Afghanistan: Taliban vertreiben Frauen aus Medienlandschaft

Afghanische Moderatorin
Bald wahrscheinlich ein Bild der Vergangenheit: Frauen im afghanischen Fernsehen.(Quelle: YouTube – RTA Pashto)

In Afghanistan verschwinden Journalistinnen und Medienmitarbeiterinnen zunehmend aus der Medienlandschaft. Nach Angaben von Reporter ohne Grenzen (RSF) arbeiten in der Hauptstadt Kabul bei den größten acht Medien des Landes insgesamt nur noch 76 Frauen – davon 39 als Journalistinnen. Vor der Machtübernahme der Taliban am 15. August waren es noch 510. “Journalistinnen sind dabei, aus der Hauptstadt zu verschwinden”, fasst die Organisation zusammen.

In den Provinzen abseits von Kabul sieht laut Bericht die Lage für Medienmacherinnen ebenso bedrückend aus: Ein Großteil der privaten Medien musste in diesen Regionen auf Druck der Taliban schließen. So habe es nur ein kleiner Teil der rund 1700 journalistisch arbeitenden Frauen in den Provinzen Kabul, Herat und Balkh geschafft, ihre Arbeit von zu Hause fortzusetzen.

“Journalistinnen müssen so schnell wie möglich wieder uneingeschränkt arbeiten können. Das ist nicht nur ihr grundlegendes Recht und unerlässlich für ihren Lebensunterhalt. Ihr Ausschluss würde auch bedeuten, dass afghanische Frauen nicht mehr in der Medienlandschaft repräsentiert werden”, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. Die Organisation fordere sofortige Garantien für die Freiheit und Sicherheit von afghanischen Journalistinnen.

“Ein paar Tage zu Hause bleiben”

Ob die Journalistinnen von der Straße und öffentlichen Plätzen aus berichten oder im Studio arbeiten – sie werden von den Islamisten systematisch an ihrer Arbeit gehindert, bedroht oder gar angegriffen. Eine Nachrichtensprecherin beim staatlichen Sender Radio Television Afghanistan (RTA) haben die Taliban schlichtweg ersetzt. Sie solle “ein paar Tage zu Hause zu bleiben”, hieß es. Einer anderen Nachrichtensprecherin sei der Zutritt zum Redaktionsgebäude verwehrt worden.

Bei RTA traue sich keine der 140 Journalistinnen mehr für den Sender zu arbeiten – er steht nun unter der Kontrolle der Taliban. Auch bei privaten Medien hätten die Islamisten Druck auf Führungskräfte ausgeübt, damit diese ihre Journalistinnen nach Hause schicken.

Einige Mitarbeiterinnen privater Sender, die aus der Öffentlichkeit berichteten, seien während der Arbeit angegriffen worden. So wurde beispielsweise die Reporterin einer Nachrichtenagentur während der Berichterstattung aus der Nähe des Kabuler Flughafens von Taliban-Kämpfern geschlagen. Weitere Islamisten hielten vor Medienhäusern Wache und hinderten Journalistinnen daran, diese zu verlassen, um zu berichten.

In der Provinz Ghazni verlangten die Taliban von einem privaten Radiosender, alle weiblichen Sprecher aus dem Programm zu streichen und keine Musik mehr zu spielen. “Ihr seid ein privater Radiosender. Ihr könnt weitermachen, aber ohne Frauenstimmen und ohne Musik”, zitiert RSF die Extremisten.

Eine beim afghanischen Privatfernsehen angestellte Journalistin berichtete RSF: “Es war der perfekte Job für mich. Ich wollte Frauen helfen. Jetzt weiß ich nicht, ob ich jemals wieder arbeiten kann.”

Medien müssen sich zurückziehen

Seit der Machtübernahme durch die Taliban haben sich die Arbeitsbedingungen für fast alle Medienschaffenden in Afghanistan massiv verschlechtert. Bereits am 25. August hatte RSF berichtet, dass mindestens zehn Pressevertreterinnen und -vertreter in den vergangenen Wochen bei ihrer Arbeit in der Hauptstadt Kabul und Dschalalabad körperlich angegriffen oder bedroht worden sein sollen. Was den Medien noch erlaubt ist und was nicht, scheint oft unklar. Rund 100 private Lokalmedien hätten ihre Arbeit bereits eingestellt. Sender, die weiterarbeiten, erhielten täglich Drohungen oder sollen ihre Berichterstattung nach dem Willen der Taliban anpassen.

Diese hatten zunächst gegenüber RSF behauptet, die Pressfreiheit zu achten und die “Bedeutung der Rolle der Medien” anzuerkennen. "Denn die Berichterstattung der Medien ist für die Gesellschaft nützlich und kann dazu beitragen, die Fehler der Führer zu korrigieren”, sagte am 15. August der Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid. Diese Aussagen erscheinen in Anbetracht der aktuellen Ereignisse in dem Land bereits wieder überholt.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit von RSF steht Afghanistan bereits auf Platz 122 von 180 Staaten. Die Organisation schreibt: “Journalist*innen in Afghanistan schweben in akuter Lebensgefahr, denn seit dem Siegeszug der Taliban ist einer der größten Feinde der Pressefreiheit weltweit an der Macht.” (hcz)