Äthiopien sperrt soziale Medien

Internetcafe neben einer Kirche in Gondar, Äthiopien
In der Region Tigray ist die seit über zwei Jahren anhaltende Internetsperre weiterhin nicht vollständig aufgehoben worden. (Quelle: IMAGO / ZUMA Wire)

Die äthiopische Regierung hat Messenger-Dienste und soziale Medien sperren lassen. Die Organisation Access Now kritisiert die Einschränkung der Grundrechte und fordert eine sofortige Aufhebung der Blockade.

Wie die Organisation NetBlocks berichtet, hatten die Behörden am vergangenen Donnerstag zunächst den Messenger-Dienst Telegram sowie die sozialen Netzwerke Facebook und TikTok sperren lassen. Am Freitag wurde zusätzlich YouTube blockiert.

NetBlocks zufolge lassen sich die Sperren mit VPN-Diensten umgehen.

Hintergrund der Blockaden sind Medienberichten zufolge gewalttätige Proteste, die durch eine Spaltung der äthiopisch-orthodoxen Kirche ausgelöst wurden. Nach Kirchenangaben sollen bei den Protesten seit Anfang Februar mindestens 30 Menschen ums Leben gekommen sein.

Laut BBC gehören 43 Prozent der etwa 115 Millionen Einwohner des Landes der orthodoxen Kirche an, sie bilden die größte und einflussreichste religiöse Gruppe in Äthiopien.

Drei Erzbischöfe aus Oromia, der bevölkerungsreichsten Region des Landes, hatten der Hauptkirche Diskriminierung gegenüber bestimmten ethnischen Gruppen vorgeworfen und eine eigene Synode gegründet. In der Folge war es zu Demonstrationen von Anhängern beider Gruppen gekommen. Mitglieder der Hauptkirche werfen der Regierung demnach vor, die Abspaltung zu unterstützen. Für das vergangene Wochenende hatten beide Seiten Proteste angekündigt, die von den Behörden jedoch verboten wurden.

Laut BBC gibt es in Äthiopien derzeit die Befürchtung, dass die Blockade der Plattformen nur der erste Schritt zu einer vollständigen Internetsperre in den kommenden Tagen sein könnte.

Regierung soll “Angriff” auf Meinungsfreiheit beenden

Die Organisation Access Now forderte die Regierung auf, den Zugang zu den blockierten Diensten im gesamten Land unverzüglich wiederherzustellen.

Felicia Anthonio von Access Now erklärte: “Der Zugang zum Internet und zu digitalen Kommunikationsplattformen ist immer lebenswichtig – aber besonders in Zeiten der Unsicherheit und erhöhter sozialer Spannungen.” Die äthiopische Regierung müsse ihre “anhaltenden Angriffe” auf die Rechte auf Meinungsfreiheit und den Zugang zu Informationen beenden.

Die Organisation kritisiert, durch Internetsperren würden Spannungen weiter verstärkt. Ungeachtet dessen hätten die Behörden in der Vergangenheit bereits wiederholt Netzsperren verhängt und diese mit Sicherheitsbedenken begründet.

Laut NetBlocks wurden in Äthiopien bereits mehrfach während Protesten soziale Netzwerke blockiert. Die Organisation kritisiert das Vorgehen als unverhältnismäßig. Ende 2021 hatten die äthiopischen Behörden zudem Plattformen wie Facebook, Instagram und WhatsApp sperren lassen, nachdem die Aufgaben der nationalen Schulprüfungen an die Öffentlichkeit gelangt waren.

Tigray weiterhin teils ohne Internet

In der Region Tigray war das Internet sogar für zwei Jahre komplett blockiert – in Teilen der Region ist der Zugang noch immer nicht wiederhergestellt.

In Tigray war im November 2020 ein bewaffneter Konflikt zwischen der Regierung und der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) ausgebrochen – in der Folge wurden Internet- und Telefonverbindungen blockiert. In der Region leben über sechs Millionen Menschen, die von den Einschränkungen betroffen waren.

Anfang November 2022 hatten die Konfliktparteien einen Waffenstillstand vereinbart. Wenige Wochen später hatte der Minister für Innovation und Technologie, Belete Molla, auf dem Internet Governance Forum der Vereinten Nationen in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba erklärt, die Regierung arbeite auch an einer Aufhebung der Internetsperre – einen Zeitplan gebe es jedoch nicht.

Nach Angaben von Access Now haben die Behörden anschließend tatsächlich damit begonnen, die Telekommunikation in der Region wiederherzustellen. Einer Regierungssprecherin zufolge waren die Dienste im Januar in 51 Städten in Tigray wieder verfügbar.

Access Now hatte jedoch Anfang Februar kritisiert, viele Menschen in Tigray könnten das Internet weiterhin nicht nutzen. Selbst an Orten, an denen Internet über Mobilfunk wieder funktioniert, gebe es nur langsame Verbindungen, mit denen sich moderne Dienste nicht nutzen ließen. Die anhaltenden Einschränkungen seien eine “Menschenrechtskatastrophe”. Während des Wiederaufbaus in Tigray sei es auch von entscheidender Bedeutung, den Zugang zum Internet zu gewährleisten. Die Regierung müsse daher alle notwendigen Maßnahmen ergreifen und einen verpflichtenden Zeitplan für die Wiederherstellung festlegen. (js)