Gericht verbietet dm Werbebegriffe "umweltneutral" und "klimaneutral"
Die Drogeriemarktkette dm darf ihre eigenen Produkte nicht mehr mit den Begriffen “klimaneutral” oder “umweltneutral” bewerben. Das Landgericht Karlsruhe hat am Mittwoch entschieden, dass die Werbung mit diesen Begriffen unzulässig ist: Bei den Verbrauchern würden Erwartungen geweckt werden, die nicht der Realität entsprechen.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte gegen den Konzern geklagt, weil weder auf den so beworbenen Produkten noch auf der Internetseite von dm ausreichende Informationen zur Kompensation der klimaschädlichen Emissionen beziehungsweise der Umweltauswirkungen zu finden waren. Das Gericht sah die Kritik, dass “Verbraucher[n] wesentliche Informationen zum Verständnis dieses Begriffs” vorenthalten werden, als berechtigt an. Betroffen sind Produkte der Eigenmarken von dm.
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch bezeichnete das Urteil gegen die Drogeriemarktkette dm am Mittwoch als Meilenstein für den Verbraucherschutz und sprach von einem “wichtigen Erfolg gegen Greenwashing im Handel”. Die Zeit, in der Unternehmen Verbraucherinnen und Verbraucher mit vermeintlicher Klimaneutralität täuschen, sei vorüber.
Das Gericht rügte bei dm die unzureichenden Informationen über die angebliche Kompensation klimaschädlicher Emissionen beziehungsweise der Umweltauswirkungen insgesamt – und bewertete die zur Kompensation ausgewählten Waldschutzprojekte, beispielsweise in Peru, als ungeeignet.
Waldschutzprojekte rechtfertigen keine Klimaneutralität
Das Gericht stellte fest, das Versprechen der Klimaneutralität könne hier “aus prinzipiellen Gründen” nicht eingelöst werden. “Der Claim der Klimaneutralität des Produkts geht nämlich prinzipiell über das hinaus, was mittels CO2-Zertifikaten aus Waldschutz erreichbar ist”, so der Vorsitzende Richter Steffen Wesche.
Denn, so das Gericht, das Kohlenstoffdioxid bleibe deutlich länger in der Atmosphäre als die Waldschutzprojekte laufen. CO2 besitze in der Atmosphäre eine Verweildauer, die weit über die Laufzeit der Waldschutzprojekte hinausgehe. Wald binde und speichere CO2 demgegenüber nur vorübergehend. Das von dm genutzte Waldschutzprojekt ist nur auf eine Laufzeit bis zum Jahr 2040 ausgelegt. Das Gericht erklärte hingegen, um die Emissionen “dauerhaft auszugleichen, müssten kontinuierlich – auch in 100 oder 1000 Jahren – weitere entsprechende Waldschutzbemühungen unternommen werden.”
Ob Klimaschutzprojekte wie das von dm genutzte prinzipiell dafür geeignet sind, Treibhausgasbilanzen zu verbessern, ließ das Gericht bewusst offen, verwies aber darauf ,dass dies zunehmend kritisch in der Öffentlichkeit diskutiert werde.
Den laut Gericht “neu kreierten” Begriff der “Umweltneutralität” rügte das Gericht als einen Verstoß gegen das Irreführungsverbot. “Die Werbung ist überschießend und damit unzutreffend”, so der Richter. Der Begriff der "Umweltneutralität“ werde von den angesprochenen Verbrauchern – parallel zum bereits bekannten Begriff der Klimaneutralität – im Sinne eines "Produkts mit ausgeglichener Umweltbilanz“ verstanden. Die so beworbenen Produkte hätten aber keine ausgeglichene Umweltbilanz. Von 13 Arten von Umweltbelastungen würden zudem nur die Kategorien CO2-Emissionen, Nährstoffeintrag, Versauerung, Sommersmog und Ozonabbau erfasst.
