EU-Parlament stimmt für Verbrenner-Aus
Das EU-Parlament hat ein Verkaufsverbot für Verbrenner ab 2035 auf den Weg gebracht. Mit einer Mehrheit von 339 zu 249 Stimmen sprachen sich die Abgeordneten am Mittwoch in Straßburg dafür aus, dass Hersteller ab dem Jahr 2035 nur noch Autos und Transporter auf den Markt bringen dürfen, die keine klimaschädlichen Treibhausgase ausstoßen. Teile der Industrielobby und konservative Abgeordnete hatten im Vorhinein darauf gedrängt, das Ziel auf 90 statt 100 Prozent weniger Emissionen festzulegen.
Umweltorganisationen begrüßten hingegen das konsequentere Ergebnis. “Heute wurde vom Europäischen Parlament ein klares Signal Richtung Antriebswechsel gesetzt”, so Jens Hilgenberg, Leiter Verkehrspolitik beim BUND. Der Verbrennungsmotor sei ein Auslaufmodell, das müsse nun allen Beteiligten klar sein. Vom Nabu heißt es: “Das EU-Verbrenner-Aus 2035 ist ein großer Schritt und Arbeitsauftrag zugleich.” Die Bundesregierung müsse nun dringend Maßnahmen ergreifen, damit das Ziel erreicht werde.
Abgestimmt wurde über Vorschläge der EU-Kommission, die helfen sollen, klimaschädliche Treibhausgasemissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent zu senken – und die EU bis 2050 klimaneutral zu machen. Die Pläne sind Teil des angestrebten Klimapakets "Fit for 55".
Damit das Verbot in Kraft treten kann, müssen sich nun in einem letzten Schritt EU-Staaten und das Europaparlament einigen. Viele Vorschläge wurden bereits kontrovers diskutiert und könnten noch verwässert werden. Die Staaten wollen ihre Position bis zum Ende des Monats festlegen.
In Deutschland begrüßten Grüne und SPD den Schritt. Die FDP dringt aber auf Änderungen.
Keine lebenserhaltenden Maßnahmen
Laut einem Bericht der Europäischen Umweltagentur war der Verkehr im Jahr 2019 für rund ein Viertel der gesamten CO2-Emissionen der EU verantwortlich. Davon entfielen knapp 72 Prozent auf den Straßenverkehr. Der Verkehr ist der einzige Bereich, in dem der Treibhausgasausstoß in den letzten drei Jahrzehnten zugenommen hat – zwischen 1990 und 2019 um 33,5 Prozent.
Die sogenannten Flottengrenzwerte für Autos und Transporter sollen deswegen nach dem Willen des Parlaments auf null sinken. Da keine Anrechnung von synthetischen Kraftstoffen alias E-Fuels geplant ist, wäre dies das Aus für den Verbrenner. Prinzipiell könnte ein klassischer Verbrenner mit diesen Kraftstoffen klimaneutral betrieben werden – allerdings energietechnisch höchst ineffizient. Zudem mangelt es aktuell noch an Herstellungskapazitäten.
Der CDU-Abgeordnete Jens Gieseke sprach sich – wie auch der Verband der Automobilindustrie und Teile der FDP – dennoch für die Möglichkeit aus, dass diese umstrittenen Kraftstoffe für Autos und Transporter genutzt werden können.
Der Grünen-Abgeordnete Michael Bloss hielt dagegen: “Wenn wir die E-Fuels in die Autotanks der Bürger kippen, fehlen diese bei Schiffen und Flugzeugen, wo wir jetzt schon nicht wissen, woher wir diese bekommen.”
Klimakrise lässt keinen Raum für Verbrenner
Das Umweltbundesamt hält ein Verkaufsverbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 für notwendig, um die Klimaziele im Verkehrsbereich erreichen zu können. Falls nach 2035 noch Autos mit Verbrennungsmotor auf den Markt gebracht würden, könne bis 2045 die Klimaneutralität nicht geschafft werden, sagte Präsident Dirk Messner.
