1657 Medienschaffende in den vergangenen 20 Jahren getötet

Journalist mit Presse-Helm in der Ukraine
Der russische Angriffskrieg ist laut Reporter ohne Grenzen Grund für die hohen Todeszahlen in der Ukraine. (Symbolbild) (Quelle: IMAGO / ZUMA Wire)

Die vergangenen zwei Jahrzehnte waren laut Reporter ohne Grenzen (RSF) “besonders tödlich”: 1657 Medienschaffende kamen seit 2003 bei oder wegen ihrer Arbeit ums Leben. Gefährdet sind Journalistinnen und Journalisten jedoch nicht nur in Kriegsgebieten, mahnt die Organisation.

Ende März 2003 begann die US-geführte Invasion im Irak. Am 7. April 2003 kamen dort der Focus-Reporter Christian Liebig sowie sein Kollege Julio Anguita Parrado von der spanischen Zeitung El Mundo ums Leben. Diesen Jahrestag nahm RSF nun zum Anlass, um auf die hohe Zahl der getöteten Medienschaffenden der vergangenen 20 Jahre hinzuweisen.

Im Schnitt wurden demnach mehr als 80 Medienschaffende pro Jahr gezielt ermordet oder starben bei Überfällen, Angriffen in Kriegsgebieten oder nach schweren Verletzungen.

RSF-Geschäftsführer Christian Mihr kommentierte: “Hinter jeder nackten Zahl steht ein unermesslicher Verlust für die Angehörigen, und ein Verlust im Kampf um die Pressefreiheit weltweit.” Für die Organisation sei das auch Ansporn, sich unter anderem weiter für besseren Schutz in Krisen- und Kriegsgebieten und gegen die Straflosigkeit einzusetzen. “Wenn die Täterinnen und Täter straflos davonkommen, werden immer wieder Journalistinnen und Reporter sterben”, sagte Mihr.

Laut RSF sind im Irak seit dem Jahr 2003 insgesamt 300 Medienschaffende ums Leben gekommen. Damit handle es sich um das für Pressevertreter gefährlichste Land der vergangenen 20 Jahre – noch vor Syrien, wo die Organisation 280 Getötete dokumentiert hat. Auf der Liste folgen Afghanistan, der Jemen, die Palästinensischen Gebiete und Somalia.

Getötete Medienschaffende in Russland und der Ukraine

In Europa ist Russland das Land mit den meisten getöteten Medienschaffenden: Seit dem Amtsantritt Wladimir Putins im Jahr 2001 sind dort laut RSF mindestens 37 Journalistinnen und Journalisten ums Leben gekommen. Darunter auch die Reporterin Anna Politkowskaja, die für die Zeitung Nowaja Gaseta aus Tschetschenien über Menschenrechtsverletzungen durch die russische Armee und lokale Milizen berichtet hatte. Am 7. Oktober 2006 wurde sie in ihrem Moskauer Wohnhaus erschossen.

In der Ukraine wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten 20 Medienschaffende getötet. Acht von ihnen kamen seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 ums Leben. Nahezu alle anderen Getöteten starben in den seit 2014 umkämpften Gebieten.

In der Liste der europäischen Länder folgt die Türkei mit neun getöteten Medienschaffenden. In Frankreich wurden im Jahr 2015 acht Journalistinnen und Journalisten bei dem Terroranschlag auf das Büro der Satirezeitschrift Charlie Hebdo ermordet.

Gefährliche Recherchen

Wie RSF berichtet, war das Jahr 2012 das tödlichste der vergangenen zwei Jahrzehnte. Damals waren in einem Jahr 143 Medienschaffende ums Leben gekommen – die meisten im syrischen Bürgerkrieg. Im Jahr 2013 hatte RSF 136 Todesfälle verzeichnet. Danach waren die Zahlen laut RSF gesunken – ab dem Jahr 2019 seien sogar “historisch niedrige Zahlen” verzeichnet worden. Im Jahr 2021 starben weltweit 51 Journalistinnen und Journalisten; im vergangenen Jahr waren es 60.

Die Zahl der jährlich in Kriegsgebieten getöteten Reporter ist nach Angaben von RSF zuletzt gesunken. Das liege teils daran, dass die Intensität einiger Kriege abgenommen habe. Nach Einschätzung der Organisation spiegeln die Zahlen der vergangenen Jahre aber auch die Wirksamkeit von Präventiv- und Schutzmaßnahmen wider, die Medien ergriffen haben.

Doch auch außerhalb von Kriegsgebieten sind Medienschaffende häufig gefährdet: Seit 2003 wurden sogar mehr Medienschaffende in offiziell friedlichen Gebieten getötet als bei der Kriegsberichterstattung. Vor allem Recherchen zum organisierten Verbrechen und zu Korruption sind laut RSF “extrem gefährlich”.

Insbesondere die Arbeit in Mexiko, aber auch in Brasilien, Kolumbien und Honduras ist für Journalistinnen und Journalisten nicht sicher. Im Jahr 2022 war der amerikanische Doppelkontinent die gefährlichste Region der Welt für Medienschaffende – RSF hatte 47 Prozent aller getöteten Journalisten in der Region gezählt. So wurden in Mexiko alleine im vergangenen Jahr mindestens elf Journalisten umgebracht.

Aber auch in einigen asiatischen Ländern gibt es hohe Todeszahlen: Auf den Philippinen hat RSF in den vergangenen 20 Jahren den Tod von 107 Medienschaffenden dokumentiert. In Pakistan kamen 94 Journalisten ums Leben – und in Indien 59.

Gut 95 Prozent aller von RSF erfassten getöteten Medienschaffenden sind Männer: In den vergangenen 20 Jahren kamen nur 79 Frauen im Zusammenhang mit ihrer journalistischen Arbeit ums Leben, oftmals nachdem sie zu Frauenrechten recherchiert hatten. RSF weist aber darauf hin, dass die Zahl der getöteten Journalistinnen teils sprunghaft ansteigt: So wurden beispielsweise im Jahr 2017 weltweit zehn Journalistinnen sowie 65 ihrer männlichen Kollegen getötet.

Bereits seit 1995 veröffentlicht Reporter ohne Grenzen eine Jahresbilanz der Pressefreiheit, in der die Organisation die Zahl der weltweit inhaftierten und getöteten Medienschaffenden dokumentiert. (js)