Russland: Twitter soll Geldstrafe zahlen und bleibt gedrosselt

Twitter
Kritiker sehen in den verhängten Strafen einen Versuch, die Meinungsfreiheit einzuschränken. (Quelle: IMAGO / ITAR-TASS)

Der Kurznachrichtendienst Twitter wurde am Freitag in Russland zu einer Geldstrafe verurteilt. Der US-Konzern soll insgesamt 8,9 Millionen Rubel (rund 99.200 Euro) Strafe zahlen, weil er Mitte Januar Demo-Aufrufe an Minderjährige nicht gelöscht haben soll. Anhänger des Kremlgegners Alexej Nawalny hatten das soziale Netzwerk genutzt, um sich über geplante Proteste auszutauschen.

Die russische Medienaufsicht Roskomnadsor hatte entsprechende Bußgelder gegen soziale Netzwerke bereits Anfang des Jahres angekündigt. Denn Ende Januar waren in zahlreichen russischen Städten Zehntausende Menschen für die Freilassung des populären Oppositionspolitikers Nawalny auf die Straße gegangen, der mittlerweile in einem Straflager inhaftiert ist. Die Justiz wirft unter anderem Nawalnys Mitarbeitern vor, über soziale Medien gezielt Minderjährige zur Teilnahme an den nicht genehmigten Kundgebungen aufgerufen zu haben. Das würde in Russland gegen Gesetze verstoßen.

Proteste unterdrücken

Die Unterstützer Nawalnys wiederum sehen darin einen Vorwand, gegen die Proteste und ihre Organisatoren vorzugehen. Gleiches gilt für die verhängten Geldstrafen gegen Twitter. Dies seien Versuche, das Recht auf Meinungsfreiheit in sozialen Netzwerken einzuschränken. In Russland sind bereits Hunderte Internetseiten gesperrt, darunter auch Seiten von Regierungsgegnern.

Roskomnadsor wirft Twitter vor, auch andere verbotene Beiträge wie Kinderpornografie und Aufrufe zum Suizid nicht gelöscht zu haben. Ob dies zutrifft, ist nicht bekannt – allerdings widersprechen solche Inhalte bereits den Nutzungsbedingungen Twitters. Russland will den Dienst noch bis Mitte Mai einschränken. Das gaben die Behörden am Montag in Moskau bekannt. Twitter-Inhalte wie Fotos und Videos werden seit Wochen in Russland auf viele Geräten nur noch mit geringerer Datengeschwindigkeit übertragen. Textnachrichten sind von der Verlangsamung ausgenommen.

Im März drohte Roskomnadsor Twitter mit weiteren Einschränken bis hin zur kompletten Blockade, sollte der US-Konzern weiterhin gegen Gesetze verstoßen. Nun erneuerte sie diese Drohung, sollte das Unternehmen der Aufforderung aus Russland nicht vollständig nachkommen.

Erfolg der Maßnahmen unbekannt

Bislang seien etwa 1900 von insgesamt 3100 Beiträgen und die meisten Links zu nicht erlaubten Inhalten gelöscht worden, hieß es von Behördenseite. Das Unternehmen habe seine “Geschwindigkeit zum Entfernen verbotener Materialien erhöht”, so Roskomnadsor.

Ob diese Angaben stimmen und in welchem Umfang die sozialen Netzwerke tatsächlich Folge leisten, ist allerdings unklar: Die Medienaufsicht hatte beispielsweise am 23. Januar in einer Mitteilung erklärt, dass die Plattformbetreiber den Anweisungen der Behörden Folge leisteten und 89 Prozent aller beanstandeten Inhalte gelöscht hätten. Die Nachrichtenagentur dpa widersprach damals aber dieser Darstellung und schrieb, dass keine Inhalte gelöscht wurden. Auch Human Rights Watch konnte diese Behauptung nicht unabhängig bestätigen, und forderte in Russland agierende Netzwerke zu Transparenz auf.

Gegen Kritik, für Staatspropaganda

Seit einigen Wochen ist in Russland ein Gesetz in Kraft, das Betreiber sozialer Netzwerke verpflichtet, verbotene Informationen zu suchen und diese zu löschen. Anfang März verteidigte Präsident Wladimir Putin diese Regelungen und wetterte gleichzeitig gegen das Internet: Das Netz werde benutzt, um Kinderpornographie, -prostitution und Rauschgift zu verbreiten, Minderjährige zum Suizid und zu “unerlaubten Straßenaktionen” zu verleiten.

Zusätzlich verabschiedete Moskau Ende Dezember ein Gesetz, das es sozialen Netzwerken verbietet, staatstreue Inhalte zu sperren. Auch hier drohen den Plattformen Geldstrafen von umgerechnet bis zu 33.000 Euro oder eine Sperrung der Seite. Die Gesetze sollen die Social-Media-Plattformen einerseits daran hindern, regierungsfreundliche Propaganda zu löschen und andererseits möglichst viele regierungskritische Inhalte aus der Öffentlichkeit verbannen. (dpa / hcz)