Indien: Gefährliche Umweltberichterstattung

Masken mit dem Gesicht Modis
Die Pressefreiheit in Indien befindet sich in der Krise, kritisiert RSF. (Quelle: IMAGO / ZUMA Wire)

Die Berichterstattung zu Umweltthemen ist in Indien besonders gefährlich: Fast die Hälfte der seit dem Amtsantritt von Premier Narendra Modi vor zehn Jahren getöteten Medienschaffenden haben an solchen Themen gearbeitet. Das berichtete Reporter ohne Grenzen (RSF) am Donnerstag und fordert einen besseren Schutz von Journalistinnen und Journalisten.

Nach Angaben von RSF wurden seit dem Jahr 2014 insgesamt 28 Medienschaffende in Indien umgebracht. Mindestens 13 von ihnen hätten zu Umweltthemen recherchiert.

“Es ist alarmierend zu sehen, dass die Hälfte der in den letzten zehn Jahren ermordeten Journalisten zu Umweltthemen recherchierten. Diese stehen oft mit den Aktivitäten krimineller Gruppen und Mafias in Verbindung, die enge Verbindungen zu den lokalen Behörden unterhalten und für die Gewaltverbrechen, die sie zum Schutz ihrer finanziellen Interessen gegen Journalisten begehen, fast völlig straffrei bleiben”, konstatierte Célia Mercier von RSF.

Sandmafia

Die Getöteten haben laut der Organisation vor allem über Landbeschlagnahmungen und illegalen Bergbau berichtet. Auch zur sogenannten Sandmafia hatten einige der Medienschaffenden recherchiert. Diese kriminellen Kartelle bauen illegal Sand ab für die nationale und internationale Bauindustrie. Laut RSF gibt es enge Verbindungen zu Politikern.

In den vergangenen Jahren seien indische Medienschaffende, die zu diesen Themen berichten, häufig Opfer von Gewalt geworden, so RSF. Einer der ersten war demnach der freie Journalist Jagendra Singh. Er starb im Juni 2015 an den Folgen von schweren Verbrennungen, die er bei einer Polizeirazzia erlitten hatte. Laut RSF hatte er zu den Verbindungen eines Politikers zur Sandmafia recherchiert.

Im Jahr 2016 wurden zwei Reporter von Auftragsmördern erschossen, weil sie über illegalen Bergbau berichtet hatten. Laut RSF wurde im März 2018 zudem der Fernsehjournalist Sandeep Sharma absichtlich von einem Kipplaster überfahren – auch er hatte zur Sandmafia gearbeitet. Die Organisation hatte damals berichtet, Sharma habe zuvor Todesdrohungen erhalten.

Auch in den vergangenen Jahren gab es ähnliche Fälle: So wurde beispielsweise Shubham Mani Tripathi, Reporter bei einer Lokalzeitung im Bundesstaat Uttar Pradesh, im Juni 2020 erschossen. Zuvor hatte er die Befürchtung geäußert, wegen seiner Berichterstattung zu illegaler Enteignung könnte er ins Visier der Sandmafia geraten.

Der freie Journalist Subhash Kumar Mahto, der laut RSF ebenfalls für seine Berichte über die Sandmafia bekannt war, wurde im Mai 2022 erschossen. Und der Investigativreporter Shashikant Warishe starb im März 2023, nachdem er von einem Lobbyisten überfahren wurde. Dieser habe mit illegaler Landbeschlagnahmung für den Bau einer Ölraffinerie in Verbindung gestanden, über die der Journalist berichtet hatte.

RSF fordert gründliche und unabhängige Ermittlungen in den Mordfällen – auch Mordversuche müssten untersucht werden.

In den vergangenen 10 Jahren wurden in Indien weitere 15 Medienschaffende im Zusammenhang mit ihrer Arbeit umgebracht. Sie hatten unter anderem über Korruption und organisiertes Verbrechen berichtet.

Wahlen werden Wochen dauern

In Indien beginnen am 19. April die Parlamentswahlen. Die Partei, die dabei die Mehrheit im Unterhaus erlangt, bestimmt den Premierminister. Diesen Posten möchte Amtsinhaber Narendra Modi von der “Bharatiya Janata Party” (BJP) erneut übernehmen – und gilt auch als Favorit. Die Wahlergebnisse sollen erst Anfang Juni bekannt gegeben werden. Etwa 960 Millionen Menschen sind in dem Land wahlberechtigt.

RSF hatte politische Kandidatinnen und Kandidaten vor den Wahlen aufgefordert, den Schutz von Journalisten zu garantieren. Die Organisation fordert zudem die Freilassung von “willkürlich verhafteten” Medienschaffenden und eine Überarbeitung der Anti-Terrorgesetze, sodass diese nicht mehr gegen Medienschaffende eingesetzt werden könnten. Auch die Zensur und Überwachung von Medienschaffenden müsse enden.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit von RSF belegt Indien Rang 161 von 180 Staaten und liegt damit beispielsweise hinter Afghanistan. Das Land zählt demnach zu den gefährlichsten für Medienschaffende überhaupt. In den sozialen Medien werden Hasskampagnen gegen sie geführt – insbesondere Journalistinnen seien häufig betroffen, deren persönliche Daten teils online gestellt werden. (js)