Fingerabdrücke im Personalausweis jetzt verpflichtend

Personalausweis
Der Verein Digitalcourage wirft der Bundesregierung vor, datenschutzfreundlichere Alternativen ignoriert zu haben. (Quelle: IMAGO / Christian Ohde)

Ab dem heutigen 2. August müssen Bürgerinnen und Bürger zwei Fingerabdrücke abgeben, wenn sie einen neuen Personalausweis beantragen. Kritiker halten dies für unverhältnismäßig. Der Verein Digitalcourage, der sich für Grundrechte und Datenschutz einsetzt, will nun gegen die Fingerabdruckpflicht klagen. Das kündigte Konstantin Macher von Digitalcourage am Samstag in einem Interview mit dem Sender radioeins an.

Der Bundestag hatte das zugrundeliegende “Gesetz zur Stärkung der Sicherheit im Pass-, Ausweis- und ausländerrechtlichen Dokumentenwesen” im November 2020 beschlossen. Deutschland setzt damit eine EU-Verordnung aus dem Jahr 2019 um, nach der die Ausweise aller Mitgliedsstaaten künftig Fingerabdrücke enthalten müssen.

Ab sofort werden die Abdrücke des linken und rechten Zeigefingers zusammen mit dem Foto auf dem Chip des Personalausweises gespeichert. Beim Reisepass ist dies schon seit dem Jahr 2007 verpflichtend. In Deutschland sind alle Bürgerinnen und Bürger über 16 Jahre gesetzlich verpflichtet, einen gültigen Ausweis oder Pass zu besitzen. Bereits ausgestellte Ausweise behalten jedoch ihre Gültigkeit bis zum aufgedruckten Ablaufdatum – sie müssen nicht umgetauscht werden.

Zugriff durch Sicherheitsbehörden

Auf die biometrischen Daten im Ausweis können in Deutschland beispielsweise Polizei, Zoll, Steuerfahndung und die Meldebehörden zugreifen. Sie benötigen dafür ein hoheitliches Berechtigungszertifikat. Laut Bundesinnenministerium können auch Sicherheitsbehörden von EU-Mitgliedsstaaten die Fingerabdrücke auslesen. Andere Staaten weltweit hätten hingegen keinen Zugriff.

Zentral gespeichert werden die Fingerabdrücke aber nicht: Ein Sprecher des Bundesinnenministerium hatte im November auf Anfrage von Posteo erklärt, die Bundesdruckerei als Hersteller der Ausweise lösche die Fingerabdrücke nach Abschluss der Produktion. In den ausstellenden Behörden sollen die Fingerabdrücke “spätestens nach Aushändigung des Dokuments gelöscht” werden.

Für die Fingerabdruckpflicht hatte die Bundesregierung mit einer schnelleren Identitätsprüfung von Ausweisinhabern argumentiert, wenn nach dem Abgleich des Lichtbildes noch Zweifel bestehen. So sollen “zeitaufwändige” Nachfragen bei anderen Behörden entfallen. Thilo Weichert vom Netzwerk Datenschutzexpertise hatte in einem Gutachten allerdings geschrieben, bisher gebe es “keinerlei Belege für die behauptete Erforderlichkeit”.

Digitalcourage kritisiert Grundrechtsverstoß

Bereits im Vorfeld hatte es scharfe Kritik an der Speicherung der Fingerabdrücke gegeben. Denn Fingerabdrücke sind biometrische Merkmale, die bei jedem Menschen einzigartig sind. Personen lassen sich ein Leben lang über sie identifizieren, weshalb sie als besonders sensibel gelten.

Digitalcourage sieht durch die Speicherpflicht sämtliche Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht gestellt: “Denn erfasst werden sollen millionenfach hochsensible biometrische Körpermerkmale – von allen. Also von fast ausschließlich rechtstreu lebenden Menschen, die keine kriminellen Absichten haben”, sagte Friedemann Ebelt von Digitalcourage bei einer Anhörung im Innenausschuss Ende Oktober.

Der Verein hält das Gesetz für unverhältnismäßig – es verstoße sowohl gegen das deutsche Grundgesetz als auch gegen die EU-Grundrechtecharta. Die Risiken der Speicherpflicht seien enorm, der Nutzen nicht erkennbar.

Digitalcourage kritisiert, dass Alternativen zu den Fingerabdrücken, die keinen so großen Grundrechtseingriff darstellen, von der Bundesregierung nicht ausreichend geprüft wurden. Dazu zählt die Speicherung der sogenannten Minuzien. Das sind die eindeutigen Merkmale eines Fingerabdrucks, wie Endpunkte und Verzweigungen. Auch der Europäische Datenschutzbeauftragte hatte empfohlen, nur die Minuzien zu speichern.

Thilo Weichert hatte in seinem Gutachten ebenfalls nur die Speicherung der Minuzien als zulässig bezeichnet. Doch auch diese dürften nur vom Ringfinger oder kleinen Finger gespeichert werden, weil Menschen mit ihren Zeigefingern die meisten Spuren hinterlassen. Die Merkmale des Ringfingers oder kleinen Fingers seien hingegen “weniger missbrauchsanfällig, für Identifizierungszwecke aber ebenso geeignet”. Zwei komplette Fingerabdrücke im Personalausweis seien rechtswidrig.

Zuvor hatte Weichert in seiner Stellungnahme an den Bundestag gemahnt: “Solche Regelungen müssen verhältnismäßig sein, um zu vermeiden, dass eine unangemessene Überwachungsinfrastruktur aufgebaut wird und um sicherzustellen, dass die Regelungen einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten.” Er bezweifle, dass dies der Fall sei.

Die EU-Agentur für Grundrechte hatte zudem schon 2018 darauf hingewiesen, dass die Folgeabschätzung der EU-Kommission keine ausreichende Begründung enthält, um zwei biometrische Merkmale zu speichern. Demnach reiche es aus, nur die biometrischen Fotos auf dem Chip zu speichern.

Kritik aus der Politik

Kritik kommt aber auch aus der Politik: Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Konstantin von Notz, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) am Montag: “Diese Entwicklung ist bürgerrechtsfeindlich und verfassungsrechtlich höchst bedenklich.” Da sich die biometrischen Daten nicht verändern lassen, gebe es dauerhafte Risiken, wenn die Daten “missbräuchlich in falsche Hände” gelangen sollten.

Auch Stephan Thomae, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP, kritisierte die Speicherung gegenüber dem RND als unverhältnismäßiges Mittel, das erhebliche Sicherheitsrisiken mit sich bringe: “Wenn Unberechtigte auf die Daten zugreifen, könnten sie sich Zugang etwa zu Handys, Finanzportalen und ähnlichem verschaffen, die durch Fingerabdruck gesichert sind.”

Ein Fall in Estland zeigt aktuell die Gefahren von gespeicherten Identitätsmerkmalen: Dort hatte eine Person eine Sicherheitslücke im Fototransfersystem der Behörde RIA ausgenutzt, um insgesamt 286.438 Passbilder von Personen herunterzuladen. (js)