Demonstrierenden im Iran droht die Todesstrafe
Seit über einem Monat demonstrieren Menschen im Iran. In der Hauptstadt Teheran wurden nun mehr als 300 von ihnen angeklagt – vier Personen droht die Todesstrafe.
Medienberichten zufolge wirft die Staatsanwaltschaft in Teheran den vier Personen den Straftatbestand “Krieg gegen Gott” vor, der mit der Todesstrafe geahndet werden kann.
Laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International lässt der Iran “systematisch” Menschen exekutieren, die in unfairen Gerichtsverfahren verurteilt wurden. Routinemäßig würden durch Folter erzwungene Geständnisse als Beweismittel verwendet. Der in Oslo ansässigen NGO Iran Human Rights zufolge wurden im Jahr 2022 bereits über 440 Menschen im Iran hingerichtet. Die Zahl liegt damit bereits deutlich über denen des Vorjahres: 2021 hatte Amnesty International 314 Exekutionen dokumentiert – die höchste im Iran registrierte Zahl seit 2017.
Im Zusammenhang mit den aktuellen regierungskritischen Protesten hat die Staatsanwaltschaft in Teheran inzwischen 315 Menschen angeklagt. Sie werden etwa der “Versammlung und Absprache gegen die Sicherheit des Landes” oder der “Propaganda” gegen die staatliche Macht beschuldigt. In der Provinz Alborz sind Justizangaben zufolge weitere 201 Menschen wegen ihrer Beteiligung an den Protesten angeklagt.
Gewalt gegen Demonstrierende
Auslöser der Proteste war der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini. Sie war am 13. September bei einem Besuch in Teheran von der sogenannten Sittenpolizei verhaftet worden, weil sie angeblich gegen die Kleidervorschriften für Frauen in dem Land verstoßen hatte – unter ihrem Kopftuch sollen Haare zu sehen gewesen sein. Am 16. September starb sie in Polizeigewahrsam. Seitdem kommt es in zahlreichen Städten des Landes zu Protesten gegen das Regime.
Die Sicherheitskräfte gehen vielerorts mit Gewalt gegen die Demonstrierenden vor. Seit Beginn der Proteste wurden Menschenrechtlern zufolge bereits fast 250 Menschen getötet – darunter auch mindestens 23 Kinder. Mehr als 12.000 Menschen sollen verhaftet worden sein.
Erst am Montag kam es an mehreren Universitäten im Land zu weiteren Demonstrationen.
Das UN-Menschenrechtsbüro hat das Vorgehen der Regierung wiederholt kritisiert. Während der Massenverhaftungen von Demonstranten seien auch Menschenrechtsaktivisten, Anwälte und Medienschaffende festgenommen worden. Es herrsche Sorge über Misshandlungen, Folter und medizinische Vernachlässigung von Inhaftierten. Die Gefangenen hätten zudem häufig keinen Zugang zu Anwälten. Die UN-Experten forderten: “Die anhaltende unnötige und unverhältnismäßige Anwendung von Gewalt gegen Demonstranten muss aufhören.” Alle willkürlich festgenommenen Personen müssten sofort freigelassen werden. Die iranischen Behörden müssten auch alle mutmaßlichen Verstöße gegen internationales Recht, darunter die Tötung von Kindern, “unverzüglich, unparteiisch und unabhängig” untersuchen und Verantwortliche strafrechtlich verfolgen.
Vorgehen gegen Medienschaffende
Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) hatte vor wenigen Tagen berichtet, das Regime habe seit Beginn der Proteste 33 Medienschaffende festgenommen. Ende vergangener Woche seien 29 von ihnen noch immer in Haft gewesen, darunter zehn Frauen. Vor den Protesten hätten sich 14 Medienschaffende im Gefängnis befunden – laut RSF sitzen weltweit nur in China und Myanmar mehr Journalistinnen und Journalisten in Haft. Die Organisation berichtete auch von Razzien in den Wohnungen von Medienschaffenden.
RSF-Geschäftsführer Christian Mihr kritisierte: “Wer derzeit im Iran auch nur unter Verdacht steht, journalistisch zu arbeiten, wird weggesperrt. Teheran geht in einem alarmierenden Tempo gegen unabhängige Medienschaffende vor, momentan sind so viele von ihnen inhaftiert wie seit über 20 Jahren nicht mehr.”
Außer der Arbeit von Journalistinnen und Journalisten schränkt das Regime auch den ungehinderten Zugang zu Informationen ein: Wiederholt hat die Regierung das Internet sperren lassen. Gezielt wird auch der Zugang zu Diensten wie Instagram und WhatsApp blockiert. Andere Plattformen, wie Facebook, sind im Iran bereits seit Jahren gesperrt.
Die Internetsperren haben auch Auswirkungen auf die Wirtschaft: Ende September erklärte die nationale Gemeinschaft der Online-Unternehmen, die von der Regierung verhängten Einschränkungen hätten über eine Million Menschen im Land arbeitslos gemacht.
Die Freedom Online Coalition verurteilte die Blockaden vergangene Woche. In einer Stellungnahme hieß es, Millionen von Menschen im Iran seien auf Online-Dienste angewiesen, um miteinander und der Außenwelt in Kontakt zu treten. Die Regierung unterdrücke das Recht auf friedliche Versammlung und die Meinungsfreiheit. Auch schaffe sie ein Klima der wirtschaftlichen Unsicherheit und unterbreche etwa den Zugang zur Gesundheitsversorgung. Die Freedom Online Coalition ist ein Zusammenschluss von 34 Regierungen zur Stärkung der Internetfreiheit und zum Schutz von Menschenrechten im Internet, darunter Deutschland, Frankreich, Kanada und die USA. (js)