Verfassungsbeschwerde gegen Hamburger Staatstrojaner

Bundesverfassungsgericht
Das Bundesverfassungsgericht soll über den Einsatz eines Trojaners durch den Hamburger Verfassungsschutz entscheiden. (Quelle: Rainer Lück – CC BY-SA 3.0 DE)

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht gegen den Staatstrojaner des Hamburger Verfassungsschutzes eingelegt. Außerdem geht es in der Klage um automatisierte Profilbildungen bei der Hamburger Polizei. Unterstützt wird die GFF unter anderem von der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union. Unter den Beschwerdeführern sind außerdem Journalisten des NDR und der taz.

Seit einer Änderung des Hamburgischen Verfassungsschutzgesetzes im April darf der dortige Verfassungsschutz die sogenannte Quellen-TKÜ einsetzen. Dafür wird heimlich ein Trojaner auf Computern oder Handys installiert, um die Geräte auszuspähen. So lassen sich auch verschlüsselte Chats mitlesen.

Die GFF bemängelt, dass hierfür kein Gerichtsbeschluss oder eine ähnliche Vorabkontrolle nötig ist. Dadurch werde das Telekommunikationsgeheimnis von Betroffenen verletzt, ebenso wie ihr Grundrecht “auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme”.

Das Gesetz erlaubt die Überwachung von verdächtigen Personen, aber auch von Personen, die nur vermutlich mit Verdächtigen kommunizieren. Die GFF sieht dadurch die vertrauliche Kommunikation von Berufsgeheimnisträgern wie Anwälten und Journalisten gefährdet. Somit werde auch die Pressefreiheit verletzt.

GFF hält Gesetz für verfassungswidrig

Der Einsatz von Trojanern durch Geheimdienste sei verfassungswidrig, wenn er nicht hinreichend begrenzt wird und der Staat Sicherheitslücken ausnutzt, anstatt sie an die Hersteller zu melden.

Die GFF verweist zudem auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Auslandsüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst: Das Gericht hatte hierzu im Mai entschieden, dass es eine unabhängige Kontrollinstanz für die heimliche Überwachung geben muss. Nach Ansicht der GFF lässt sich das Urteil auf Inlandsgeheimdienste übertragen. “In Hamburg werden die Überwachungsbefugnisse deutlich erweitert, ohne das Kontrollregime zu verbessern – damit ist der Verfassungsverstoß programmiert”, sagte der Jurist Bijan Moini, der das Verfahren für die GFF koordiniert.

Bei der Verfassungsbeschwerde haben die Kläger aber auch die Bundespolitik im Blick: Die Große Koalition will das Artikel 10-Gesetz kurzfristig ändern; künftig soll es allen 19 Nachrichtendiensten erlaubt sein, Trojaner einzusetzen. Auch diese Pläne halten die Kläger für problematisch, GFF-Jurist Moini sagte: “Unsere Beschwerde gegen das Hamburger Gesetz ist ein Musterverfahren für die Reform auf Bundesebene: Wir wollen die mit dem Geheimdiensttrojaner verbundenen Grundsatzfragen frühzeitig durch das Bundesverfassungsgericht klären lassen.”

Polizei darf automatisiert Personenprofile erstellen

In der Verfassungsbeschwerde geht es außerdem um das Hamburger “Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei”. Das erlaubt der Polizei, automatisiert Personenprofile zu erstellen. Die GFF bemängelt, dass hierfür neben Daten aus Polizeidatenbanken gegebenenfalls auch öffentlich verfügbare Daten aus sozialen Medien genutzt werden könnten. Dies erlaube einen tiefen Einblick in die private Lebensführung. In Hamburg solle damit die vorbeugende Verbrechensbekämpfung (“Predictive Policing”) eingeführt werden. Es sei unklar, wer diese Profile anlegen darf, für welche Zwecke die Profile genau erstellt und wie lange sie gespeichert werden. Außerdem warnt die GFF, dass auch unbehelligte Bürger erfasst und das Ziel von Ermittlungen werden könnten.

Die Regelung verletzt nach Ansicht der GFF die Grenzen, die das Bundesverfassungsgericht schon der Rasterfahndung gesetzt hat. Eine vorsorgliche Rasterfahndung ist demnach nicht zulässig. Sie darf nur zum Einsatz kommen, wenn beispielsweise die Sicherheit des Bundes oder das Leben einer Person konkret bedroht sind. Das Polizeigesetz verletzte zudem das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen, so die GFF.

Laut NDR setzt die Hamburger Polizei das “Predictive Policing” noch nicht ein. Die Behörde prüft derzeit, welche Software sie dafür anschafft. Die GFF fordert, dass die Datenauswertung der Polizei einer unabhängigen Kontrollinstanz unterliegen muss. (js)