Südafrika: Soziale Netze erlauben frauenfeindliche Werbung

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In Südafrika finden im kommenden Jahr Wahlen statt. Es sei daher wichtiger denn je, dass Journalistinnen ihrer Arbeit nachgehen können, so Global Witness (Symbolbild) (Quelle: IMAGO / Panthermedia)

Die Plattformen Facebook, TikTok, YouTube und X (früher Twitter) haben in Südafrika Werbeanzeigen mit misogyner Hassrede gegen Journalistinnen genehmigt. Darunter waren sogar Mordaufrufe, wie eine neue Untersuchung der Menschenrechtsorganisation Global Witness in Zusammenarbeit mit der südafrikanischen Bürgerrechtsorganisation Legal Ressource Centre zeigt. Die NGOs hatten in diesem Jahr schon einmal einen ähnlichen Test in Südafrika durchgeführt – und sprechen von einem systematischen Problem.

Die Organisationen wollten untersuchen, wie gut die Plattformen Hassrede erkennen. Dafür haben sie bei den Plattformen Werbeanzeigen eingereicht, weil diese nach der Freigabe wieder gelöscht werden können, ohne dass Nutzerinnen und Nutzer sie tatsächlich zu sehen bekommen.

Pro Plattform haben die NGOs 40 Anzeigen eingereicht, deren Texte in Englisch, Afrikaans, Xhosa und Zulu formuliert waren. Nach Angaben von Global Witness haben alle Texte eindeutig gegen die Richtlinien der Plattformen verstoßen – zudem seien es echte Beispiele von Hassreden gewesen, die im Internet kursieren und sich gezielt gegen Journalistinnen richten. Auch Videos waren enthalten, die ebenfalls gegen die Richtlinien der Plattformen verstoßen haben.

Es habe sich um “gewalttätige, sexualisierte und entmenschlichende” Inhalte gehandelt – es sei sogar dazu aufgerufen worden, die Frauen zu töten. Alle Beispiele waren laut den NGOs weder “verklausuliert noch schwer zu interpretieren” gewesen.

Plattformen genehmigen fast alle Inhalte

Nahezu alle eingereichten Beispiele wurden von den Plattformen zur Veröffentlichung freigegeben: Meta und TikTok genehmigten innerhalb von 24 Stunden alle 40 Anzeigen. Auch YouTube genehmigte alle Anzeigen. 21 seien jedoch nach einer automatischen Prüfung als “eingeschränkt” gekennzeichnet worden, sodass sie bei Veröffentlichung nur bestimmten Zielgruppen angezeigt worden wären.

Die Plattform X genehmige ebenfalls fast alle 40 eingereichten Anzeigen. Die Veröffentlichung von zwei englischsprachigen Texten sei zwar gestoppt worden. Die NGOs kritisieren allerdings, dies sei erst geschehen, nachdem sie weitere Tests zum Genehmigungsverfahren der Plattform durchgeführt hätten.

Nach Einschätzung von Global Witness zeigt die Untersuchung, dass die automatisierten Moderationssysteme der Plattformen ihren Zweck nicht erfüllen, weil sie sogar extreme Formen von Hassrede nicht erkennen. Zwar seien solche Systeme für die Moderation in großem Maßstab unerlässlich, sie könnten aber keine Menschen ersetzen.

Facebook-Betreiber Meta bestätigte gegenüber Global Witness, dass die Beispiele gegen die eigenen Richtlinien verstoßen haben. Ein Unternehmenssprecher sagte, “sowohl Maschinen als auch Menschen machen Fehler” – weshalb Inhalte übersehen oder irrtümlich entfernt werden könnten.

Ein TikTok-Sprecher gab an, die Moderationssysteme hätten erkannt, dass die Anzeigen gegen die Richtlinien der Plattform verstoßen hatten – aber bei einer zweiten Überprüfung durch einen Angestellten sei dies fälschlicherweise wieder aufgehoben worden. YouTube und X hätten auf eine Anfrage nicht reagiert.

Hannah Sharpe von Global Witness kritisierte, Frauen seien “ständig und durch frauenfeindliche Angriffe im Internet bedroht”. Die aktuelle Untersuchung zeige, “dass die Plattformen diese Hassrede weiterhin ermöglichen und sogar davon profitieren”. Um Frauen, Minderheiten, die Pressefreiheit und die Demokratie zu schützen, müsse das Geschäftsmodell in Frage gestellt werden. Sharpe kritisierte, die Plattformen seien darauf ausgelegt, “wütende, extreme und hasserfüllte Inhalte zu verbreiten”.

Journalistinnen berichten von Bedrohungen

Global Witness kritisiert, wenn die Plattformen nicht mehr gegen Hassrede unternehmen würden, müssten die Betroffenen entsprechende Beiträge selbst melden – Journalistinnen hätten dies jedoch als aussichtslos beschrieben.

Die südafrikanische Journalistin Ferial Haffajee von der Onlinezeitung Daily Maverick sagte: “Nach 29 Jahren als Journalistin sollte ich mutiger und selbstbewusster denn je sein, aber der Online-Hass und die Bedrohung durch Offline-Gewalt erschöpfen mich und machen mir Angst.” Sie habe versucht, die Meldemechanismen der sozialen Netzwerke zu nutzen und sich sogar direkt an die Unternehmen gewandt – jedoch ohne Ergebnis. “Sie verschließen wissentlich die Augen, während sie die Angriffe auf die Rechte der Frauen und die Medienfreiheit zulassen.”

Auch weitere Journalistinnen berichteten gegenüber Global Witness von frauenfeindlicher Hassrede – die “Teil des Berufs” sei. Laut der NGO stacheln südafrikanische Politiker ihre Anhänger teils sogar an, Journalistinnen zu bedrängen. Das Ziel der Politiker sei es, die Medienschaffenden zum Schweigen zu bringen. Global Witness kritisiert, dies sei eine Bedrohung für die persönliche Sicherheit der Betroffenen sowie für die Meinungs- und Pressefreiheit.

Auch Reporter ohne Grenzen berichtet von Verleumdungskampagnen gegen Medien und verbalen Angriffen gegen Medienschaffende in Südafrika. Einige Politiker würden auch zu Gewalt aufrufen.

Im kommenden Jahr finden in Südafrika Wahlen statt. Global Witness erklärte, die Pressefreiheit sei für den demokratischen Prozess entscheidend – deshalb müssten Journalistinnen in der Lage sein, ohne Angst berichten zu können. Mit Blick auf die anstehenden Wahlen müssten die Plattform-Betreiber jetzt handeln und in ihre Moderationsprozesse investieren sowie Schutzmaßnahmen umsetzen, um Frauenrechte, die Pressefreiheit und die Demokratie zu schützen.

Die Organisation hatte bereits im Sommer einen ähnlichen Test in Südafrika durchgeführt: Facebook, YouTube und TikTok hatten damals fremdenfeindliche Werbung auf ihren Plattformen zugelassen. Auch Aufrufe zur Gewalt gegen Migranten wurden durchgewunken.

Auch in anderen Ländern hat Global Witness bereits solche Untersuchungen durchgeführt: In Brasilien hatte Facebook im vergangenen Jahr beispielsweise Werbung mit falschen und irreführenden Informationen zu den dortigen Wahlen genehmigt. Und in Kenia genehmigte Facebook von den Menschenrechtlern zu Testzwecken eingereichte Mordaufrufe. (js)