Welthungerhilfe: "Der Hunger ist wieder auf dem Vormarsch"
Die Welthungerhilfe warnt vor einer weltweit zunehmenden Ernährungsunsicherheit. Ursachen seien unter anderem die Folgen des Klimawandels, wie lang anhaltende Dürren und Starkregen. Zudem führten gewaltsame Konflikte weiterhin dazu, dass Menschen an Hunger leiden.
Die Organisation fordert von der neuen Bundesregierung ein verstärktes internationales Engagement für Ernährungssicherheit und eine nachhaltige Landwirtschaft. Noch könnten Länder wie Deutschland Maßnahmen ergreifen, um größeren Katastrophen vorzubeugen.
“Das Thema Ernährungssicherung und Hunger wird immer wieder von vielen unterschätzt. Das ist der Katalysator für die nächsten Konflikte”, erklärte Mathias Mogge, Generalsekretär der Welthungerhilfe, am Montag in Berlin. “Und bei aller Schwerpunktsetzung auf Klimawandel – und das sehe ich auch als extrem wichtiges Thema – dürfen wir nicht vergessen, dass es hier grundlegende Zusammenhänge gibt.”
Geld effizienter verteilen
Von der neuen Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP erwartet die Welthungerhilfe, das Thema Ernährungssicherheit weiterzuführen. “Der Hunger ist wieder auf dem Vormarsch, Ernährungsunsicherheit nimmt weltweit zu, daher müssen wir unbedingt die Landwirtschaft stärken und mehr Investitionen in die ländlichen Räume lenken”, riet Mogge.
Zudem müsse der Haushalt 2022 nachgebessert werden, um das Finanzierungsniveau zu halten. Die Welthungerhilfe erwarte, dass Nichtregierungsorganisationen (NGOs) stärker an der Verteilung der Mittel im Auswärtigen Amt beteiligt werden und vorausschauende humanitäre Hilfe stärker berücksichtigt werde. Die NGOs wüssten gut über Kosten und wirksame Maßnahmen Bescheid.
Idealerweise müsse Klimaschutz damit verbunden werden, dass Bauern im globalen Süden eine nachhaltige Basis für ihre Landwirtschaft erhalten. “Dieses Zusammenspiel müssen wir besser hinbekommen”, mahnte er.
Die Weltwetterorganisation (WMO) hatte im Oktober zusammen mit der Afrikanischen Union in einem Bericht gewarnt, dass zunehmende Extremwetterlagen und veränderte Regenfälle Hungerkrisen in Afrika begünstigen und Menschen aus ihrer Heimat vertreiben. Der Kontinent sei von Überschwemmungen, Dürren und Erdrutschen unverhältnismäßig stark betroffen.
Sorgenregion Afrika
Auch die Welthungerhilfe richtet ihren Fokus auf afrikanische Länder. “Wir vermuten, dass sich die Dürre am Horn von Afrika, ganz konkret Äthiopien, Sudan, Kenia, Somalia und sogar bis nach Uganda hinein deutlich verschärfen wird”, sagte Mogge.
Die humanitäre Situation in der Sahelzone verschlechtere sich ebenfalls immer weiter. “Einerseits durch den Fortbestand der Konflikte, aber auch durch Trockenheit, durch Klimawandel und durch Covid-19”, erklärte Mogge.
Die Welthungerhilfe forderte Lehren aus dem Einsatz in Afghanistan zu ziehen, auch wenn man diese nicht eins zu eins übertragen könne. Dazu gehöre, dass man eine gemeinsame Strategie mit der Regierung haben müsse. In Afghanistan werde jetzt sehr viel davon abhängen, wie sich die internationale Gemeinschaft gegenüber der Taliban-Regierung verhalte und “ob sie bereit ist, zumindest Konzessionen an die Taliban-Regierung zu machen, die eine humanitäre Versorgung der Bevölkerung einigermaßen sicherstellen”, sagte Mogge.
Fallende Erträge erwartet
Die Auswirkungen des Klimawandels auf Nahrungsmittelanbau und Ernährungssicherheit werden die Bewohner des globalen Südens besonders hart treffen. Doch auch die Bewohner der nördlichen Halbkugel werden die Folgen bei der Lebensmittelversorgung zu spüren bekommen: Im November warnten Forscherinnen und Forscher in einer Studie des NASA Goddard Institute for Space Studies, des Earth Institute der Columbia University New York und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) vor gravierenden Ertragsverlusten bei den wichtigsten Nahrungspflanzen – bereits in den kommenden 10 bis 20 Jahren.
Bei der Studie handelte es sich um eine der bislang umfangreichsten und genauesten Berechnungen von Zukunftsszenarien für landwirtschaftliche Erträge weltweit. Die Modelle zeigten, dass der negative Einfluss des Klimawandels stärker ausfällt, als bislang angenommen. Schon ab dem kommenden Jahrzehnt müsse mit fallenden Erträgen beispielsweise bei Mais, Reis und Soja gerechnet werden. (dpa / hcz)