Greenpeace klagt gegen EU-Taxonomie

Atommeiler
Die Anpassung der Taxonomie könnte dazu führen, dass Investitionen in Erdgas und Atomenergie fließen statt in Wind- und Solarenergie. (Quelle: IMAGO / Panama Pictures)

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace will gegen die Entscheidung der EU-Kommission, Investitionen in bestimmte Erdgas- und Atomkraftwerke als klimafreundlich einzustufen, Klage einreichen. Die Organisation plant, im April vor den Europäischen Gerichtshof (EUGH) in Luxemburg zu ziehen.

Wie Greenpeace Deutschland mitteilte, hatte die Organisation im September die Kommission per Antrag aufgefordert, die Klassifizierung von Erdgas und Atom als klimafreundlich zurückzunehmen. Sie hatte argumentiert, dass die Aufnahme in die Taxonomie sowohl gegen die Taxonomie-Verordnung als auch das europäische Klimagesetz und die Verpflichtungen der EU aus dem Pariser Klimaabkommen verstoßen.

Was ist die EU-Taxonomie?

Die Taxonomie ist das Regelwerk der EU, das definiert, ob ein Unternehmen oder eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist. Sie steckt für die meisten Branchen genaue Kriterien ab. Privaten Finanzinvestoren soll die Taxonomie als Orientierung dienen und Investitionen in grüne und nachhaltige Projekte fördern.

Vergangene Woche hatte Greenpeace dann eine offizielle Ablehnung des Widerspruchs von der Kommission erhalten. “Deshalb wird Greenpeace im April 2023 vor dem Gerichtshof der Europäischen Union in Luxemburg Klage einreichen”, teilte die Organisation mit. Sie rechne mit einem Prozess, der mehrere Jahre laufen wird, da “juristisches Neuland” betreten werde. “Sollte Greenpeace gewinnen, bedeutet dies sicher einen Präzedenzfall für weitere Klagen dieser Art”, so die Umweltschützer.

“Die gleichen Umweltsünder, die Ursula von der Leyen mit einem Nachhaltigkeitssiegel belohnen will, sind für viele der heutigen Nöte wie die Lebenshaltungskostenkrise und den Klimanotstand verantwortlich”, kritisierte Ariadna Rodrigo, Expertin für nachhaltige Finanzen bei Greenpeace.

Zu viele Emissionen bei Erdgas

Greenpeace kritisiert, Erdgas verursache extrem klimaschädliche Emissionen. Solange klimaschädliches Erdgas als Brückentechnologie gelte, dürfe es für solche Investitionen kein grünes Label geben. Greenpeace bemängelt zudem den Schwellenwert, den die Kommission für die Stromerzeugung aus fossilen Gasen festgelegt hat: Demnach dürfen pro erzeugter Kilowattstunde 270 Gramm CO2-Äquivalente ausgestoßen werden. Die Taxonomie-Verordnung, das EU-Klimagesetz und das Pariser Abkommen erlaubten aber nicht mehr als 100 Gramm CO2-Äquivalente.

Die Organisation hält das Argument der EU-Kommission für falsch, dass die Aufnahme von Erdgas in die Taxonomie zulässig sei, weil es keine “technologisch und wirtschaftlich machbaren kohlenstoffarmen Alternativen” gebe. Solche Alternativen seien durchaus vorhanden – in Form von Wind- und Solarenergie.

Zusätzlich befürchtet die Umweltschutzorganisation durch die Taxonomie-Anpassung auch einen Wettbewerbsvorteil für Erdgas. Dies unterlaufe die rechtsverbindlichen Ziele der EU, sich von fossilen Brennstoffen abzuwenden.

Unsichere Atomenergie

Die Atomkraft sieht Greenpeace nicht im Einklang mit dem "Do No Significant Harm"-Prinzip der Taxonomie-Verordnung – also dem Gebot, einen positiven Beitrag zu mindestens einem Umweltziel zu leisten und keinem der anderen Ziele zu schaden. “Die Lebenszyklusemissionen der Kernenergie, der Uranabbau, der hohe Wasserverbrauch, die Ableitung von Warmwasser und die großflächige Erzeugung radioaktiver Abfälle verstoßen alle gegen dieses Prinzip”, argumentiert die Organisation.

Die Atomenergie helfe der EU nicht dabei, ihre Klimaschutzziele zu erreichen: Das 1,5 Grad-Ziel und die Klimaneutralität bis 2050. Die Investitionen in die Atomenergie bräuchten so lange, um anzulaufen, dass sowohl der Kohleausstieg verzögert als auch die Entwicklung erneuerbarer Energien behindert würden.
Atomenergie sei zudem anfällig für die durch den Klimawandel vermehrt auftretenden Extremwetterereignisse: Hitzewellen und Dürren beeinträchtigen den Betrieb von Atomkraftwerken signifikant, weil unter Umständen nicht mehr genug Wasser in Flüssen zum Kühlen der Reaktoren vorhanden ist. Genauso könnten Überschwemmungen, Waldbrände oder extreme Kälteperioden dazu führen, dass nicht genug Kühlwasser zur Verfügung steht.

Auch bestehe bei Atomkraftwerken die Gefahr eines Angriffs durch Terroristen oder Militär. Sie berge die Gefahr schwerer Unfälle und könne irreversible Schäden für die Umwelt und die Gesundheit der Menschen verursachen.

Geldfluss umgeleitet

Die EU-Kommission hatte im Februar 2022 in einem delegierten Rechtsakt beschlossen, Erdgas und Atomkraft in die Taxonomie-Klassifikation aufzunehmen. Damit wurde festgelegt, dass Investitionen in neue Gas- und Atomkraftwerke in der EU künftig unter bestimmten Umständen als klimafreundlich gelten.

Somit können sowohl staatliche Subventionen als auch private Investitionen, die in nachhaltige Projekte fließen sollen, für diese Arten der Energiegewinnung genutzt werden. Seit dem 1. Januar 2023 ist die Verordnung in Kraft.

Neben diversen Umweltschutzorganisationen hatten sich auch der Umwelt- und der Wirtschaftsausschuss im EU-Parlament im Juni 2022 gegen die Pläne der EU-Kommission ausgesprochen. Eine absolute Mehrheit im EU-Parlament gegen das Vorhaben war im Anschluss dennoch nicht erreicht worden. So trat der Rechtsakt in Kraft.

Greenpeace bezeichnet die Aufnahme als “Greenwashing-Instrument für die Gas- und Atomindustrie”. Eigentlich sollten mithilfe der Taxonomie Investitionen in “zukunftsfähige, klimafreundliche Sektoren” gelenkt werden. Auch Österreich hatte im Oktober beim Gericht der Europäischen Union eine Klage gegen die Einstufung von Atomkraft und Gas als klimafreundlich eingereicht. (hcz)