Frankreich: Verfassungsgericht bestätigt Videoüberwachung zu Olympia

Kamera und Eifelturm
An dem Gesetz hatte es bereits im Vorfeld scharfe Kritik von NGOs und Europaabgeordneten gegeben. (Quelle: IMAGO / Photo12)

Das französische Verfassungsgericht “Conseil constitutionnel” hat am Mittwoch ein Gesetz bestätigt, das zeitweise den Einsatz algorithmengestützter Videoüberwachung erlaubt. Dagegen hatten Abgeordnete geklagt. Die Technik soll während der Olympischen Sommerspiele im Jahr 2024 zum Einsatz kommen.

Die französische Nationalversammlung hatte dem Gesetz bereits Ende März zugestimmt und damit eine Rechtsgrundlage für die Auswertung von Kameraaufnahmen mithilfe von Algorithmen geschaffen. Das System soll selbstständig Ereignisse wie Menschenansammlungen erfassen und auf eventuelle Gefahren hin analysieren.

Abgeordnete der Fraktionen der Grünen und von “La France insoumise” hatten die Regelungen im April vor dem Verfassungsgericht angefochten, weil sie aus ihrer Sicht verfassungswidrig sind. Nach Ansicht der Richter sind in dem Gesetz aber die notwendigen Garantien zum Schutz der Privatsphäre enthalten.

Die Abgeordneten hatten unter anderem kritisiert, das Gesetz beschränke den Einsatz von Videoüberwachung nicht auf die Olympischen und Paralympischen Spiele, sondern erlaube sie allgemein für “Sport-, Freizeit- und Kulturveranstaltungen”. Das Gericht erklärte hierzu, die Regierung verfolge das Ziel, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung zu verhindern, was im Einklang mit der Verfassung stehe. Laut dem Gesetz dürfe die Technik nur bei Veranstaltungen zum Einsatz kommen, bei denen ein hohes Risiko von Terroranschlägen oder anderen schweren Angriffen auf die öffentliche Sicherheit bestehe.

Die zuständigen Behörden dürften den Einsatz der Videoüberwachung nur genehmigen, wenn er verhältnismäßig sei. Die Genehmigung müsse außerdem begründet werden und auch Angaben zu den überwachten Orten und der Dauer enthalten. Laut Gericht ist diese Regelung so auszulegen, dass Überwachungsmaßnahmen sofort zu beenden sind, wenn die Voraussetzungen zur Genehmigung nicht mehr gegeben sind. Zudem gebe es die Möglichkeit, einzelne Genehmigungen vor Gericht anzufechten.

Keine biometrischen Daten

Laut dem Gesetz werden keine biometrischen Daten verarbeitet. Die französischen Abgeordneten hatten diesen Punkt jedoch angegriffen: Denn ihrer Auffassung nach sollen beispielsweise Personen aufgrund ihres Verhaltens wiedererkannt werden – und dafür müssten biometrische Daten verarbeitet werden. Diese Einschätzung hatten auch mehrere NGOs geteilt. Biometrische Daten gelten als besonders sensibel, weil Menschen damit ein Leben lang eindeutig identifiziert werden können.

Die Richter stellten klar, es sei Aufgabe der Behörden, sicherzustellen, dass die geplante Videoüberwachung vorab festgelegte Ereignisse ohne den Einsatz eines biometrischen Identifikationssystems erkennen kann.

Dem Gericht zufolge ist im Gesetz außerdem sichergestellt, dass die Algorithmen nur eine Warnmeldung abgeben – über das erforderliche Vorgehen müssten aber immer Beamte entscheiden.

Die französische Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net teilte auf Twitter mit, die nun ergangene Gerichtsentscheidung sei “nicht überraschend”. Die NGO will weiter gegen den Einsatz der Videoüberwachung protestieren. Noémie Levain von La Quadrature du Net kritisierte gegenüber dem Online-Magazin Euractiv, die Richter hätten nicht versucht, die Funktionsweise der geplanten Überwachungstechnologien zu verstehen.

Schon im Vorfeld hatte die Organisation erklärt, die Olympischen Spiele würden als Vorwand genutzt, um die seit langem geplante Legalisierung dieser Technologien schneller umzusetzen.

Kritik im Vorfeld

Bereits vor der Verabschiedung hatte das Gesetz für viel Kritik gesorgt: So hatten Mitte März gut 40 Abgeordnete des Europäischen Parlaments in einem offenen Brief an die französische Nationalversammlung gewarnt, Frankreich würde unter dem “Vorwand der Olympischen Spiele” einen “Präzedenzfall für Überwachung schaffen, wie es ihn in Europa noch nie gegeben hat”. Frankreich ist demnach der erste Mitgliedsstaat der Europäischen Union, der die algorithmengestütze Videoüberwachung legalisiert hat. Durch die Technik sei auch eine abschreckende Wirkung zu erwarten.

Auch ein Bündnis aus 38 NGOs unter Beteiligung von Amnesty Interantional, Human Rights Watch und der französischen Fanvereinigung “L’Association Nationale des Supporters” hatte die französische Nationalversammlung aufgefordert, das Gesetz zu entschärfen. Die Organisationen hatten kritisiert, die Regelung verstoße gegen internationale Menschenrechtsabkommen und könnte zu biometrischer Massenüberwachung führen. Zudem sei zu befürchten, dass die Überwachungstechnik weiter im Einsatz bleiben wird, sobald sie einmal installiert ist – so sei es auch nach den Olympischen Spielen 2012 in London und der Fußballweltmeisterschaft 2018 in Russland gewesen.

Frederike Kaltheuner von Human Rights Watch hatte kritisiert, die Überwachung stelle “eine ernsthafte Bedrohung für die bürgerlichen Freiheiten und demokratischen Prinzipien” dar. Außerdem handle es sich um einen weiteren Schritt zur Normalisierung “außergewöhnlicher Überwachungsbefugnisse unter dem Deckmantel der Sicherheit bei Großveranstaltungen”.

Die Olympischen Sommerspiele 2024 finden vom 26. Juli bis zum 11. August 2024 in Paris statt. Vom 28. August bis zum 8. September 2024 ist die französische Hauptstadt Austragungsort der Paralympics. Der Einsatz der algorithmengesteuerten Videoüberwachung soll bis Ende März 2025 erlaubt sein. (js)