Hungersnöte verdoppeln sich in Klima-Krisenherden
Die Folgen des Klimawandels sind bereits weltweit zu spüren – besonders in den ärmsten Ländern. Die Oxfam-Studie “Hunger in a heating world” hat nun ergeben, dass sich der Hunger in vielen Regionen mit zunehmender Klimaerwärmung immer weiter ausbreitet: In zehn besonders stark betroffenen Klima-Krisenherden kämpfen heute mehr als doppelt so viele Menschen mit akutem Hunger als noch vor wenigen Jahren, so das Ergebnis.
Aktuell leiden in diesen Ländern 48 Millionen Menschen unter akutem Hunger – 21 Millionen mehr als noch 2016. 18 Millionen von ihnen seien sogar gefährdet, an Hunger zu sterben, heißt es in der am Freitag veröffentlichten Oxfam-Studie "Hunger in a heating world".
Die Studie identifiziert zehn am stärksten betroffene Klima-Krisenherde: Somalia, Haiti, Dschibuti, Kenia, Niger, Afghanistan, Guatemala, Madagaskar, Burkina Faso und Simbabwe. Diese Länder seien in den letzten zwei Jahrzehnten am häufigsten von extremen Wetterereignissen heimgesucht worden.
Gabriela Bucher, Generaldirektorin von Oxfam International, erklärte: “Klimawandel ist nicht länger nur eine tickende Zeitbombe, sondern eine, die gerade vor unseren Augen explodiert.” Die Klimakrise bringe mehr und mehr extreme Wetterverhältnisse wie Dürren, Wirbelstürme und Fluten mit sich. Diese hätten sich in den letzten 50 Jahren verfünffacht, träten immer öfter auf und forderten immer mehr Todesopfer.
Oxfam wertet klimabedingten Hunger als “deutliche Demonstration globaler Ungleichheit”. Die Länder, die die Auswirkungen des Klimawandels am härtesten zu spüren bekommen, seien am wenigsten für die Klimakrise verantwortlich. Die zehn in der Studie untersuchten “Klima-Hotspots” seien zusammen für nur 0,13 Prozent der globalen Kohlenstoffemissionen verantwortlich. Um nun die Auswirkungen des Klimawandels bewältigen zu können, fehlten Ihnen die Ressourcen.
Führende Industrienationen wie die G20 kontrollierten 80 Prozent der Weltwirtschaft und seien für mehr als drei Viertel der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Oxfam forderte die Staats- und Regierungschefs, insbesondere der “reichen Umweltverschmutzungsländer”, auf, ihre Versprechen einzuhalten – und die Emissionen zu senken.
Dürren und Konflikte als Treiber
Somalia stehe vor der schlimmsten Dürre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. In den Landesdistrikten Baidoa und Burhakaba würden Hungersnöte erwartet. Eine Million Menschen seien bereits aus ihrer Heimat geflohen.
In Kenia habe die aktuelle Dürre fast 2,5 Millionen Nutztiere getötet, 2,4 Millionen Menschen würden hungern: Darunter Hunderttausende schwer unterernährte Kinder.
In Niger litten 2,6 Millionen Menschen unter akutem Hunger – ein Plus von 767 Prozent gegenüber 2016. In dem Land seien häufig “Klimaschocks” aufgetreten und Konflikte hielten an. In der Folge sei die Getreideproduktion um fast 40 Prozent eingebrochen. Prognosen zufolge könnte die Produktion von Grundnahrungsmitteln wie Hirse und Sorghum um weitere 25 Prozent zurückgehen, wenn die globale Erwärmung 2 Grad Celsius überschreite.
Auch Burkina Faso leide im Vergleich zu 2016 an einem steilen Anstieg des Hungers – um 1350 Prozent. Mehr als 3,4 Millionen Menschen hatten dort im Juni 2022 mit extremen Hunger zu kämpfen, aufgrund von bewaffneten Konflikten und der zunehmenden Wüstenbildung auf ehemaligem Acker- und Weideland.
In Guatemala habe eine schwere Dürre zum Verlust von fast 80 Prozent der Maisernte beigetragen und Kaffeeplantagen ausgetrocknet.
Bucher sagte: “Millionen von Menschen, die bereits unter anhaltenden Konflikten, grassierender Ungleichheit und Wirtschaftskrisen leiden, verlieren nun durch Unwetterkatastrophen, Klima-Extreme und die schleichenden Veränderungen ihre Lebensgrundlagen.”
Anfang des Jahres hatte auch die Welthungerhilfe vor einer weltweit zunehmenden Ernährungsunsicherheit gewarnt. Als Ursachen nannte sie ebenfalls gewaltsame Konflikte und die Folgen des Klimawandels, wie lang anhaltende Dürren und Starkregen. Mathias Mogge, Generalsekretär der Welthungerhilfe, hatte gewarnt, Hunger und Ernährungsunsicherheit seien “Katalysatoren für die nächsten Konflikte”.
Eine Studie des NASA Goddard Institute for Space Studies von November 2021 hatte prognostiziert, dass der negative Einfluss des Klimawandels auf die Nahrungsversorgung voraussichtlich stärker ausfallen wird, als angenommen: Schon ab dem kommenden Jahrzehnt müsse mit fallenden Erträgen beispielsweise bei Mais, Reis und Soja gerechnet werden.
UN fehlt Geld für Hilfe
Oxfam erklärte, die Profite der globalen fossilen Energiekonzerne von 18 Tagen könnten bereits den gesamten Bedarf an humanitärer Hilfe von 49 Milliarden Dollar im Jahr 2022 decken, die laut UN gebraucht werden. Umweltverschmutzende Unternehmen müssten stärker besteuert werden, forderte Oxfam.
Am Freitag meldete das UN-Nothilfebüro (OCHA), trotz Rekordspenden von Regierungen reiche in diesem Jahr die humanitäre Hilfe bei Weitem nicht aus. Für den Zeitraum bis Ende Dezember fehle den UN-Organisationen zur Bewältigung der gestiegenen Not weltweit ein Betrag von 32 Milliarden US-Dollar. Die Lücke sei so groß wie nie.
Zu der katastrophalen Lage trügen Konflikte, Klimakrisen, Hunger und Vertreibungen bei. 204 Millionen der am meisten gefährdeten Menschen müsse geholfen werden. Es fehle ihnen an Nahrungsmitteln, Unterkünften und ärztlicher Hilfe.
Die wohlhabenden Industrienationen müssten für die nötigen Anpassungsmaßnahmen, Verluste und Schäden in den einkommensschwachen Ländern aufkommen. Die Organisation forderte die Nationen dazu auf, sofort lebensrettende Mittel bereitzustellen, um dem Aufruf der UN nachzukommen, den am stärksten betroffenen Ländern zu helfen. Bucher stellte klar: “Das ist eine ethische Verpflichtung, keine Nächstenliebe.” (dpa / hcz)