Facebook schaltet Gesichtserkennung ab
Facebook schafft seine Gesichtserkennungsfunktion ab, die automatisch Nutzerinnen und Nutzer in Fotos zum Markieren vorgeschlagen hat. Die biometrischen Daten von mehr als einer Milliarde Menschen werden gelöscht. Diesen Schritt kündigte der Mutterkonzern Meta am Dienstag an – sieht aber weiter Einsatzgebiete für die umstrittene Erkennungstechnik.
Die Funktion soll in den nächsten Wochen weltweit abgeschaltet werden, heißt es in einem Blogeintrag. Das Unternehmen begründet die Entscheidung mit zunehmenden gesellschaftlichen Bedenken gegenüber Gesichtserkennung. Zudem hätten Regulierungsbehörden bisher keine klaren Vorschriften zum Einsatz der Technik erlassen.
Nutzerinnen und Nutzer mussten der Gesichtserkennung auf Facebook zuletzt bereits ausdrücklich zustimmen. Die Software erstellte dann automatisiert ein individuelles Gesichtsprofil, das mit Fotos und Videos auf der Plattform abgeglichen wurde. Unter anderem schlug Facebook vor, erkannte Personen auf Fotos zu markieren.
Kritik, Abschaltung und Wiedereinführung
Die Funktion war stets höchst umstritten: Facebook hatte sie bereits im Jahr 2010 getestet und Mitte 2011 für alle Nutzerinnen und Nutzer eingeführt – und automatisch aktiviert. Facebook konnte somit eine umfangreiche Biometriedatenbank aufbauen. Biometrische Daten wie Gesichtsbilder sind jedoch besonders sensibel, da sie sich nicht verändern lassen. Menschen können so ein Leben lang über sie identifiziert werden.
In Deutschland hatte der damalige Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar deshalb noch im selben Jahr rechtliche Schritte gegen die Plattform angekündigt: Er hatte vor einem erheblichen Missbrauchspotenzial gewarnt und von Facebook verlangt, die Erlaubnis der Nutzer einzuholen, um ihre biometrischen Merkmale zu speichern und zu verarbeiten. Auch die irische Datenschutzbehörde hatte mit dem Unternehmen zu dem Thema verhandelt.
In Europa hatte der Konzern die Funktion daraufhin im Jahr 2012 wieder abgeschaltet. Erst vor drei Jahren hatte Facebook einen erneuten Anlauf in Europa unternommen – fortan mussten Nutzerinnen und Nutzer die Funktion erst aktivieren und der Verarbeitung ihrer biometrischen Daten zustimmen. Das verlangt die 2018 in Kraft getretene europäische Datenschutzgrundverordnung.
Die Kritik riss jedoch nicht ab: Johannes Caspar hatte auch nach der Wiedereinführung der Funktion gewarnt, die Technik erlaube ein automatisiertes Identifizieren und gezieltes Verfolgen von Personen. Es ließen sich umfangreiche Personenprofile erstellen. Außerdem gebe es Gründe, weshalb Personen sich mehrere Profile auf Facebook anlegen – diese könnten durch die Gesichtserkennung ungewollt miteinander verknüpft werden.
Verbraucherschützer: Nicht zu viel im Internet preisgeben
Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hatte die Gesichtserkennung kritisiert: Beispielsweise, weil die Namen von erkannten Personen in der automatischen Bildbeschreibung für sehbehinderte Menschen auftauchten. So ließen sich Fotos von Personen finden und Unbekannte identifizieren. Der Verband empfiehlt, auch ohne automatische Gesichtserkennung nicht zu viel von sich im Internet preiszugeben. So sollten Nutzerinnen und Nutzer beispielsweise ein Profilbild verwenden, auf dem sie nicht komplett zu erkennen sind. Wer Bilder von sich hochlädt, solle überlegen, ob diese für alle oder nur für einen selbst definierten Empfängerkreis sichtbar sein sollen.
Erst im vergangenen Jahr hatte Facebook 650 Millionen US-Dollar gezahlt, um eine Klage im US-Bundesstaat Illinois beizulegen. Dort verbietet ein Gesetz das Sammeln biometrischer Daten ohne Einverständnis der Betroffenen. Die Kläger hatten Facebook in dem 2015 angestrengten Verfahren vorgeworfen, es mit der automatisch aktivierten Gesichtserkennung verletzt zu haben.
Adam Schwartz, Anwalt bei der US-amerikanischen Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation, begrüßte Facebooks Entscheidung und warnte: “Der Einsatz von Gesichtserkennung durch Unternehmen ist sehr gefährlich für die Privatsphäre.”
Facebook wendet sich aber nicht generell von der Erkennungstechnik ab: Vorstellbar sei Gesichtserkennung beispielsweise, um Zugang zu einem gesperrten Konto zu erhalten, erklärte der Konzern. Daran will Facebook weiter arbeiten – verspricht aber, dass Nutzerinnen und Nutzer die Kontrolle darüber haben sollen, ob sie automatisch erkannt werden.
Facebook steht derzeit vermehrt unter Druck: Die Whistleblowerin und ehemalige Facebook-Mitarbeiterin Frances Haugen wirft dem Unternehmen vor, Profite über die Sicherheit seiner Nutzer und das Gemeinwohl zu stellen. So seien interne Hinweise auf für Nutzer schädliche Entwicklungen ignoriert worden. Facebook weist die Vorwürfe zurück.
Die Entscheidung zur Einstellung der Gesichtserkennung begrüßte Haugen. “Ich denke, das zeigt, wie wichtig es ist, dass wir eine harte Position gegenüber Facebooks Handeln einnehmen”, sagte sie. “Denn wenn wir uns zusammenschließen und vernünftige Dinge fordern, können wir Fortschritte erreichen.” (dpa / js)