Gutachten: Deutsche Vorratsdatenspeicherung wohl nicht haltbar
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags geht davon aus, dass das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung nicht zu halten ist. In einem jetzt veröffentlichten Gutachten hat sich der Wissenschaftliche Dienst mit einem aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Vorratsdatenspeicherung beschäftigt.
Die deutsche Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung aus dem Jahr 2015 ist bereits seit einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen 2017 ausgesetzt. In dem Gutachten heißt es, dass die deutschen Regeln vor dem Europäischen Gerichtshof “kaum Bestand” haben dürften.
Eine erste Regelung zur Vorratsdatenspeicherung war bereits im Jahr 2010 vom Bundesverfassungsgericht gekippt worden. Zwar sind in der Neuregelung von 2015 kürzere Speicherfristen vorgesehen, doch werden weiterhin Daten anlasslos erfasst. Das aber entspricht nicht den Grundsätzen des EuGH, schreiben die Gutachter. Der EuGH hatte die umstrittene Vorratsdatenspeicherung im Oktober erneut verboten. Bei dem Verfahren ging es um entsprechende Regelungen in Belgien, Frankreich und Großbritannien. Das Urteil hat noch keine direkte Wirkung auf die deutsche Regelung – der EuGH prüft diese in einem separaten Verfahren. Die Gutachter sind jedoch der Ansicht, dass der EuGH die Grundsätze für die Vorratsdatenspeicherung “bereits mit beträchtlicher Tiefe herausgearbeitet” hat. Deshalb könne man davon ausgehen, dass das Gericht diese Grundsätze auch anwenden wird, wenn es die deutschen Regeln überprüft.
Vorratsdatenspeicherung nur in Ausnahmefällen zulässig
Der EuGH hat zwar eng begrenzte Ausnahmen vorgesehen: Für die Bekämpfung schwerer Kriminalität oder für den Fall, dass die nationale Sicherheit konkret bedroht ist. Dann dürfe eine Regierung für eine begrenzte Zeit eine Vorratsdatenspeicherung vorschreiben. Die Gutachter schreiben dazu jedoch: “Diese Speicherung und der Abruf der Daten müsse aber durch zeitliche Begrenzungen und umfassende gerichtliche Kontrollmöglichkeiten verhältnismäßig ausgestaltet werden.”
Die Gutachter erläutern weiter, dass sich das Urteil des EuGH nur auf die Verpflichtung von privaten Telekommunikationsanbietern zur Vorratsdatenspeicherung bezieht. Würden Geheimdienste eine direkte Vorratsdatenspeicherung ohne die Beteiligung privater Provider durchführen und anlasslos auf Internetknoten zugreifen, sei dies nicht durch EU-Recht verboten. Dieser Fall unterliege allein dem nationalen Verfassungsrecht und der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Dem Gesetzgeber stehe nun frei, die Entscheidung des EuGH zur deutschen Regelung abzuwarten oder bereits jetzt ein neues Gesetz zu erlassen, das die Vorgaben des europäischen Gerichts berücksichtigt.
FDP-Vize fordert neues Gesetz
Der Auftraggeber des Gutachtens, FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae, sagte dem Spiegel, die Regierung solle ein neues Gesetz vorlegen. “Statt sehenden Auges in die Europarechtswidrigkeit zu steuern, wäre es besser, die Bundesregierung und insbesondere Bundesjustizministerin Lambrecht und Bundesinnenminister Seehofer würden ihren Tanz ums goldene Kalb ‘Vorratsdatenspeicherung’ endlich beenden”, sagte Thomae. Laut Spiegel will das Bundesjustizministerium jedoch erst das EuGH-Urteil abwarten. (js)