Großteil der weltweiten Rohstoffe kommt aus Ländern mit eingeschränkter Pressefreiheit

Bergbau in der Provinz Xinjiang in China
In manchen Ländern drohen Medienschaffenden Gewalt und Inhaftierung, wenn sie kritisch berichten. (Quelle: IMAGO / Pond5 Images)

Zwei Drittel der natürlichen Ressourcen weltweit stammen aus Ländern, in denen die Pressefreiheit eingeschränkt ist. Das berichtet die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (RSF). Sie fordert die internationale Gemeinschaft auf, sich für eine Verbesserung der Lage in den betroffenen Staaten einzusetzen – damit frei über die mit dem Rohstoffabbau verbundenen Probleme berichtet werden kann.

Die Organisation hat ihre Rangliste der Pressefreiheit mit Daten der Weltbank verglichen. Dabei habe sich gezeigt, dass es für Medienschaffende in vielen Ländern schwierig ist, zu Auswirkungen des Ressourcenabbaus auf Menschen und Umwelt zu recherchieren und frei darüber zu berichten.

Nach Angaben von RSF wurden zwischen den Jahren 2013 und 2021 weltweit 78 Prozent der fossilen Brennstoffe in Ländern abgebaut, in denen die NGO die Lage der Pressefreiheit als “schwierig” oder “sehr ernst” einstuft. Im selben Zeitraum stammten demnach 67 Prozent der forstwirtschaftlichen Erzeugnisse sowie 45 Prozent der durch Bergbau geförderten Mineralien wie Zinn, Gold, Blei, Eisen, Bauxit oder Kupfer aus solchen Staaten.

Recherchen zu Umweltauswirkungen

Die Vereinten Nationen warnen, dass die Nachfrage nach Rohstoffen in den kommenden Jahrzehnten voraussichtlich weiter zunehmen wird. Ohne Maßnahmen werde dies katastrophale Auswirkungen auf ökologische Prozesse haben.

RSF zufolge ist Umweltjournalismus häufig die erste Quelle für Informationen über die Auswirkungen des Rohstoffabbaus. Allerdings stammten fast ein Drittel der weltweiten natürlichen Ressourcen sogar aus Ländern, in denen die Lage der Pressefreiheit “sehr ernst” sei.

Arthur Grimonpont von RSF erklärte: “Das Recht auf Informationen über die Ausbeutung natürlicher Ressourcen ist von entscheidender Bedeutung für das Verständnis ihrer katastrophalen Auswirkungen, wie massive Verschmutzung von Ökosystemen, Zerstörung der biologischen Vielfalt und die Ausbeutung von Arbeitern.” Ohne Journalistinnen und Journalisten, die beispielsweise über Abholzung oder die Vertreibung der Bevölkerung berichten, blieben Umweltzerstörung und Grundrechtsverletzungen häufig unentdeckt.

Eingeschränkte Pressefreiheit in China

China ist eines der Länder, in denen Recherchen zu Umweltthemen schwierig sind. Das Land ist der größte Kohleproduzent der Welt – auch der Bergbau- und Forstsektor zählen zu den größten der Welt. Auf der Rangliste der Pressefreiheit belegt China aber nur Rang 172 von 180 Staaten.

Der Journalist und Rohstoffexperte Guillaume Pitron erklärte gegenüber RSF: “Obwohl die durch den Bergbau verursachte Umweltzerstörung eklatant ist, wird sie in China kaum dokumentiert”. Es sei schwierig, Daten zu erheben und gefährlich, die Orte der Umweltzerstörung zu besuchen. In nationalen Medien sei es außerdem nahezu unmöglich, über diese Themen zu berichten.

Laut RSF gibt es nur wenige Journalisten, die sich in China mit Umweltfragen befassen. Sie liefen Gefahr, von der Partei zensiert oder gar inhaftiert zu werden. In keinem anderen Land der Welt seien mehr Medienschaffende inhaftiert.

Im Jahr 2018 sei zudem der mehrfach mit internationalen Preisen ausgezeichnete Fotojournalist Lu Guang verschwunden. Er hatte unter anderem zu Umweltverschmutzung durch Bergbau in China recherchiert.

Gefahren in Russland und Indien

Auch in Russland drohten Journalisten, die kritisch über Umwelt oder andere Themen berichten, Gewalt und Gefängnis. Das Land zählt zu den weltweit führenden Exporteuren von fossilen Brennstoffen und belegt auf der Rangliste der Pressefreiheit Rang 162.

RSF berichtet, dass seit Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine die wenigen verbliebenen unabhängigen Medien zensiert oder verboten wurden. Dazu zähle das Online-Umweltmagazin Kedr, das von den Behörden als “ausländischer Agent” eingestuft wurde und daher geschlossen werden musste.

Die Recherche sei in Russland ebenfalls schwierig: Die Regierung habe den Zugang zu allen offiziellen Datenbanken über Umweltverschmutzung gesperrt.

In Indien ist die Arbeit zu Umweltthemen ebenfalls gefährlich. Das Land zählt zu den weltweit größten Kohleproduzenten und beheimatet einige der größten Bergbau- und Forstwirtschaftsprojekte. Auf der Rangliste der Pressefreiheit belegt das Land Rang 159.

Laut RSF sind in Indien in den vergangenen zehn Jahren 28 Medienschaffende getötet worden. Fast die Hälfte habe an Umweltthemen gearbeitet – vor allem zu Landbeschlagnahmungen und illegalem Bergbau. Einige der getöteten Medienschaffenden hatten auch zur sogenannten Sandmafia recherchiert. Diese kriminellen Kartelle bauen illegal Sand für die nationale und internationale Bauindustrie ab.

Der Organisation zufolge werden Journalisten auch in vielen ölfördernden Ländern verfolgt – beispielsweise in Saudi-Arabien (Rang 166), den Vereinigten Arabischen Emiraten (160), Iran (176) oder Kuwait (131).

Bereits im vergangenen Jahr hatte RSF aufgezeigt, mit welchen Schwierigkeiten und Gefahren Medienschaffende konfrontiert sind, wenn sie aus dem brasilianischen Amazonasgebiet zu Umweltthemen berichten.

Arthur Grimonpont von RSF sagte: “Wir fordern die internationale Gemeinschaft auf, Druck auf die betroffenen Länder auszuüben, damit sie die Hindernisse [für die Berichterstattung] beseitigen und den Schutz von Umweltjournalisten gewährleisten.” (js)