich bereits seit der Machtübernahme von Präsident Abdel Fattah al-Sisi im Jahr 2014. Durch vage Formulierungen in den Gesetzen haben Staatsanwaltschaften und Richter vergleichsweise viel Spielraum. So werden Urteile in Ägypten häufig auch wegen “Verbreitens von Falschnachrichten” oder “Missbrauchs von sozialen Medien” gefällt. Im Jahr 2020 sollen in Ägypten zudem mehr als 500 Webseiten blockiert gewesen sein.

Weitere Verurteilungen

Im Juni hatte ein Gericht auch eine Bauchtänzerin zu drei Jahren Haft und einer Geldstrafe verurteilt, weil sie der Anklage zufolge “anstößige” Fotos und Videos von sich in sozialen Netzwerken verbreitet hatte. Die Tänzerin hatte die Vorwürfe zurückgewiesen und erklärt, ihr Handy sei gestohlen und die Bilder ohne ihre Zustimmung veröffentlicht worden. In den vergangenen Jahren waren auch Schauspielerinnen, Schriftsteller und Popstars wegen angeblicher Moralverstöße festgenommen worden.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren die ägyptische Gesetzgebung. So sagte Vanessa Ulrich von Amnesty International der Deutschen Welle im Juli: “Die Festnahme und strafrechtliche Verfolgung ägyptischer Bloggerinnen, nur weil sie Videos von sich selbst beim Tanzen oder Singen gepostet haben, ist ein empörender Angriff auf die Freiheitsrechte.” Ägyptische Behörden würden “erfundene und vage Anklagen” gegen Frauen einsetzen, “um Online-Plattformen zu kontrollieren und patriarchale Sozial- und Rechtssysteme zu stärken”. Im Visier der Staatsanwaltschaften stünden dabei vor allem Frauen aus ärmeren Schichten, sagte Lubna Darwisch von der Egyptian Initiative for Personal Rights der Nachrichtenseite “Mada Masr” vergangenes Jahr. (dpa / js)