Greenpeace erinnerte daran, dass auch die deutsche Regierung laut Koalitionsvertrag den Verbrenner 2035 auslaufen lassen wollte. Greenpeace-Verkehrsexperte Tobias Austrup kommentierte: “Dafür muss [Verkehrsminister] Volker Wissing rasch eine Neuzulassungssteuer einführen, die den Hochlauf der Elektromobilität beschleunigt.” Nur so könne der Verkehr seine Klimaziele einhalten und sich die deutsche Autobranche für die anstehende Transformation wappnen.
Der Deutschen Umwelthilfe (DUH) geht die Umsetzung nicht schnell genug; sie fordert ein Verbrenner-Aus schon ab 2030. Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch erklärte am Mittwoch: “Die eskalierende Klimakrise lässt uns nicht die Zeit, noch weitere 13 Jahre Millionen neue Verbrenner-Autos auf Europas Straßen zu spülen, die dann wiederum 15 Jahre oder noch länger auf klimaschädlichen Sprit angewiesen sind.”
Die Klimaschutzbewegung Fridays for Future reklamierte den Beschluss des EU-Parlaments als einen Erfolg ihrer Arbeit. Aber das angepeilte Jahr 2035 sei “zehn Jahre zu spät”, um das Ziel zu erreichen, die Erderhitzung wie 2015 auf der UN-Klimakonferenz in Paris vereinbart auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen, schrieben die Aktivisten auf Twitter. “Klar ist: Eine Verkehrswende schaffen wir nicht, indem E-Autos auf die Straße kommen – sondern Menschen.”
Der VW-Konzern begrüßte die Planungssicherheit, die mit der politischen Entscheidung zum Verbrenner-Aus einherginge. “Die Wende zur Elektromobilität ist unumkehrbar”, ließ der Hersteller verlauten. Auch Mercedes-Benz drückte seine Zustimmung zu dem Parlamentsbeschluss aus.
Die Gewerkschaft IG Metall forderte Unterstützung für betroffene Mitarbeiter in der Autoindustrie. “Die Abstimmung zum Verbrenner-Aus ist eine Selbstverpflichtung der Politik auf allen Ebenen”, warnte Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall. “Sie muss jetzt mit Hochdruck die Rahmenbedingungen schaffen, damit dieses Ziel erreichbar ist.” Die Gewerkschaft forderte einen europaweiten Ausbau der Ladeinfrastruktur und der erneuerbaren Energien.
Ausweitung des Emissionshandels gescheitert
Weitere Vorschläge der EU-Kommission zum Klimaschutz hatte das Parlament abgelehnt. Unter anderem fand eine Reform des Emissionshandels keine Zustimmung. Eigentlich sollte das System ab 2025 auf gewerbliche Gebäude und kommerziellen Verkehr ausgeweitet werden. Doch Konservative und Rechte hatten versucht, die Vorlagen mit Änderungsanträgen aufzuweichen. Daraufhin lehnten Sozialdemokraten und Grüne die Gesetzentwürfe insgesamt ab.
Das Gesetz wurde nun an den Umweltausschuss verwiesen. Dieser soll einen Kompromiss erarbeiten, der Chancen auf eine Mehrheit im Parlament hat.
Der Emissionshandel ist Herzstück der EU-Klimapolitik. Er reguliert, wie viel für den Ausstoß klimaschädlicher Gase wie CO2 gezahlt werden muss. In Deutschland und anderen EU-Staaten sind Gebäude und Verkehr bereits Teil des Emissionshandels.
Importierende Hersteller bislang ausgenommen
Auch ein vorgeschlagener Ausgleichsmechanismus für die CO2-Emissionen ausländischer Hersteller scheiterte am Votum des Parlaments. Dieser wäre anhand des CO2-Ausstoßes bei der Produktion berechnet worden und sollte bereits im Herstellungsland gezahlte Ausgleichszahlen berücksichtigen.
Der Mechanismus sollte für Wettbewerbsgleichheit zwischen EU-Herstellern und Importeuren sorgen. Gleichzeitig sollten andere Länder dazu bewegt werden, ebenfalls strengere Klimamaßnahmen einzuführen.
Angesichts der abgelehnten Vorschläge sprach Rasmus Andresen, Sprecher der deutschen Grünen im EU-Parlament, von einem “schwarzen Tag für den Klimaschutz”. (dpa / hcz)