Umweltbundesamt: Luft in Deutschland bleibt gesundheitsgefährdend

Luftmessung
Reifenabrieb ist eine der Hauptverursachen für weiterhin hohe Feinstaubwerte. (Quelle: IMAGO / Arnulf Hettrich)

Trotz besserer Luft in Deutschlands Städten sterben laut Umweltbundesamt (UBA) immer noch zehntausende Menschen pro Jahr an den Folgen von Feinstaub. Die Luft ist an vielen Orten weiterhin so sehr mit Stickoxiden und Feinstaub belastet, dass sie gesundheitsgefährdend wirkt. Das geht aus der Auswertung von Daten aus 600 Messtationen in Deutschland hervor, die das UBA am Donnerstag vorgestellt hat.

Nach Fortschritten in der Luftreinhaltung der vergangenen zehn Jahre sollten in einer zweiten Phase die Gesundheitsgefahren weiter reduziert werden, empfahl der Präsident des Bundesamts, Dirk Messner anlässlich der Präsentation der vorläufigen Auswertung.

Um die Luft zu verbessern, schlug Messner unter anderem einen Abschied vom Heizen mit Holz in Haushalten vor. Die Feinstaubbelastung werde durch Holz stärker vorangetrieben als durch Autos. “Aus Luftqualitätsperspektive richten wir hier viel Schaden an.”

Neue Zielwerte erforderlich

Die Zahl der vorzeitigen Todesfälle wegen dauerhafter Belastung mit Feinstaub bezifferte das Amt auf 53.800 in Deutschland im Jahr 2019. Europaweit waren es mehr als 300.000 Todesfälle. “Das ist eine beachtliche Größenordnung”, sagte Messner.

Die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen Maximalwerte, unter anderem für Feinstaub und Stickstoffdioxid, würden in Deutschland mehrheitlich überschritten. Auch die Europäische Union hält sie nicht ein.

Messner forderte deswegen, an den nationalen und EU-weiten Grenzwerten zu arbeiten. Auch Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) schrieb: “Vor allem aber müssen die gesetzlichen Grenzwerte an die neuen Richtwerte der Weltgesundheitsorganisation angepasst und drastisch herabgesetzt werden.”

“Die größte umweltbezogene Bedrohung”

Erst im September hatte die WHO die empfohlenen maximalen Werte für Stickoxide und Feinstaub nach unten korrigiert. Demnach soll die Stickoxidkonzentration beispielsweise in dichtbesiedelten Gegenden nur noch 10 Mikrogramm pro Kubikmeter betragen (statt ehemals 40); den Grenzwert für Feinstaub (PM 2,5) hatte die WHO von 10 auf 5 Mikrogramm gesenkt. Diese Werte sind laut Organisation die maximal gesundheitlich noch vertretbaren.

Luftverschmutzung sei neben dem Klimawandel eine der größten umweltbezogenen Bedrohungen für die menschliche Gesundheit, hieß es im September. Deutschland überschreitet fast alle diese Maximalwerte. Im Herbst will die EU-Kommission eine Änderung der Luftqualitätsrichtlinie vorschlagen, die sich an die Richtwerte der WHO zumindest annähert.

Die DUH warnte anhand der veröffentlichten Luftqualitätswerte vor einer “beinahe flächendeckend gesundheitsschädlichen Luftbelastung”. Die Organisation rechnet damit, dass die Zahl der WHO-Grenzwertüberschreitungen noch steigen wird, wenn alle finalen Messwerte vorliegen.

Fortschritt in Städten

Dennoch hat sich die Luftqualität in den vergangenen Jahren bereits verbessert, insbesondere auch für die Stadtbewohnerinnen und -bewohner.

So wurde der deutsche Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft nur noch an ein bis zwei Prozent der verkehrsnahen Messstationen überschritten. Allerdings gelten die hiesigen Grenzwerte als veraltet und überschreiten bei Weitem die Empfehlungen der WHO.