Die DUH hatte auch beklagt, dass Kundinnen und Kunden, die mehr über die Produkteigenschaften erfahren wollten, erst eine Webseite des damaligen dm-Kompensationsdienstleisters ClimatePartner ansteuern mussten. Auch die dort zur Verfügung gestellten Informationen zur Kompensation waren aus Sicht der Organisation nicht ausreichend. Hierzu erklärte das Gericht, dass es zwar zulässig sei, auf eine Internetseite für nähere Informationen zu verweisen. Der Verbraucher müsse aber auf der Verpackung erkennen können, dass es eine solche Internetseite gibt. Bei zwei der beanstandeten Produkte sei das nicht der Fall gewesen. Auf den Verpackungen waren nur das Logo des Kompensationsdienstleisters und eine Zeichenfolge angegeben, die auf dessen Webseite eingegeben werden konnte, um nähere Informationen zu erhalten. Das reichte dem Gericht nicht.
dm muss Pressemitteilung ändern
Die Drogeriekette scheint indes an ihren Werbebegriffen zu hängen und versuchte nach dem Urteil, ihren Ansatz in einer verunglückten Pressemitteilung weiter zu verteidigen: In einer Pressemitteilung vom Mittwoch zu der Gerichtsentscheidung behauptete das Unternehmen, die Klage der DUH hätte sich nicht gegen die grundsätzliche Verwendung der Begriffe “klimaneutral” und “umweltneutral” gerichtet, sondern gegen die Gestaltung der Verpackung einzelner Produkte und erklärt, sowohl der Richter als auch der DUH-Geschäftsführer hätten angeblich während der Verhandlung die Umweltschutzbemühungen als aufrichtig und wissenschaftlich fundiert bezeichnet.
Nachdem die DUH am Donnerstag die Drogeriekette dazu aufgefordert hatte, diese Falschaussagen in ihrer Pressemitteilung richtigzustellen und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, hat dm seine Pressemitteilung inzwischen angepasst. Auch die strafbewehrte Unterlassungserklärung will dm nun offenbar abgeben.
Die DUH stellte am Freitag noch einmal klar: “In der Klage der DUH gegen dm ging es auch um das ‘Ob’ der Auslobung der Produkte als ‘klimaneutral’, nicht nur um die Aufmachung der Produkte. Die mit einem Waldschutzprojekt in Peru begründete Auslobung war inhaltlich nicht geeignet, um von einer ‘Klimaneutralität’ zu sprechen. Zudem hatte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch im Verfahren mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass er die Bewerbung der Produkte als ‘umweltneutral’ noch bedenklicher findet, als die Bewerbung mit ‘klimaneutral’, da mit dem wissenschaftlichen Ansatz nur eine finanzielle Umrechnung bestimmter Umweltnachteile stattfindet.”
Weitere Klagen wegen falscher Werbeversprechen
Die DUH geht seit Mai 2022 gegen Unternehmen vor, die ihre Produkte mit dem Begriff „klimaneutral“ bewerben. Inzwischen klagt die Organisation gegen zwei Dutzend Firmen und fordert ein generelles Verbot von irreführenden Werbeaussagen, die behaupten, Produkte, Unternehmen oder Dienstleistungen seien „klimaneutral".
Im Fall von dm hatte die DUH bereits Ende Mai einen ersten juristischen Erfolg errungen: Die Drogeriemarktkette hatte sich damals vor dem Landgericht Karlsruhe dazu verpflichtet, eine Unterlassungserklärung wegen der Nutzung des Begriffs “klimaneutral” abzugeben. Da die Ladenkette für den Begriff “umweltneutral” eine solche Erklärung nicht abgeben wollte, wurde dies nun durch das Landgericht mit der aktuellen Entscheidung untersagt. Nun möchte das Unternehmen den leicht abgewandelten Slogan “umweltneutral handeln” auf seinen Produkten verwenden. (dpa / hcz)