TotalEnergies verliert vor Gericht wegen Greenwashing

TotalEnergies
Die CO2-Kompensation durch Waldprojekte steht nicht nur bei TotalEnergies in der Kritik. Untersuchungen zeigen, dass bis zu 90 Prozent solcher Projekte wertlos sind. (Quelle: IMAGO / mix1)

Das Landgericht Düsseldorf hat einer Klage der Deutsche Umwelthilfe (DUH) gegen den Energiekonzern TotalEnergies stattgegeben, weil dieser sein “CO2-kompensiertes Heizöl” als “klimaneutral” beworben hatte. Das Gericht sah die Behauptung des Unternehmens als falsch an, dass alle durch das Produkt ausgestoßenen Treibhausgase durch Kompensationsprojekte ausgeglichen würden.

Das Gericht folgte damit der Ansicht der DUH, dass die Kompensationsbemühungen von TotalEnergies unglaubwürdig und nicht nachvollziehbar sind. Der deutsche Ableger des französischen Ölkonzerns darf sein Heizöl nun nicht mehr als “CO2-kompensiert” bewerben.

Die Firma habe mit seinen Werbeversprechen Millionen Verbraucherinnen und Verbrauchern irregeleitet, teilte die DUH am Mittwoch mit. Die Organisation hatte Klage erhoben, nachdem sie “zahlreiche Gründe” dafür gefunden hatte, die eine CO2-Kompensation unglaubwürdig erscheinen ließ.

DUH-Anwalt Remo Klinger erklärte: “Klimaschutzwerbungen dürfen den Verbraucher nicht für dumm verkaufen. Das ist aber der Fall, wenn Produkte als CO2-kompensiert beworben werden, obwohl dies real nicht zutrifft.” Es sei gut, dass die Gerichte solchen Werbungen einen Riegel vorschieben."

Wertloses Projekt

Das Gericht konnte ebenso wenig wie die DUH nachvollziehen, wie der Energiekonzern die Emissionen angeblich ausgleicht. In der Urteilsbegründung heißt es: “Weitgehend im Dunkeln [bleibt], wie durch eine Unterstützung von 400 Familien beim nachhaltigen Paranussanbau in einem in den letzten Jahren von zum Teil illegalen Rodungen bedrohten Gebiet Treibhausgase nachweislich eingespart werden sollen.”

Der Konzern erkläre nur, dass Waldschutz Klimaschutz bedeutet. “Das ist für sich gesehen sicher nicht falsch, lässt aber belastbare Kausalitätserwägungen zwischen dem Klimaschutzprojekt und konkreten ‘Einsparungen’ von Treibhausgasen nicht erkennbar werden”, so das Gericht weiter.

Zudem habe TotalEnergies angegeben, dass im Rahmen eines Waldschutzprojektes 400 einheimische Familien in Peru Landrechte erhalten hätten. Das Gericht sah dies als erwiesenermaßen falsch an: Die Familien hätten die Landrechte bereits vor Projektbeginn inne gehabt.

Die DUH hatte sich Informationen über ein CO2-Kompensationsprojekt des Konzerns im Amazonasgebiet Perus beschafft und diese ausgewertet. Die Dokumente belegten, dass “von einer tatsächlichen CO2-Kompensation nicht die Rede sein kann”, so die DUH.

Ebenfalls kritisierte das Gericht, dass das Energieunternehmen in seiner CO2-Berechnung einige Treibhausgasemissionen außen vor ließ: “Von einem geschlossenen Kreislauf aber kann schlecht die Rede sein, wenn beispielsweise die bei der Erdölgewinnung abgefackelten oder abgelassenen Begleitgase aus der auf eine Klimaneutralität abzielenden Gesamtbetrachtung ausgeklammert werden.”

TotalEnergies teilte Posteo mit, man nehme das Urteil zur Kenntnis, “das die Verbesserung der Verbraucherinformationen auf ihrer Website in Bezug auf Heizöl und das damit verbundene CO2-Kompensationsprogramm fordert”. Das Unternehmen sieht seine Maßnahmen im Einklang mit dem Ziel, bis zum Jahr 2050 den “Netto-Nullpunkt” bei Treibhausgasemissionen zu erreichen.

Fehlender Verbraucherschutz

Kritik übt die DUH nach dem Urteil auch an Regierung und Behörden. Es fehle an Verbraucherschutz und Kontrolle. DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch sagte: “TotalEnergies konnte die Verbraucher nur deshalb so dreist täuschen, weil Landes- wie Bundesregierung keinen wirklichen Verbraucherschutz betreiben.” In Richtung Bundesumweltministerin und nordrhein-westfälischer Verbraucherschutzministerin gerichtet fügte Resch hinzu: “Liebe Ministerinnen Lemke und Gorißen: So wird das nichts mit dem Klimaschutz, wenn Sie zulassen, dass Verbrauchern eingeredet wird, mit 40 Euro Ablasszahlung an einen Ölkonzern pro Jahr lasse sich eine Ölheizung klimaneutral betreiben.”

Weil die eigentlich zuständigen staatlichen Stellen nicht gehandelt hätten, habe stattdessen die DUH gegen die Verbrauchertäuschung vorgehen müssen.

Das Urteil ist das erste in den bisher 15 von der DUH eröffneten Rechtsverfahren wegen falscher „Klimakompensationsversprechen“ Die Organisation klagt unter anderem auch gegen Beiersdorf, BP, dm, Rossmann und Shell.

“Diesem Urteil gegen TotalEnergies, einem der größten fossilen Konzerne der Welt, werden in den kommenden Monaten weitere Urteile wegen verlogener Klimaneutralitätsversprechen folgen – auch zu Benzin oder anderen Produkten”, kündigte DUH an.

Zweifel am Kompensationskonzept

Dass das Konzept der CO2-Kompensation mithilfe von Waldschutzprojekten offenbar insgesamt wenig effektiv ist, hatte Anfang des Jahres eine gemeinsame Recherche der Wochenzeitung Die Zeit, der Tageszeitung The Guardian und der Rechercheplattform SourceMaterial nahegelegt. Die Medien berichteten davon, dass ein Großteil der CO2-Kompensationszertifikate des führenden Anbieters Verra nahezu wertlos sind und keineswegs CO2 in den angegebenen Mengen ausglichen. Verra ist mit rund 75 Prozent Marktanteil der weltweit führende Anbieter von privat gehandelten CO2-Zertifikaten.

Internationale Konzerne wie VW, Shell, Disney und Apple zählen zu seinen Kunden. Einige von ihnen kündigten als Reaktion auf die Erkenntnisse an, die Zusammenarbeit mit Verra einzustellen oder dies zu prüfen. Einige Firmen bewarben ihre Produkte nach der Veröffentlichung der Medienrecherche nicht mehr als klimaneutral. (hcz)