Pakistan: Afghanische Medienschaffende fürchten Abschiebung
Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) appelliert an die pakistanische Regierung, afghanische Medienschaffende nicht abzuschieben. Die NGO warnt, das Leben von Betroffenen wäre in ihrem Heimatland in Gefahr.
Nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan vor zwei Jahren waren viele Menschen in Drittländer wie Pakistan geflohen. Doch die pakistanische Regierung hatte angekündigt, Geflüchtete ohne Aufenthaltsstatus abzuschieben, wenn sie nicht bis Ende Oktober freiwillig das Land verlassen.
Medienberichten zufolge sollen bereits mehr als 200.000 Afghanen abgeschoben worden sein. Hilfsorganisationen erwarten, dass viele Menschen den Winter in Lagern in der Grenzregion verbringen werden müssen, weil sie keinen Ort hätten, an den sie zurückkehren können.
RSF warnt nun, auch mehr als 200 afghanische Medienschaffende könnten aus Pakistan abgeschoben werden. Die Organisation ruft die dortigen Behörden dazu auf, den Betroffenen den Aufenthalt im Land zu erlauben – und ihre Sicherheit zu garantieren.
Medienschaffende fürchten Abschiebung
RSF kritisiert, eine Abschiebung wäre “eine eklatante Verletzung internationalen Rechts und völlig inakzeptabel”. Die Medienschaffenden seien nach Pakistan geflohen, um ihr Leben zu retten – müssten sie zurück nach Afghanistan, wären sie großer Gefahr ausgesetzt.
“Eine erzwungene Rückkehr nach Afghanistan wäre gleichbedeutend damit, uns ins Schlachthaus zu schicken”, sagte ein afghanischer Journalist gegenüber RSF, der im September 2022 nach Pakistan geflohen war. Er hatte für ausländische Medien gearbeitet und war deswegen von den Taliban bedroht worden. Er erklärte, er sei in Afghanistan unter anderem wegen angeblicher Spionage angeklagt.
Zwar habe er eine befristete Aufenthaltsgenehmigung für Pakistan – dennoch werde er dort von der Polizei schikaniert und fürchte seine Ausweisung.
Ein weiterer Journalist erklärte gegenüber RSF, er habe fliehen müssen, weil er über die Gewalt der Taliban insbesondere gegen Frauen berichtet hatte. “Ich musste mein Land verlassen, um am Leben zu bleiben”, sagte er. Nach seiner Flucht hätten Taliban mehrere Familienangehörige verhaftet – bei einer Rückkehr fürchte er den Tod.
Ein dritter Reporter schilderte gegenüber RSF, sein Leben sei in Gefahr, falls er zurückkehren müsse. Bereits in der Vergangenheit sei er in Afghanistan zwei Mal verhaftet und gefoltert worden.
Verschlechterte Menschenrechtslage
Menschenrechtsorganisationen zufolge hat sich die Situation der afghanischen Bevölkerung seit der Machtübernahme der Taliban drastisch verschlechtert. Millionen Menschen benötigen demnach dringend humanitäre Hilfe. Zudem haben die neuen Machthaber die Rechte von Frauen und Mädchen weiter eingeschränkt.
Auch die Situation von Medienschaffenden hat sich verschlechtert: Laut Menschenrechtlern können sie in Afghanistan nicht mehr kritisch berichten, ohne willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen fürchten zu müssen. Viele Medien haben inzwischen vollständig den Betrieb eingestellt – wer im Land weiter journalistisch tätig ist, muss sich laut RSF an die Regeln der Taliban halten. Auf der von der Organisation veröffentlichten Rangliste der Pressefreiheit belegt das Land nur noch Rang 152 von 180 Staaten.
Auch das UN-Menschenrechtsbüro hatte Ende Oktober gewarnt, bei einer Rückkehr nach Afghanistan seien insbesondere Aktivisten, Medienschaffende, Menschenrechtler, Mitarbeiter der ehemaligen Regierung, ehemalige Sicherheitskräfte sowie Frauen und Mädchen gefährdet. Medienberichten zufolge lebten zuletzt etwa 1,7 Millionen Afghaninnen und Afghanen ohne Papiere in Pakistan – mindestens 600.000 von ihnen sind laut UN-Menschenrechtsbüro vor den Taliban geflohen.
Human Rights Watch hatte in der vergangenen Woche berichtet, seit der Ankündigung der pakistanischen Behörden würden Afghanen im Land zunehmend von der Polizei schikaniert – es komme auch zu willkürlichen Festnahmen.
Die Organisation fordert Länder auf, die eine Aufnahme besonders gefährdeter Afghanen zugesagt haben dazu auf, ihre Verfahren zu beschleunigen – neben den USA, Großbritannien und Kanada zählt dazu auch Deutschland.
Gefährdete Afghanen warten auf Visa
Die Bundesregierung hatte im Oktober 2022 das sogenannte Bundesaufnahmeprogramm angekündigt: pro Monat sollten 10000 besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen nach Deutschland geholt werden. Erst Anfang November hatte das Bundesinnenministerium gegenüber dem ARD-Magazin Monitor jedoch erklärt, bislang seien über das Programm nur 14 Personen eingereist.
Um für das Programm ausgewählt zu werden, müssen Betroffene ein mehrstufiges Auswahlverfahren durchlaufen – und letztlich im deutschen Konsulat in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad vorsprechen. Wie Monitor berichtete, droht nun in Pakistan aber auch Personen eine Abschiebung, die über das Bundesaufnahmeprogramm nach Deutschland kommen sollen. Denn oftmals würden Geflüchtete so lange auf Termine im Konsulat warten, dass ihr pakistanisches Visum abläuft.
RSF fordert daher auch von der Bundesregierung, dass sie “ihrer Verantwortung gerecht wird und Aufnahmeentscheidungen beschleunigt”. (js)