Myanmar: Menschenrechtler beklagen anhaltende Gewalt gegen Bevölkerung

Polizei in der Stadt Mandalay einen Tag nach dem Putsch
Human Rights Watch wirft dem Militär Angriffe auf zivile Einrichtungen vor. (Quelle: IMAGO / ZUMA Wire)

Menschenrechtler fordern die internationale Gemeinschaft anlässlich des zweiten Jahrestages des Militärputsches in Myanmar auf, Druck auf das Militär auszuüben. Organisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch (HRW) prangern schwere Menschenrechtsverletzungen in dem Land an. Die internationale Gemeinschaft sollte sich auch nicht von den geplanten Wahlen täuschen lassen.

Das Militär in Myanmar hatte sich am 1. Februar 2021 an die Macht geputscht. Dabei wurden unter anderem die gewählte Regierungschefin Aung San Suu Kyi und Staatspräsident Win Myint festgenommen.

Seit dem Putsch sei die Militärjunta brutal gegen jegliche Opposition vorgegangen, berichtet Human Rights Watch. Die Sicherheitskräfte hätten Menschen willkürlich verhaftet und gefoltert. Die Organisation berichtet auch von sexueller Gewalt und Massentötungen.

Elaine Pearson, Asien-Direktorin bei HRW, erklärte: “Die Militärjunta hat in den zwei Jahren seit dem Putsch eine sich verschlimmernde Spirale von Gräueltaten gegen das Volk von Myanmar in Gang gesetzt, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen darstellen.”

Laut Amnesty International wurden seit dem Putsch mindestens 3000 Menschen getötet und mehr als 13.000 seien weiterhin “unter unmenschlichen Bedingungen” inhaftiert. Außerdem seien 1,5 Millionen Menschen vertrieben worden.

Mindestens 100 Personen wurden zum Tode verurteilt. Bekannt wurden zudem vier Hinrichtungen.

HRW beklagt auch Angriffe auf die Zivilbevölkerung durch das Militär, die Kriegsverbrechen gegen ethnische Minderheiten gleichkämen. In den Regionen Sagaing und Magway hätten Soldaten ganze Dörfer niedergebrannt.

Der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Volker Türk, sprach von mehr als 34.000 zivilen Einrichtungen, die in den vergangenen zwei Jahren von den Streitkräften in Brand gesteckt wurden. Darunter waren demnach Wohnhäuser, Kliniken und Schulen. Nach Angaben von Amnesty International gehen 7,8 Millionen Kinder in Myanmar derzeit nicht zur Schule, weil die gefährliche Lage in dem Land sie daran hindert.

Lange Haftstrafen für Journalisten

Human Rights Watch beklagt zudem starke Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Laut der Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) haben die Streitkräfte zahlreiche Medienschaffende festgenommen, inhaftiert, gefoltert und getötet, um die Kontrolle über den Informationsfluss zu behalten. In den vergangenen zwei Jahren seien 130 Journalistinnen und Journalisten in Myanmar verhaftet worden. 72 von ihnen befinden sich demnach weiterhin in Haft – weltweit sitzen nur in China mehr Medienschaffende im Gefängnis. Journalisten, die über die großen Protestwellen in Myanmar berichtet hatten, seien nun entweder eingesperrt oder geflohen.

Die von Militärgerichten gegen Medienschaffende verhängten Haftstrafen würden zudem immer länger: So wurde Ende 2022 der freischaffende Journalist Myo San Soe auf Grundlage des Anti-Terrorgesetztes zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt.

RSF-Geschäftsführer Christian Mihr erklärte: “Seit zwei Jahren blicken wir entsetzt auf den Terror gegen Journalistinnen und Journalisten in Myanmar. Das Land ist der erbarmungslosen Unterdrückung des Militärs ausgesetzt. Die Haftstrafen gegen Medienschaffende werden immer länger. All das hat nur ein Ziel: zu verhindern, dass die Welt erfährt, was unter den Generälen passiert.”

HRW wirft der Militärjunta auch vor, Lieferungen von Hilfsgütern zu blockieren. In der Folge sei die Nahrungsmittel- und Wasserknappheit verschärft worden. Das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) schätzt, dass mindestens 17,6 Millionen Menschen in Myanmar dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen sind.

Koordiniertes Vorgehen gefordert

“Es muss einen Ausweg aus dieser katastrophalen Situation geben, in der das menschliche Leid und die Rechtsverletzungen täglich zunehmen”, forderte der UN-Menschenrechtskommissar Türk.

Unter anderem die Europäische Union und die USA haben Wirtschaftssanktionen gegen das Militär verhängt. Der UN-Sicherheitsrat hatte Ende 2022 außerdem eine Resolution zu Myanmar verabschiedet und die Militärjunta zum Ende der Gewalt aufgerufen. Auch die Freilassung von “willkürlich festgenommenen” Personen wird darin gefordert.

Die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und HRW kritisieren jedoch, die Maßnahmen würden nicht weit genug gehen. So müsse der UN-Sicherheitsrat die Situation in Myanmar an den Internationalen Strafgerichtshof verweisen. Außerdem brauche es ein umfassendes Waffenembargo gegen das Land und Sanktionen gegen Unternehmen im Besitz des Militärs. Bei der Verschärfung von Sanktionen sollten Regierungen besser zusammenarbeiten. HRW zufolge könnte erhöhter Druck auf die Militärjunta den Fluss ausländischer Gelder stoppen und damit die Möglichkeiten zum Kauf von Waffen.

Pearson erklärte: “Ohne stärkere gezielte Sanktionen wird das Militär in Myanmar seine Brutalität gegenüber der Bevölkerung nur noch verstärken.”

Pearson warnte die internationale Gemeinschaft davor, sich nicht durch die geplanten Wahlen täuschen zu lassen – es handle sich um eine Scheinwahl. Das Militär hatte für den August Parlamentswahlen angekündigt. Vergangene Woche hatte der Putschführer Min Aung Hlaing allerdings ein 20-seitiges Wahlgesetz unterzeichnet, das komplizierte Regeln für Bewerber festlegt. So müssen Parteien beispielsweise drei Monate nach ihrer Registrierung 100.000 Mitglieder nachweisen und innerhalb von sechs Monaten in mindestens der Hälfte aller Bezirke im Land ein Büro eröffnen.

HRW kritisiert, von der Junta als angeblich aufständisch oder terroristisch angesehene Personen und Parteien würden von der Wahl ausgeschlossen – das betreffe auch die aus einer Gruppe gewählter Parlamentarier gebildete Schattenregierung. “Man kann keine freien und fairen Wahlen abhalten, wenn man seinem Volk jedes Grundrecht verweigert und politische Gegner einsperrt oder disqualifiziert”, so Pearson. (js)