Mexiko: Anhaltende Gewalt gegen Medienschaffende

Präsident López Obrador bei einer Pressekonferenz
Die Menschenrechtsorganisation wirft dem mexikanischen Präsidenten López Obrador vor, Pressevertreter selbst einzuschüchtern. (Quelle: IMAGO / ZUMA Wire)

Die Pressefreiheit in Mexiko ist durch anhaltende Gewalt gegen Medienschaffende bedroht, warnt Human Rights Watch (HRW). Die Menschenrechtsorganisation fordert Präsident Andrés Manuel López Obrador auf, den Schutz von Journalisten zu stärken. Die Staatsanwaltschaften müssten die nahezu völlige Straflosigkeit für diese Verbrechen beenden.

Laut dem “Barometer der Pressefreiheit” von Reporter ohne Grenzen (RSF) wurden im Januar vier Journalistinnen und Journalisten in Mexiko getötet. Im Februar und März hatte die Organisation jeweils zwei weitere Morde verifiziert. Am 5. Mai wurde dann die Leiche von Luis Enrique Ramírez in der Stadt Culiacán im Bundesstaat Sinaloa gefunden – er ist der neunte Journalist, der in diesem Jahr in Mexiko ermordet wurde. Medienberichten zufolge wurde er am Vortag von bewaffneten Männern verschleppt.

Ramírez hatte bei der Zeitung “El Debate” gearbeitet und kritisch über die Politik in Sinaloa berichtet. Er war mehrfach mit Journalistenpreisen ausgezeichnet worden. Wie das Komitee zum Schutz von Journalisten berichtet, hatte er den Bundesstaat bereits im Jahr 2011 vorübergehend verlassen, weil er bedroht wurde.

Am Dienstag berichtete RSF zudem von zwei weiteren Opfern: Die Journalistinnen Yesenia Mollinedo und Sheila Johana García wurden am 9. Mai in Cosoleacaque im östlichen Bundesstaat Veracruz erschossen, während sie in ihrem geparkten Auto saßen. Beide hätten Westen getragen, die mit “Presse” gekennzeichnet waren. Mollinedo habe zuvor anonyme Anrufe erhalten und wurde gewarnt, nicht über Kriminalität zu berichten. RSF erklärte, noch keine direkte Verbindung zwischen dem Doppelmord und der journalistischen Arbeit der Opfer hergestellt zu haben – die Organisation werde den Fall aber weiter untersuchen.

Mindestens 33 Journalisten seit 2018 ermordet

“Dieses Jahr ist auf dem Weg, das bisher tödlichste für Journalisten in Mexiko zu werden”, kritisierte Tyler Mattiace von Human Rights Watch. RSF hatte im gesamten vergangenen Jahr sieben ermordete Medienschaffende in Mexiko gezählt.

HRW bezeichnet Mexiko als eines der gefährlichsten Länder weltweit für Journalisten. Noch am 3. Mai hatte HRW erklärt, seit dem Amtsantritt von Präsident López Obrador im Dezember 2018 seien mindestens 33 Journalisten im Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet worden.

Für die meisten Verbrechen in Mexiko sei Straflosigkeit die Norm – auch für Morde an Journalisten. Im Jahr 2010 wurde in dem Land zwar eine Sonderstaatsanwaltschaft für Verbrechen gegen die Meinungsfreiheit eingerichtet. Bisher habe diese auch 105 Ermittlungen durchgeführt – nur sechs hätten aber tatsächlich zu Verurteilungen wegen Mordes geführt. HRW berichtet, angesichts der Gewalt übten viele Medienschaffende Selbstzensur.

Nur selten würden die Fälle von den Behörden konsequent verfolgt. Zwar würden Regierungsbeamte regelmäßig Verdächtige präsentieren, die für die Ermordung von Medienschaffenden verantwortlich sein sollen. In den meisten Fällen bleibe es aber bei anfänglichen Ermittlungen und komme nicht zur Anklage.

Präsident schüchtert Medienschaffende ein

Tyler Mattiace kritisierte: “Präsident López Obrador hat es nicht nur versäumt, gegen die Gewalt gegen die Medien vorzugehen, sondern er hat seine täglichen morgendlichen Pressekonferenzen genutzt, um Journalisten zu schikanieren und einzuschüchtern.” Während seiner Pressekonferenzen würde er kritische Journalisten häufig als “korrupt” oder “kriminell” bezeichnen. Dies sei ein offensichtlicher Versuch, die Betroffenen einzuschüchtern.

Zwar gebe es staatliche Schutzmaßnahmen für Journalisten und Menschenrechtler. Diese umfassten beispielsweise sogenannte Panikknöpfe und Polizeischutz. HRW kritisiert aber, es mangele an finanziellen Mitteln und es gebe zu wenige Mitarbeiter. Reporter ohne Grenzen hatte bereits im Jahr 2020 Budgetkürzungen beklagt.

Nach Angaben von HRW hat sich die Zahl der Schutzsuchenden seit 2018 fast verdoppelt. Bis Ende April 2022 standen über 500 bedrohte Journalisten und über 1000 Menschenrechtler unter dem Schutz der staatlichen Maßnahmen. Die Organisation kritisiert außerdem, dass mehrere Medienschaffende ermordet wurden, während sie unter Schutz standen. In anderen Fällen hätten Journalisten Schutz beantragt – seien aber ermordet worden, bevor er ihnen zugesprochen wurde.

Die mexikanische Regierung habe eine Reform des Schutzsystems angekündigt – es gebe aber bisher keine Details zu den Plänen. HRW mahnt, eine Reform könne die Situation von Journalisten nur verbessern, wenn alle Herausforderungen ernsthaft angegangen werden. So hatte die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte im Jahr 2019 etwa festgestellt, dass behördliche Schikanen in Mexiko zur Gewalt gegen Medienschaffende beitragen. Die Regierung solle in nationalen Kampagnen auf die wichtige Rolle von Journalisten und Menschenrechtlern in der Gesellschaft aufmerksam machen.

HRW fordert, die mexikanische Regierung müsse aufhören, Journalisten zu schikanieren und sie besser schützen. Verbrechen an Medienschaffenden müssten außerdem verfolgt und aufgeklärt werden.

Auf der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen steht Mexiko auf Platz 127 von 180 Ländern. Zum dritten Mal in Folge sei es das “tödlichste Land der Welt” für Journalisten, hatte die Organisation Anfang Mai erklärt.

Nachtrag vom 11. Mai: Informationen zu weiteren Opfern hinzugefügt. (js)