Bundespräsident lässt Gesetz gegen Hass im Netz korrigieren
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verweigert dem am 18. Juni beschlossenen Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität vorerst seine Unterschrift. Grund dafür sind verfassungsrechtliche Bedenken: Es sei “nicht streitig”, dass Teile des Gesetzes verfassungswidrig sind, teilte das Bundespräsidialamt dem Tagesspiegel mit.
Demnach erklärte sich die Regierung bereit, entsprechende Änderungen an dem Gesetz vorzunehmen. In seiner derzeitigen Fassung sieht das Gesetz vor, dass soziale Netzwerke Postings mit beispielsweise volksverhetzenden Inhalten nicht nur löschen, sondern dem Bundeskriminalamt (BKA) melden müssen. Dafür müssen sie auch die Daten der Nutzerinnen und Nutzer weitergeben.
Allerdings hatte das Bundesverfassungsgericht zur sogenannten Bestandsdatenauskunft geurteilt, dass diese an bestimmte Voraussetzungen geknüpft sein muss. So muss bei den Strafverfolgungsbehörden beispielsweise ein Anfangsverdacht vorliegen. Das Urteil wurde am 17. Juli veröffentlicht, also einen Monat, nachdem das Gesetz gegen Hass im Netz im Bundestag verabschiedet wurde. In dem Urteil heißt es: “Auch Auskünfte über Daten, deren Aussagekraft und Verwendungsmöglichkeiten eng begrenzt sind, dürfen nicht ins Blaue hinein zugelassen werden.” Das Urteil bezieht sich zwar auf Telekommunikationsanbieter, der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags geht in einem im September veröffentlichten Gutachten aber davon aus, dass es sich auf die sozialen Netzwerke übertragen lässt.
Eingriff in die Grundrechte
Einige der vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Paragraphen im Telekommunikationsgesetz seien nämlich nahezu identisch mit denen im Gesetz gegen Hass im Netz. Damit seien auch diese Regeln als verfassungswidrig zu betrachten. So gingen die Befugnisse zur Übermittlung und zum Abruf der Bestandsdaten teilweise zu weit und seien an keinerlei nennenswerte Voraussetzungen geknüpft. Dabei bedeute der Abruf von Daten wie Name, Anschrift und Geburtsdatum einen Eingriff in die Grundrechte.
Das Gesetz sieht außerdem die Identifizierung von Nutzern mittels einer IP-Adresse vor. Die Gutachter halten dies aber für unverhältnismäßig, da die im Urteil geforderte “hinreichend präzise Umgrenzung des Verwendungszwecks” hier nicht gegeben sei.
Laut dem Gutachten dürfte auch die vorgesehene Übermittlung von Zugangsdaten verfassungswidrig sein. Zwar seien die Eingriffsschwellen hierfür höher, da beispielsweise eine richterliche Anordnung erforderlich ist. Allerdings sehe das Gesetz die Übermittlung auch dann vor, “wenn die gesetzlichen Voraussetzungen ihrer Nutzung nicht vorliegen sollten”. Auch dieser Teil des Gesetzes widerspreche den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.
Bundesregierung soll Änderungen vorlegen
Das Gesetz wurde im Bundestag zwar beschlossen, kann aber erst in Kraft treten, wenn der Bundespräsident es unterzeichnet hat. Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung teilte das Bundespräsidialamt dem Bundestag bereits Anfang Oktober mit, das Ausfertigungsverfahren auszusetzen. Die Bundesregierung solle die Änderungen “möglichst unverzüglich” erarbeiten und einbringen.
Die Süddeutsche Zeitung beurteilt Steinmeiers Weg als ungewöhnlich. Auch der Tagesspiegel berichtet von Kritik an dem Vorgehen. Demnach müsste der Bundespräsident ein aus seiner Sicht verfassungswidriges Gesetz stoppen, anstatt es nur in Teilen korrigieren zu lassen. Das Bundespräsidialamt teilte dem Tagesspiegel dazu mit: “Die Aussetzung der Ausfertigung ist Teil der verfassungsrechtlichen Prüfkompetenz des Bundespräsidenten nach Artikel 82 des Grundgesetzes.”
Viel Kritik an Gesetz
Schon bevor das Gesetz verabschiedet wurde, hatte es daran breite Kritik gegeben. So warnte etwa die EU-Kommission, dass das deutsche Gesetz teilweise europäischem Recht wie der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) widerspreche. Die Kommission hatte auch die möglichen schweren Eingriffe in die Grundrechte der Nutzer kritisiert.
Nach der Veröffentlichung des Gutachtens des Wissenschaftlichen Dienstes hatten die Grünen im Bundestag eine Änderung des Gesetzes gefordert. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz hatte auf Twitter geschrieben, seine Partei habe stets auf die Zweifel an der Verfassungskonformität des Gesetzes hingewiesen und Alternativen vorgelegt. Der Änderungsantrag der Grünen wurde im Bundestag jedoch abgelehnt.
Das Gesetz sieht deutlich härtere Strafen für Hetze und Drohungen im Internet vor. Unter das Gesetz fallen etwa Neonazi-Propaganda, die Vorbereitung einer Terrortat, Volksverhetzung, Gewaltdarstellungen, aber auch die Billigung von Straftaten. Für Gewaltandrohungen im Internet drohen Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren, bei öffentlichen Morddrohungen von bis zu drei Jahren. (js)