Artenvielfalt in Deutschland schwindet
Um die Artenvielfalt in Deutschland steht es einem neuen Bericht zufolge schlecht. Populationen schrumpfen, verarmen genetisch oder sterben aus – mit direktem Einfluss auf die Leistungsfähigkeit und Funktionsweise von Ökosystemen. Ein Drittel der untersuchten Arten sind gefährdet, etwa drei Prozent sind bereits ausgestorben, heißt es in dem am Montag veröffentlichten “Faktencheck Artenvielfalt”, an dem mehr als 150 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beteiligt waren. Für die Bestandsaufnahme wurden mehr als 6000 Publikationen ausgewertet. Finanziert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).
Ein Drittel der untersuchten Arten ist dem Bericht zufolge in ihren Beständen gefährdet. Von den etwa 72.000 in Deutschland einheimischen Tier-, Pflanzen- und Pilzarten wurden bislang etwa 40 Prozent auf die Gefährdung ihrer Populationen hin untersucht. Besonders kritisch sei die Situation bei vielen Reptilien- und Amphibienarten sowie zahlreichen Insektenarten und anderen Gliedertieren.
Die Populationen von Vögeln im Agrar- und Offenland seien in knapp 40 Jahren um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Zwar entwickelten sich einige Arten positiv, zum Beispiel bei den Libellen, weit mehr zeigten aber negative Entwicklungen, darunter viele Schmetterlingsarten.
Rückgang auch bei Pflanzenarten
Auch bei Pflanzen gebe es Verluste, vor allem bei der Ackerbegleitflora, sagte Alexandra-Maria Klein, Professorin für Naturschutz und Landschaftsökologie und eine der Leitautorinnen. Das sind Pflanzenarten, die wild neben Kulturpflanzen auf Äckern oder Weinbergen wachsen. “Da sind viele Sachen dabei, die wir kaum noch sehen”, sagte Klein. Dazu gehörten zum Beispiel der Acker-Schwarzkümmel oder das Deutsche Filzkraut.
Gleichzeitig gebe es eine Zunahme an Neophyten, also nicht heimischen Pflanzenarten. Es sei aber noch unsicher, was das für die Zukunft bedeute, sagte die Biologin.
Ursache Landwirtschaft
Von insgesamt 93 untersuchten Lebensraumtypen in Deutschland seien 60 Prozent in einem ökologisch unzureichenden oder schlechten Zustand; täglich verschwänden wertvolle Habitatflächen. Am schlechtesten stehe es um ehemals artenreiche Äcker, Moore, Moorwälder, Sümpfe und Quellen. Positive Entwicklungen konnte das Forschungsteam kaum entdecken. Eines der wenigen Beispiele seien Laubwälder – allerdings seien diese akut vom Klimawandel bedroht.
Zudem gelten rund 9 Prozent der Lebensraumtypen auf dem Meeresboden der Nordsee als vollständig vernichtet, wie es im Faktencheck heißt. “Dazu gehören Seegraswiesen auf ebenem Sandgrund sowie Bänke der Europäischen Auster.”
Als Hauptursache für den Verlust der biologischen Vielfalt nennt der Bericht die Intensivierung der Landwirtschaft mit der Verwendung von Pestiziden. Auch die Entfernung von Hecken in der Agrar- und Offenlandschaft, die Flächenversiegelung in den Städten und die großflächige Entwässerung der Landschaft, vor allem von Mooren und Auen, sowie der Klimawandel hätten zum Teil ebenfalls weitreichende Konsequenzen.
Nötige Maßnahmen
Um eine Kehrtwende bei der Biodiversität herbeizuführen, ist den Autoren zufolge die Wiederansiedlung und der Schutz von bestimmten Arten notwendig, dies sei zum Teil auch umsetzbar. Für jeden Lebensraumtyp gebe es Maßnahmen zur Förderung der biologischen Vielfalt. Ein Beispiel sei die Kegelrobbe, die in Deutschland fast ausgerottet war. Mittlerweile gebe es wieder mehr als 2.000 Tiere.
Maßnahmen zum Schutz der biologischen Vielfalt können laut Bericht etwa die Umstellung auf biologische Landwirtschaft, die Ausweitung von Schutzgebieten, schonende Fangmethoden in Küstengewässern und insektenfreundliches Mähen sein.
Für die Umsetzung seien sowohl Politik als auch Wirtschaft und Gesellschaft verantwortlich. Doch auch jeder Einzelne könne eine Beitrag leisten und beispielsweise seinen Garten naturnah gestalten, sagte Marion Mehring vom Institut für sozial-ökologische Forschung in Frankfurt. (Mit Material der dpa / hcz)