Polnische Senatoren wollen Spionagesoftware regulieren

Sitzungssaal des polnischen Senats
Sicherheitsforscher haben Hinweise darauf, dass in Polen weitere Personen mit Pegasus überwacht worden sind. (Quelle: The Chancellery of the Senate of the Republic of Poland – CC BY-SA 3.0 PL)

Mitglieder des polnischen Senats arbeiten an einem Gesetz, das den Einsatz von Überwachungstechnologie regulieren soll. Hintergrund sind die Enthüllungen über den Einsatz der Spionagesoftware Pegasus gegen drei Oppositionelle.

Wie The Guardian berichtet, sagte die stellvertretende Senatssprecherin Gabriela Morawska-Stanecka, die Art und Weise wie Pegasus in Polen offenbar eingesetzt wurde, sei völlig unangemessen. Die Spionagesoftware bezeichnete sie als “Cyber-Waffe”. Sie sollte nur bei Ermittlungen wegen “schwersten Verbrechen wie Terrorismus” verwendet werden. “Es sollte nicht der Fall sein, dass man sich in seinem eigenen Haus, seinem eigenen Badezimmer oder seinem eigenen Schlafzimmer nicht mehr sicher fühlen kann.”

Was ist Pegasus?

Pegasus ist eine Spionagesoftware der israelischen Firma NSO Group. Die Spähsoftware kann ein infiltriertes Gerät komplett übernehmen und beispielsweise die Kamera und das Mikrofon unbemerkt anschalten – oder sämtliche Daten kopieren. Auch Standortdaten lassen sich abrufen und Passwörter auslesen. Das Überwachungsprogramm steht seit Jahren im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen in der Kritik.

Morawska-Stanecka ist Mitglied einer Kommission, die den Einsatz von Pegasus in Polen untersucht. Die Untersuchungskommission werde nun an einem Gesetzentwurf arbeiten – Details nannte Morawska-Stanecka noch nicht. Der Guardian schreibt, es gebe nur geringe Chancen, dass ein solches Gesetz vom regierungsgeführten Unterhaus verabschiedet würde. Im Senat hingegen hat die Opposition eine Mehrheit. Eine vom Senat vorbereitete Regelung könnte von einer zukünftigen Regierung verabschiedet werden.

Sicherheitsforscher des Citizen Labs an der Universität Toronto hatten Ende Dezember bestätigt, dass in Polen die Mobiltelefone einer regierungskritischen Staatsanwältin, eines Oppositionsanwalts und des Senatsabgeordneten Krzysztof Brejza mit Pegasus überwacht wurden. Brezja hatte im Jahr 2019 die Kampagne der Oppositionsallianz geleitet; die Regierungspartei PiS hatte die Wahl gewonnen. Weil sein Telefon im Jahr 2019 über 30-mal mit Pegasus infiltriert wurde, vermutet Brezja, dass interne Details zur Wahlkampfstrategie der Opposition abgegriffen wurden und die Wahl nicht fair abgelaufen sei.

Anfang Januar hatte der Präsident des Obersten Rechnungshofs, Marian Banaś, die Existenz einer Rechnung bestätigt, die den Kauf von Pegasus durch polnische Behörden belegen soll. Demzufolge hatte die Zentrale Antikorruptionsbehörde die Spionagesoftware im Jahr 2017 erworben. Dafür sollen illegal Gelder verwendet worden sein, die eigentlich für die Unterstützung von Verbrechensopfern bestimmt waren. Die Behörde hatte den Einsatz von Pegasus nicht bestätigt, aber erklärt, bei einer Überwachung würden die gesetzlich vorgeschriebenen Zustimmungen eingeholt.

Pegasus-Kauf zugegeben

Wenige Tage später hatte der Chef der polnischen Regierungspartei PiS, Jarosław Kaczyński, den Kauf von Pegasus eingeräumt – die Überwachung von Oppositionellen aber dementiert. Der Senat hatte daraufhin die Untersuchungskommission eingerichtet. Der Nachrichtenagentur AP zufolge hat diese jedoch nur geringe Befugnisse: Zeugen können zwar geladen werden, sind aber nicht verpflichtet zu erscheinen. Die Senatoren der PiS hatten gegen die Einrichtung der Kommission gestimmt.

Gabriela Morawska-Stanecka im Senat
Gabriela Morawska-Stanecka ist Teil der Untersuchungskommission zum Pegasus-Einsatz in Polen. (Quelle: IMAGO / newspix)

Vor der Kommission hat John Scott-Railton, Sicherheitsforscher beim Citizen Lab, Mitte Januar ausgesagt, es gebe Hinweise auf weitere Pegasus-Opfer in Polen. Der Chef des Rechnungshofes, Banaś, erklärte zudem, er wolle PiS-Chef Kaczyński vorladen. Banaś sagte auch, er glaube, sein eigenes Mobiltelefon sei ebenfalls ausgespäht worden.

Im Juli hatten die Organisationen Forbidden Stories und Amnesty International sowie mehrere internationale Medien aufgedeckt, wie weltweit Medienschaffende, Menschenrechtler und Oppositionelle mit der Spionagesoftware Pegasus überwacht wurden. Zu den weiteren potenziellen Ausspähzielen sollen Politiker wie der französische Präsident Emmanuel Macron gehören.

Auch ungarische Journalisten wurden überwacht. Der Vorsitzende des Ausschusses für Verteidigung und Strafverfolgung, Lajos Kosa, hatte den Kauf der Spionagesoftware durch das ungarische Bundesinnenministerium im vergangenen November bestätigt.

EU-Sanktionen gefordert

Nach den Enthüllungen hatten die USA im November Sanktionen gegen den Pegasus-Hersteller NSO verhängt. Bereits Anfang Dezember hatten 81 Organisationen – darunter Access Now, Amnesty International, Human Rights Watch und Reporter ohne Grenzen – sowie unabhängige Fachleute die EU aufgerufen, Sanktionen gegen den Pegasus-Entwickler zu verhängen.

Vor zwei Wochen hat zudem die Fraktion Renew Europe im Europäischen Parlament einen Untersuchungsausschuss zum Missbrauch von Pegasus in der EU gefordert. Die niederländische Europa-Abgeordnete Sophie in ’t Veld kritisierte: “Die europäische Demokratie wird untergraben, und die EU sollte entsprechend handeln.” Es gebe eindeutige Anzeichen, dass EU-Regierungen Oppositionelle ausspioniert haben. Die EU-Kommission müsse Sanktionen gegen NSO verhängen. Sie mahnte: “Unsere Demokratie steht auf dem Spiel.” (js)