Belarus verbietet unabhängige Nachrichtenseite

Redaktion der Vorgängerseite Tut.by
Die Redaktion hat angekündigt, sich nun juristisch zur Wehr setzen zu wollen. (Quelle: IMAGO / ITAR-TASS)

Belarus geht weiter gegen freie journalistische Berichterstattung vor: Ein Gericht hat die unabhängige Nachrichtenseite Zerkalo.io als “extremistisch” eingestuft und verboten. Das teilte das Innenministerium am vergangenen Freitag mit.

Die Seite Zerkalo.io war aus dem Nachrichtenportal Tut.by hervorgegangen, das bereits im Mai dieses Jahres gesperrt wurde. Die Behörden hatten der Redaktion damals vorgeworfen, verbotene Inhalte veröffentlicht und damit gegen das Massenmediengesetz verstoßen zu haben.

Von der Entscheidung sind sowohl Zerkalo.io als auch der Vorgänger Tut.by betroffen. Auch ihre Auftritte in den sozialen Netzwerken und selbst die Logos der Publikationen sind betroffen.

Leser sollen Links zu Zerkalo.io löschen

Sollten Inhalte von Zerkalo.io in den sozialen Netzwerken verbreitet werden, drohen Geldstrafen oder Arrest. Zerkalo.io empfiehlt daher Leserinnen und Lesern, die Links zu den Nachrichtenseiten geteilt haben, diese zu löschen. Auch wer ein Bild mit einem der Logos verwende, solle dieses ändern.

Die Redaktion kündigte an, weiter zu berichten. Die Journalistinnen und Journalisten befinden sich demnach außerhalb von Belarus – Tippgebern garantiere man Anonymität.

Zerkalo.io will außerdem gegen die Entscheidung des Gerichts in Berufung gehen. Man halte sich an die Grundsätze des Journalismus und an belarussische Gesetze, die Vorwürfe des Innenministeriums seien daher unbegründet.

Das Nachrichtenportal Tut.by war während der Massenproteste gegen Machthaber Alexander Lukaschenko im vergangenen Jahr international bekannt geworden. Auch nachdem immer mehr ausländische Journalistinnen und Journalisten des Landes verwiesen worden waren, hatte Tut.by weiter über die Demonstrationen in Belarus berichtet. Erst Anfang Juli hatte ein Teil der Redaktion unter dem neuem Namen einen Neustart gewagt, nachdem sie zuvor hauptsächlich über den Messenger Telegram Nachrichten verbreitet hatten. Noch am selben Tag wurde auch die neue Seite in Belarus blockiert.

“Feind der Pressefreiheit”

Das Vorgehen der Behörden gegen Zerkalo.io ist kein Einzelfall: Anfang August hatten Reporter ohne Grenzen (RSF) und die Weltorganisation gegen Folter (OMCT) gemeinsam auf die Lage der Pressefreiheit in Belarus aufmerksam gemacht. Demnach wurden Anfang Juli 20 Redaktionen in Belarus durchsucht und drei Webseiten blockiert. Darunter auch die der unabhängigen Zeitung Nascha Niwa.

Der deutsche RSF-Geschäftsführer Christian Mihr sagte: “Die freie und unabhängige Presse, eine Säule der Demokratie, ist Alexander Lukaschenkos Hauptfeind. Journalistinnen und Journalisten und sogar ihre Familien werden seit einem Jahr unerbittlich physisch, juristisch sowie wirtschaftlich verfolgt und psychologisch unter Druck gesetzt.”

Nach Angaben von RSF wurden seit der mutmaßlich gefälschten Wiederwahl von Lukaschenko im August 2020 etwa 500 Medienschaffende verhaftet. Anfangs seien Journalistinnen und Journalisten meist zu mehreren Tagen Arrest verurteilt worden. Inzwischen verhängen Gerichte mehrjährige Haftstrafen. So sitzt auch die Chefredakteurin von Tut.by, Maryna Solatawa, im Gefängnis – die Behörden werfen ihr angebliche Steuerhinterziehung vor.

Die Reporterinnen Daria Tschulzowa und Kazjaryna Andrejewa vom Exilsender Belsat TV wurden jeweils zu zwei Jahren Haft verurteilt, weil sie eine Demonstration gefilmt und live darüber berichtet hatten. Der Belarussischen Journalistenvereinigung BAJ droht zudem die Auflösung.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Belarus auf Platz 158 von 180. RSF zählt Alexander Lukaschenko außerdem zu den Feinden der Pressefreiheit. (js)