Saudi-Arabien: Frau wegen Online-Äußerungen zu langer Haftstrafe verurteilt

Fahne von Saudi-Arabien
In den vergangenen Jahren wurden in Saudi-Arabien mehrere Frauen wegen Online-Meinungsäußerungen zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. (Quelle: IMAGO / NurPhoto)

In Saudi-Arabien wurde die 29-jährige Manahel al-Otaibi wegen der Unterstützung von Frauenrechten und ihrer Kleiderwahl zu elf Jahren Gefängnis verurteilt. Das berichten die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und ALQST. Sie fordern ihre bedingungslose Freilassung.

Angaben der Organisationen zufolge wurde die Fitnesstrainerin bereits am 9. Januar vom saudischen Sonderstrafgericht (SCC) verurteilt. Ihr sei unter anderem vorgeworfen worden, in den sozialen Medien das Ende des Systems der männlichen Vormundschaft im Land gefordert zu haben. Außerdem habe sie Videos von sich veröffentlicht, in denen sie in angeblich “unanständiger Kleidung” zu sehen war und Geschäfte ohne das traditionelle Abaya-Kleid betreten hatte.

Laut Amnesty hatten die Behörden ähnliche Vorwürfe gegen ihre Schwester erhoben. Diese sei aber im Jahr 2022 aus dem Land geflohen, nachdem sie eine Vorladung erhalten hatte.

Saudi-Arabien bestätigt Verurteilung

Mehrere Sonderberichterstatterinnen und weitere Experten der UN hatten sich im Dezember bei den saudischen Behörden zu den beiden Fällen erkundigt. In der Anfrage heißt es, Manahel al-Otaibi sei eine Frauenrechtlerin mit einer aktiven Social-Media-Präsenz. Darauf habe sie neben Forderungen zu Frauenrechten auch Inhalte zu den Rechten anderer marginalisierter Gruppen geteilt.

Die Ständige Mission Saudi-Arabiens bei den UN in Genf hatte die Verurteilung in ihrer Antwort im Januar bestätigt – demnach wurde sie schuldig befunden, “terroristische Straftaten” begangen zu haben. Amnesty International nennt die Vorwürfe absurd und kritisiert, die Familie von Manahel al-Otaibi habe keinen Zugang zu den Gerichtsunterlagen erhalten.

Nach Angaben der saudischen Behörden ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.

Frau mit Hut
Manahel al-Otaibi (Screenshot: instagram.com)

Wie die Menschenrechtsorganisation berichtet, wurde die 29-Jährige bereits im November 2022 verhaftet. Im Gefängnis sei sie körperlich und psychisch misshandelt worden. Mehrere Monate lang habe sie keinen Kontakt zur Außenwelt gehabt. Erst im April 2024 habe sie wieder Kontakt zu ihrer Familie aufnehmen können und erzählt, dass sie sich in Einzelhaft befinde und infolge von Misshandlungen ein gebrochenes Bein habe. Medizinische Versorgung sei ihr verweigert worden.

Scharfe Kritik

Bissan Fakih von Amnesty sprach von “grausamer Ungerechtigkeit”. Sie sagte: “Mit dieser Verurteilung haben die saudischen Behörden die Verlogenheit ihrer viel gepriesenen Reformen im Bereich der Frauenrechte in den letzten Jahren entlarvt und ihr Bestreben demonstriert, friedliche Dissidenten zum Schweigen zu bringen.”

Laut Amnesty wurden in Saudi-Arabien in den vergangenen Jahren zwar einige Einschränkungen für Frauen aufgehoben. Es blieben aber weiterhin viele diskriminierende Aspekte des männlichen Vormundschaftssystems bestehen.

Lina Alhathloul von der Organisation ALQST erklärte, das Urteil verdeutliche die Entschlossenheit der Behörden, “Frauen in Saudi-Arabien zu kontrollieren”.

Unterdrückung der Meinungsfreiheit

Die Menschenrechtsorganisationen sehen das Urteil gegen Manahel al-Otaibi als Teil eines verschärften Vorgehens gegen die Meinungsfreiheit in Saudi-Arabien. Demnach wurden in den vergangenen zwei Jahren auch “Dutzende Personen” von Gerichten wegen ihrer Äußerungen in sozialen Medien zu langen Haftstrafen verurteilt – darunter viele Frauen.

Im August 2022 wurde beispielsweise Salma al-Schihab zu 34 Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie auf Twitter Frauenrechtsaktivistinnen folgte und deren Beiträge geteilt hatte. In einem Berufungsverfahren Anfang 2023 verhängte das Gericht eine Haftstrafe von 27 Jahren – anschließend unterliegt sie außerdem einem 27-jährigen Reiseverbot.

Wenig später wurde eine weitere Frau zu 45 Jahren Haft verurteilt, weil sie ihre Meinung auf Twitter geteilt hatte.

Amnesty International erwähnt darüber hinaus eine 40- und eine 30-jährige Haftstrafe, die gegen zwei Frauen verhängt wurden.

Im vergangenen Jahr hatte das saudischen Sonderstrafgericht außerdem einen Mann wegen seiner Aktivitäten in den sozialen Netzwerken zum Tode verurteilt. Menschenrechtlern zufolge hatte er hauptsächlich Beiträge von Regierungskritikern geteilt. (js)