USA verhängen Sanktionen gegen Spionagesoftware-Hersteller NSO
Die USA haben den Spionagesoftware-Anbieter NSO auf ihre Sanktionsliste gesetzt. Das gab die dem Handelsministerium unterstellte Behörde Bureau of Industry and Security am Mittwoch in Washington bekannt. Auch gegen die Firma Candiru, die ebenfalls Spionagesoftware anbietet, werden Strafmaßnahmen verhängt.
Insgesamt wurden vier Unternehmen in die sogenannte Entity List aufgenommen, weil deren Aktivitäten “den nationalen Sicherheits- oder außenpolitischen Interessen der Vereinigten Staaten zuwiderlaufen”. Ohne eine Sondergenehmigung ist es US-Unternehmen verboten, bestimmte Technologien an diese Firmen zu verkaufen. Das US-Magazin Vice erklärt, dabei könne es sich sowohl um Softwarelizenzen als auch um Hardware handeln.
Die Behörde teilte weiter mit, es gebe Beweise, dass die israelischen Unternehmen NSO und Candiru Spionagesoftware entwickelt und an ausländische Regierungen geliefert haben. Diese Programme seien zur böswilligen Überwachung von Regierungsbeamten, Journalisten, Geschäftsleuten, Aktivisten, Wissenschaftlern und Botschaftsmitarbeitern eingesetzt worden. Autoritäre Regierungen hätten mit der Software auch Dissidenten außerhalb ihres Hoheitsgebietes ins Visier genommen, um abweichende Meinungen zu unterdrücken.
Auch das russische Unternehmen Positive Technologies sowie Computer Security Initiative Consultancy aus Singapur wurden auf die Sanktionsliste gesetzt. Sie handeln laut Bureau of Industry and Security mit Werkzeugen, “die dazu dienen, sich unbefugt Zugang zu Informationssystemen zu verschaffen und damit die Privatsphäre und Sicherheit von Einzelpersonen und Organisationen weltweit bedrohen”.
Menschenrechtler und Oppositionelle mit Pegasus überwacht
Im Sommer hatten die Organisationen Forbidden Stories und Amnesty International sowie mehrere internationale Medien aufgedeckt, wie weltweit Medienschaffende, Menschenrechtler und Oppositionelle mit der NSO-Spionagesoftware Pegasus überwacht wurden. Zu den potenziellen weiteren Ausspähzielen sollen Politiker wie der französische Präsident Emmanuel Macron und der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, gehören.
Zuletzt war bekannt geworden, dass auch das Smartphone eines Journalisten der New York Times mit Pegasus überwacht wurde.
Die Sicherheitsforscher vom Citizen Lab an der Universität Toronto hatten im Juli zudem über das Unternehmen Candiru berichtet: Mit dessen Spähsoftware sollen ebenfalls Menschenrechtler, Dissidenten, Medienschaffende, Aktivisten und Politiker in zehn Ländern ausspioniert worden sein.
Ein “großer Sieg”
Pegasus-Hersteller NSO zeigte sich in einer Stellungnahme “bestürzt” vom Vorstoß der US-Behörden und wies die Vorwürfe zurück. Das Unternehmen kündigte an, sich dafür einzusetzen, die Entscheidung rückgängig zu machen.
Natalia Krapiva von der Bürgerrechtsorganisation Access Now bezeichnete die Entscheidung hingegen als “großen Sieg”. “NSO und Candiru prahlen gerne damit, dass ihre Spionagetechnologien dem Schutz der öffentlichen und nationalen Sicherheit dienen. Nun haben die USA öffentlich erklärt, dass diese Unternehmen nicht nur die Menschenrechte, sondern auch die nationale Sicherheit verletzen.”
Danna Ingleton von Amnesty International begrüßte die Entscheidung ebenfalls: “Mit diesem Schritt hat die US-Regierung anerkannt, was Amnesty und andere Aktivisten schon seit Jahren sagen: Die Spionagesoftware der NSO Group ist ein Instrument der Unterdrückung, das weltweit zur Verletzung von Menschenrechten eingesetzt wird.” Es sei eine “deutliche Botschaft” an NSO. Das Unternehmen könne nicht länger von Menschenrechtsverletzungen profitieren, ohne dass dies Konsequenzen nach sich ziehe. Für die Investoren der NSO Group stelle sich nun die Frage, ob sie weiterhin ein Unternehmen finanzieren wollen, “dessen Technologie für systematische Menschenrechtsverletzungen genutzt wird”.
Auch der demokratische US-Senator Ron Wyden sagte der New York Times, er begrüße die Aufnahme von NSO auf die Sanktionsliste – forderte aber weitergehende Maßnahmen: Die Regierung solle Sanktionen nach dem Global Magnitsky Act in Betracht ziehen. Dieser ermöglicht es, die Vermögen von Personen oder Organisationen einzufrieren und ihnen die Einreise in die USA zu untersagen, wenn sie die Menschenrechte verletzt haben.
Weltweites Moratorium gefordert
Danna Ingleton von Amnesty International warnte zudem: “Die von der Überwachungstechnologie ausgehenden Bedrohungen sind größer als ein einzelnes Unternehmen.” Die “gefährliche Industrie” sei außer Kontrolle geraten. Amnesty International fordert daher ein sofortiges weltweites Moratorium für den Export, den Verkauf, die Weitergabe und den Einsatz von Überwachungstechnologie, bis ein menschenrechtskonformer Rechtsrahmen geschaffen ist.
Auch mehrere UN-Menschenrechtsexpertinnen und ‐experten fordern inzwischen ein solches Moratorium. Sie erklärten, durch Spionagesoftware würden die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Privatsphäre verletzt – und die Technik sei “lebensbedrohlich”.
Im September war bekannt geworden, dass auch das deutsche Bundeskriminalamt NSO-Kunde ist und eine modifizierte Pegasus-Version einsetzt. Der Bundesnachrichtendienst soll ebenfalls über das Spionagewerkzeug verfügen. Angesichts des Vorstoßes der US-Behörden hat die stellvertretende Parteivorsitzende der Linken, Martina Renner, eine schriftliche Anfrage an die Bundesregierung gestellt: Sie möchte wissen, inwieweit die Zusammenarbeit mit NSO nach dieser Entscheidung fortgesetzt wird. Auch welche Konsequenzen sich für die Kooperation der deutschen Behörden mit ihren Partnerdiensten ergeben, soll die Bundesregierung beantworten. (dpa / js)