Kambodscha: Regierung schließt unabhängige Nachrichtenseite
Seit Montag darf das unabhängige kambodschanische Medium Voice of Democracy (VOD) nicht mehr berichten. Premierminister Hun Sen hat dem Nachrichtenportal die Lizenz entziehen lassen. Zahlreiche Menschenrechts- und Pressefreiheitsorganisationen fordern eine Rücknahme der Entscheidung.
Der seit 1985 regierende Premierminister hatte die Schließung von VOD am vergangenen Sonntag angeordnet. Medienberichten zufolge hatte er dem Medium vorgeworfen, ihn und seinen Sohn Hun Manet “angegriffen” und die “Würde und den Ruf” der kambodschanischen Regierung verletzt zu haben. VOD werde daher die Medienlizenz entzogen und dürfe nicht weiter publizieren.
Hintergrund ist ein Artikel, den VOD in der vergangenen Woche veröffentlicht hatte. Darin hatte die Nachrichtenseite berichtet, Hun Manet habe anstelle seines Vaters eine Vereinbarung über Erdbebenhilfe an die Türkei unterschrieben – und damit seine Befugnisse überschritten. Hun Manet hatte dies bestritten. Er ist Befehlshaber der kambodschanischen Armee und wird als potenzieller Nachfolger seines Vaters bei den im Juli anstehenden Wahlen gehandelt.
Premierminister Hun Sen hatte zunächst eine Entschuldigung für die Berichterstattung gefordert. Die Betreiber des Mediums erweiterten den Artikel daraufhin um die Stellungnahme von Hun Manet und drückten ihr Bedauern aus. Dennoch wies der Premierminister das Informationsministerium an, VOD die Lizenz zu entziehen.
Einschüchterung vor den Wahlen
Wie die New York Times berichtet, ist das Nachrichtenportal seit Montag in Kambodscha nicht mehr erreichbar.
VOD wurde im Jahr 2003 gegründet und gilt als eines der letzten unabhängigen Medien des Landes. Laut Human Rights Watch (HRW) berichtete es sowohl auf Englisch als auch auf Khmer kritisch über die Regierung und Themen wie Korruption Menschenrechtsverletzungen, Landbeschlagnahmungen und Umweltzerstörung.
Phil Robertson, stellvertretender Asien-Direktor bei HRW, erklärte: “Voice of Democracy ist seit Jahren eine wichtige Säule unabhängiger investigativer Berichterstattung und objektiver Kritik, obwohl die Toleranz der kambodschanischen Regierung gegenüber kritischen Ansichten deutlich abgenommen hat. Die Schließung von Voice of Democracy durch Hun Sen ist ein verheerender Schlag für die Medienfreiheit im Land und wird Auswirkungen auf die gesamte kambodschanische Gesellschaft haben.”
Hana Young, stellvertretende Regionaldirektorin bei Amnesty International, warnte, die Schließung des Mediums sei “eine klare Warnung an andere kritische Stimmen, Monate vor den Wahlen”. Es handle sich um einen “willkürlichen” Schritt, der rückgängig gemacht werden müsse.
Auch Reporter ohne Grenzen fordert gemeinsam mit 93 weiteren Organisationen – darunter kambodschanische Journalistenverbände und die kambodschanische Menschenrechtsorganisation LICADHO – dem Nachrichtenportal sofort wieder eine Lizenz zu erteilen. Die Schließung des Mediums bedeute einen großen Rückschritt für die Pressefreiheit im Land.
Die Organisationen berichten zudem, Informationsminister Khieu Kanharith habe den Entzug der Lizenz als “Lektion” für weitere Medien bezeichnet. Dies lasse darauf schließen, dass ein unabhängiges Medium vor den anstehenden Wahlen zum Schweigen gebracht werden sollte.
Die deutsche Botschaft in Kambodscha erklärte ebenfalls, das Land habe eines der letzten unabhängigen Medien verloren. Der Zugang zu Informationen sei Grundlage für freie und faire Wahlen. In einer ähnlichen Stellungnahme teilte die US-Botschaft in Phnom Penh mit, VOD habe seit über 20 Jahren “objektiv und faktenbasiert” berichtet.
Zeitung und Sender vor Wahlen geschlossen
Der autoritär regierende Premierminister Hun Sen geht seit Jahren gegen kritische Medien vor. Laut RSF wurde vor den Wahlen im Jahr 2018 die englischsprachige Tageszeitung Cambodia Daily geschlossen und die Zeitung Phnom Penh Post an ein malaysisches Unternehmen mit Verbindungen zur kambodschanischen Regierung verkauft. Rund 30 Radiosender mussten ebenfalls schließen. Auch der Radiosender von Voice of Democracy war damals betroffen und hatte daraufhin online weiter berichtet. Auch die bis dahin größte Oppositionspartei CNRP wurde damals aufgelöst.
Nach Angaben von HRW setzte der Premier sein Vorgehen auch im vergangenen Jahr fort: Über 100 Personen, die mit der CNRP in Verbindung stehen, seien angeklagt worden. Vor den Kommunalwahlen im Jahr 2022 seien außerdem Kandidaten der oppositionellen Candlelight-Partei von den Wahllisten gestrichen und Parteiaktivisten verhaftet worden. Laut der New York Times hatte VOD auch über diese Fälle berichtet.
Fünf Medienschaffende von VOD seien im vergangenen Jahr zudem verhaftet worden, weil sie über Abholzungen in Kambodscha berichtet hatten.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen steht Kambodscha auf Platz 142 von 180 Staaten. (js)