Londoner Polizei soll umstrittene Gesichtserkennung genutzt haben

Illustration einer biometrischen Analyse eines Gesichts
Kritiker werfen PimEyes vor, Überwachung in einem bisher unvorstellbaren Ausmaß zu ermöglichen. (Quelle: IMAGO / Science Photo Library)

Beamte der Londoner Polizei sollen Tausende Male auf die umstrittene Gesichtserkennungs-Suchmaschine PimEyes zugegriffen haben. Das berichteten die britische Nachrichtenseite i-News und die NGO Liberty am Montag unter Berufung auf Dokumente, die ihnen aufgrund von Informationsfreiheitsgesetzen zur Verfügung gestellt wurden. Die Behörde habe den Zugriff auf den Dienst nun blockiert.

PimEyes sammelt im Internet massenhaft Gesichtsbilder, analysiert diese nach individuellen Merkmalen und speichert die biometrischen Daten. Wenn zahlende Kunden ein Foto hochladen, zeigt die Suchmaschine übereinstimmende Fotos zusammen mit Fundstellen im Internet an.

Laut dem Bericht hatten Beamte den umstrittenen Dienst in den ersten drei Monaten des Jahres insgesamt 2337-mal aufgerufen.

Ein Sprecher der Londoner Polizei erklärte gegenüber i-News und Liberty, ein Aufruf der Internetseite von PimEyes bedeutete nicht, dass tatsächlich die Gesichtssuche verwendet wurde. Man habe jedoch reagiert und den Zugang zu der Webseite von Dienstgeräten gesperrt.

Polizei setzt Gesichtserkennung ein

In Großbritannien nutzt die Polizei bereits Gesichtserkennung: In London sind beispielsweise mobile Einheiten im Einsatz, um im öffentlichen Raum nach gesuchten Personen zu fahnden. Wie i-News berichtet, könnten Beamte mit PimEyes aber auch nach Personen suchen, ohne dass offizielle Kontrollmechanismen eingehalten werden: Mit den Systemen der Londoner Polizei sei es etwa nur möglich, nach Personen von Fahndungslisten zu suchen – und es brauche dafür eine Genehmigung von leitenden Beamten. PimEyes ermögliche es hingegen, nach beliebigen Personen zu suchen.

Britische Politiker kritisieren den Zugriff von Polizisten auf PimEyes. So sagte der konservative Parlamentsabgeordnete David Davis: “Die Polizei sollte nur Werkzeuge verwenden, die ordnungsgemäß überprüft, erprobt und für den Einsatz zugelassen wurden.” PimEyes erfülle keine dieser Voraussetzungen. Er forderte, auch andere Polizeibehörden sollten den Zugriff zu der Gesichtserkennungs-Suchmaschine blockieren.

Jake Hurfurt von der britischen Bürgerrechtsorganisation Big Brother Watch kritisierte: “Es ist völlig unangemessen, dass Polizeibeamte PimEyes einsetzen.”

Unklar bleibt, ob auch andere Strafverfolgungsbehörden in Großbritannien PimEyes nutzen. 45 andere britische Polizeibehörden hätten Anfragen hierzu teils gar nicht erst beantwortet oder eine Antwort abgelehnt – begründet wurde dies in einigen Fällen mit dem Risiko, dass Ermittlungstaktiken offengelegt werden könnten.

Laut dem Bericht soll rät das “National Police Chiefs’ Council” den Behörden geraten haben, den Einsatz von PimEyes weder zu bestätigen noch zu dementieren – aus Sorge vor negativer Berichterstattung.

Kritik an PimEyes

Das Angebot von PimEyes war im Sommer 2020 durch eine Recherche der Nachrichtenseite netzpolitik.org bekannt geworden. Damals hatte das Unternehmen seinen Firmensitz noch in Polen – inzwischen wurde es verkauft und ist mehrfach umgezogen. Auf der Seite des Anbieters findet sich eine Adresse im zentralamerikanischen Belize. Auch in Georgien soll die Firma ein Büro unterhalten.

Auch die Gewerkschaft der Polizei hatte bei Bekanntwerden von PimEyes kritisiert, die Suchmaschine berge “riesige Gefahren für die Anonymität der Bürgerinnen und Bürger und hat in privaten Händen nichts zu suchen”.

Ende 2023 war bekannt geworden, dass die australische Bundespolizei AFP ebenfalls PimEyes getestet hatte – auch zu operativen Zwecken, wie Behördenvertreter einräumen mussten. Australische Abgeordnete hatten PimEyes als “besonders gefährlich” kritisiert.

Der Dienst steht bereits seit längerem in der Kritik: So warnt Big Brother Watch beispielsweise, PimEyes verarbeite biometrische Daten von Menschen, die auf Fotos im Internet zu sehen sind, ohne dass die Betroffenen zugestimmt hätten. Der Dienst greife stark in die Privatsphäre ein und ermögliche Überwachung in einem bisher unvorstellbaren Ausmaß.

Recherchen hatten in der Vergangenheit unter anderem gezeigt, dass sich mit dem Dienst Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Demonstrationen identifizieren lassen. Zudem war im August 2022 bekannt geworden, dass Männer die Suchmaschine genutzt hatten, um fremde Frauen aufzuspüren.

Wie i-News berichtet, hat die britische Datenschutzbehörde PimEyes bereits untersucht, jedoch keine Maßnahmen gegen den Anbieter eingeleitet. Eine Sprecherin erklärte demnach, die Untersuchung sei im vergangenen Jahr abgeschlossen worden – man werde PimEyes erneut untersuchen, sollten neue Beschwerden eingehen.

Der Einsatz von Gesichtserkennung durch die Polizei wird in Großbritannien unterdessen ausgeweitet. Erst im April hatte die Regierung angekündigt, mehr als 50 Millionen britische Pfund in Gesichtserkennungssysteme zu investieren. Angesichts dessen warnen Bürgerrechtler vor Massenüberwachung. (js)