Myanmar: Internetsperren nach dem Militärputsch
Das Militär in Myanmar hat in der Nacht zu Montag die Kontrolle in dem Land übernommen. Die Staatsrätin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi sowie Staatspräsident Win Myint wurden festgenommen. Am Montag hat das Militär einen einjährigen Ausnahmezustand verhängt. Telefonnetze und Internet funktionieren in dem Land teilweise nicht mehr.
Die Organisation Netblocks berichtet, es sei bereits am Sonntag zu ersten regionalen Störungen des Internets gekommen. Auch die Hauptstadt Naypyidaw war betroffen. Einschränkungen habe es unter anderem bei dem staatlichen Anbieter MPT sowie dem Mobilfunkanbieter Telenor gegeben. Laut Netblocks weist das Muster der Störungen auf zentral angeordnete Internetsperren hin. Hauptsächlich soll das mobile Internet gestört sein, aber auch stationäre Internetanschlüsse seien betroffen. Zwischenzeitlich brachen die Verbindungen in Myanmar um die Hälfte ein.
Die Zeitung Myanmar Times berichtet ebenfalls von unterbrochenen Telefon- und Internetverbindungen. Auch TV-Sender wurden demnach abgeschaltet, wobei der Sender des Militärs weiter in Betrieb ist. Aufgrund der Internetstörungen hätten auch einige Banken geschlossen, so die Zeitung.
Laut Netblocks soll das Mobilfunknetz in Myanmar mittlerweile wieder mehr Verbindungen zulassen. Allerdings könnten viele Nutzerinnen und Nutzer weiterhin nicht auf das mobile Internet zugreifen. Zudem sei unklar, ob das Mobilfunknetz dauerhaft in Betrieb bleibt.
Durch die gestörten Telekommunikationssysteme ist es für die Bürgerinnen und Bürger in Myanmar schwierig, sich über die Vorgänge im Land zu informieren. Laut der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch nutzen die meisten Menschen in Myanmar das Internet über ihre Mobiltelefone. Auch die Berichterstattung aus dem Land wird durch die Internetsperren erschwert.
Militär hatte Regierungspartei Wahlmanipulation vorgeworfen
Bei den Wahlen im November hatten Suu Kyi und ihre Partei NLD die absolute Mehrheit erzielt und sich eine zweite Amtszeit gesichert. Die Wahlbeteiligung lag nach offiziellen Angaben bei über 70 Prozent. Ein Viertel der Sitze in den Parlamentskammern ist allerdings für das Militär reserviert. Das sieht die Verfassung vor, die die Militärjunta 2008 erlassen hatte, um im Rahmen von demokratischen Reformen nicht entmachtet zu werden. Nach den Wahlen im vergangenen November hatte das Militär der Regierung Wahlbetrug vorgeworfen. Am Montag hätte das neugewählte Parlament erstmals zusammenkommen sollen.
Das Militär hat inzwischen Neuwahlen angekündigt, die allerdings erst nach dem einjährigen Ausnahmezustand stattfinden sollen. Aung San Suu Kyi rief zu Protesten gegen den Putsch auf, wie die Deutsche Welle berichtet.
Vor den Wahlen hatte Human Rights Watch die Entscheidung der Wahlkommission kritisiert, die Wahlen in bestimmten Regionen aufgrund von Sicherheitsbedenken einzuschränken oder abzusagen. Über 1,5 Millionen Menschen seien von den Parlamentswahlen ausgeschlossen gewesen.
Die Bürgerrechtsorganisation Access Now bezeichnete es als “inakzeptabel”, das Internet abzuschalten, um einen demokratischen Übergang zu verhindern. Felicia Anthonio von Access Now forderte Telekommunikationsunternehmen auf, sich gegen die Anordnung einer Internetsperre zu wehren: “Sie haben die Verantwortung, die Menschenrechte zu wahren; nicht einen Raum zu schaffen, in dem sie missbraucht werden können.”
Internetsperre Gefahr für die Bevölkerung
Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte, Telefon- und Internet-Dienste wiederherzustellen. Die Abschaltung der Dienste stelle eine weitere Gefahr für die Bevölkerung dar, insbesondere vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und bewaffneter Konflikte in Teilen Myanmars. Das Militär müsse zudem erklären, auf welcher Grundlage es Politiker verhaftet habe, so Amnesty International.
Tirana Hassan von Human Rights Watch warnte vor einer Menschenrechtskrise in einem ohnehin fragilen Land.
Auch Regierung schaltete Internet ab
Auch die gewählte Regierung hatte in der Vergangenheit wiederholt Internetsperren verhängt: Teile der Verwaltungszonen Chin und Rakhine waren von Juni 2019 bis August 2020 ohne mobiles Internet. Dort kommt es immer wieder zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und Rebellen. Zwar hatte die Regierung die Sperre im August 2020 aufgehoben – allerdings funktionierte fortan nur mobiles Internet über den langsamen Mobilfunkstandard GSM. Schnellere Verbindungen blieben gesperrt.
Human Rights Watch hatte im Juni 2020 kritisiert, dass die Corona-Pandemie in diesen Regionen aufgrund der Internetsperren teilweise unbekannt sei. Auch im Vorfeld der Wahlen forderten lokale Bürgerrechtsorganisationen, den 1,4 Millionen Bewohnern der beiden Verwaltungszonen den Zugang zum Internet zu ermöglichen.
Grundlage der Einschränkungen in Chin und Rakhine ist Artikel 77 des Telekommunikationsgesetzes des Landes. Laut Myanmar Times kritisieren Nichtregierungsorganisationen diesen Artikel bereits seit Jahren – unter anderem, da nicht klar definiert sei, in welchen Situationen er angewendet werden kann. Unter Berufung auf diesen Paragrafen werden in Myanmar auch immer wieder Webseiten blockiert: Laut einem Bericht der Deutschen Welle haben Internet-Provider im Jahr 2020 auf Anweisung der Regierung den Zugriff auf über 2000 Webseiten verhindert. Auch kritische Medien sollen auf der Liste gestanden haben. (js)