2020 waren sechs Städte, 2019 sogar 25 von Überschreitungen der deutschen Stickstoffdioxid-Grenzwerte betroffen – 2021 dürften es weniger als fünf sein. Nach Auswertung der bereits vorliegenden Daten gab es 2021 mindestens in München und Ludwigsburg jeweils eine Messstelle mit Jahresmittelwerten über dem Grenzwert. Die Behörde weist darauf hin, dass nach Auswertung der finalen Daten möglicherweise noch Grenzwertüberschreitungen hinzukommen werden.

Verkehr ist größtes Problem

Hauptverursacher der Stickoxide in Städten ist laut Umweltbundesamt der Straßenverkehr – und hier vor allem Diesel-PKW. Fortschritte seien entsprechend vor allem auf die Dieselkrise zurückzuführen, sagte Messner. Zudem gab es weniger Fahrten in Folge der Corona-Pandemie. Auch das habe in den vergangenen beiden Jahren zum deutlichen Rückgang der Stickstoffdioxid-Konzentrationen beigetragen – ist aber voraussichtlich nicht von Dauer. “Nach Wegfall der Corona-Restriktionen befürchten wir allerdings mit der Zunahme des innerstädtischen Verkehrs auch wieder leicht steigende Belastungen”, kommentierte DUH-Geschäftsführer Resch.

Die Feinstaubbelastung ist laut Auswertung in vielen städtischen Bereichen derzeit etwa so hoch wie vor rund zehn Jahren im ländlichen Raum. Vollständige Daten lägen dazu aber bislang nur bis zum Jahr 2020 vor.

Feinstaub entsteht unter anderem in den Bereichen Energie, Landwirtschaft, Holzverfeuerung und Verkehr. Messner wies darauf hin, dass im Straßenverkehr ein großer Teil des Feinstaubs durch Reifenabrieb verursacht werde. Der Abrieb sei durch Reduzierung des Verkehrs, nicht aber durch Elektrifizierung zu vermindern.

Der Amtspräsident positionierte sich zudem deutlich gegen das Verbrennen von Holz, das in langlebigen Produkten verwendet werden oder im Wald verbleiben solle. Der Wald könne so als Speicher des Treibhausgases Kohlendioxid gestärkt werden. “Am Ende des Tages sollten wir uns verabschieden von der Verbrennung von Holz in unseren Haushalten.” Konkret sprach sich Messner dafür aus, nicht weiter neu in Holzverfeuerung zu investieren.

Die DUH empfahl als Maßnahmen für bessere Luft, Radwege schneller auszubauen und Angebote bei Bus und Bahn zu verbessern sowie Vorgaben zur Minderung von Feinstaub aus Kaminöfen zu verschärfen.

Die Ammoniakkonzentration in der Luft sank in Deutschland zwischen 1990 und 2020 um rund 25 Prozent. Die Emissionen von Feinstaub und Stickoxiden nahmen im selben Zeitraum um rund 60 Prozent beziehungsweise um fast 66 Prozent ab.

Neue Maßnahmen gefordert

Insgesamt werden die bislang ergriffenen Maßnahmen zur Luftreinhaltung nicht ausreichen, um weitere Fortschritte zu erzielen. Das UBA mahnte einen “ambitionierten Klimaschutz” an. Ausdrücklich nannte Messner einen beschleunigten Kohleausstieg bis 2030 und eine zügige Agrarwende mit kleineren Tierbeständen.

Feinstaub kann Entzündungen in der Lunge auslösen – vor allem bei Menschen, die schon eine Vorerkrankung haben. Feinstaub kann auch Lungenkrebs verursachen und auf das Herz-Kreislaufsystem wirken. Stickstoffdioxid ist ein Reizgas, das unter anderem ebenfalls zu Entzündungsvorgängen in der Lunge führen kann. (dpa / hcz)