Irak und Syrien sperren Internet während Abschlussprüfungen

Prüfungen in Syrien im Jahr 2022
Auch in Algerien wurde das Internet anlässlich von Prüfungen im Juni blockiert – seit 2016 zählen die Sperren dort zur Prüfungsroutine. (Quelle: IMAGO / Xinhua)

In Syrien und im Irak wird das Internet derzeit blockiert, wie die Organisation NetBlocks am Montag berichtet. Anlass für die Netzsperren sind die derzeit stattfindenden Schul- und Universitätsprüfungen.

Nach Angaben von NetBlocks wurde das Internet in Syrien seit Sonntag landesweit blockiert. Mit der weitreichenden Maßnahme versuchen die Behörden, Betrug bei Schulprüfungen und die Veröffentlichung von Prüfungsaufgaben zu unterbinden.

Bereits Ende Mai hatten die syrischen Behörden während einer Prüfungsphase zu dem Mittel gegriffen. An zwei aufeinanderfolgenden Tagen wurden Verbindungen ab dem frühen Morgen etwa vier Stunden lang blockiert. Weil bis in den Sommer hinein weitere Prüfungen stattfinden werden, erwartet NetBlocks weitere Internetsperren in dem Land

Auch im Irak wurde am Montag erneut eine Netzsperre festgestellt. Bereits am 1. Juni hatten dort die Abschlussprüfungen an Universitäten begonnen. Seitdem wird nach Angaben der Organisation das Internet an Prüfungstagen für etwa vier Stunden abgeschaltet. Dabei sei der Großteil des Landes betroffen, inklusive der Hauptstadt Bagdad – in der nördlichen Region Kurdistan hingegen blieben die Menschen online.

Bereits am 11. Juni hatte NetBlocks außerdem von einer Verlangsamung der Übertragungsgeschwindigkeit in Algerien berichtet, sodass sich Onlinedienste kaum noch oder gar nicht mehr nutzen ließen. Zu diesem Zeitpunkt standen für Schülerinnen und Schüler des Landes Abschlussprüfungen an.

Weitreichende Auswirkungen

Die Organisation kritisiert, weltweit würden Regierungen regelmäßig das Internet während Schulprüfungen unter dem Vorwand sperren, Schülerinnen und Schüler am Schummeln zu hindern. Allerdings habe die Maßnahme auch immer Auswirkungen auf das Leben aller Menschen in den betroffenen Gebieten.

So wird etwa das Recht auf Informationen ebenso eingeschränkt wie freie Meinungsäußerungen. NetBlocks kritisiert außerdem, dass Netzsperren demokratische Grundsätze untergraben. Darüber hinaus entstünden enorme wirtschaftliche Kosten, weil viele Firmen auf das Internet angewiesen sind.

Der Bildungssektor werde ebenfalls beeinträchtigt: So könnten sich Schüler und Studierende während der Prüfungsphasen beispielsweise nicht mithilfe von Online-Lernangeboten auf ihre bevorstehenden Tests vorbereiten. Auch die Menschenrechtsorganisation Access Now kritisiert die Wirksamkeit der Maßnahme – gegen Betrug bei Prüfungen würden die Einschränkungen nicht helfen.

Auch das UN-Menschenrechtsbüro beklagt, Internetsperren hätten “dramatische Auswirkungen” auf das Leben und die Menschenrechte von Millionen Menschen. Solche Maßnahmen würden zu “enormen Kollateralschäden” führen – Staaten sollten daher grundsätzlich keine Netzsperren verhängen.

Sperren in den vergangenen Jahren

Sowohl Algerien, als auch Syrien und der Irak hatten bereits in der Vergangenheit versucht, Prüfungsbetrug mithilfe von Netzsperren zu verhindern. Algerien greift laut Access Now schon seit dem Jahr 2016 auf die Maßnahme zurück. Einige Male wurde das Internet dabei vollständig blockiert; im Jahr 2022 hatten die Behörden einzelne Dienste sperren lassen, darunter Messenger-Dienste und das Übersetzungswerkzeug Google Translate.

Dabei hatte der algerische Präsident Abdelmadjid Tebboun im Jahr 2020 versprochen, “diese Praxis nicht länger tolerieren” zu wollen und auch das Bildungsministerium hatte angekündigt, künftig auf andere Mittel zurückzugreifen, kritisiert die NGO. Auch der syrische Bildungsminister hatte vor zwei Jahren in Aussicht gestellt, auf Internetsperren zu verzichten, wenn andere Bemühungen gegen Prüfungsbetrug Erfolg hätten. Doch während die Schülerinnen und Schüler im Mai, Juni und August 2022 ihre Tests geschrieben hatten, wurde das Internet in Syrien erneut landesweit gesperrt.

Insgesamt hat Access Now im Jahr 2022 187 Internetsperren in 35 Ländern dokumentiert – so viele wie nie zuvor. Darunter mehrere bei Schul- und Universitätsprüfungen, unter anderem in Jordanien und in Teilen Indiens. (js)