Südafrika: Soziale Netzwerke erlauben hasserfüllte Werbung

Protest
Bislang wurden in über zehn weiteren Ländern weltweit ähnlich hassverbreitende Werbeanzeigen bei sozialen Netzwerken eingereicht – immer mit ähnlichem Ergebnis wie in Südafrika. (Quelle: IMAGO / Xinhua)

Facebook, YouTube und TikTok haben in Südafrika Werbeanzeigen auf ihren Plattformen genehmigt, die “extrem hasserfüllte” und gewalttätige Botschaften enthielten – obwohl solche Inhalte eigentlich gegen deren Richtlinien verstoßen. Alle zehn in einem Test eingereichten Anzeigen wurden auf allen drei Plattformen zur Veröffentlichung freigegeben. Durchgeführt hat ihn die Menschenrechtsorganisation Global Witness gemeinsam mit der südafrikanischen Bürgerrechtsorganisation Legal Ressource Centre.

Die Anzeigen wurden auf Grundlage real kursierender Inhalte gestaltet und riefen unter anderem zu massiven Fremdenhass auf, berichtet Global Witness: So wurde die Polizei in den Anzeigen etwa dazu aufgefordert, illegal eingewanderte Ausländer zu töten, zudem wurden Einwanderer als “Krankheit” bezeichnet oder es wurde zur Gewalt gegen diese aufgerufen. Die Werbeanzeigen waren in Englisch, Afrikaans, Xhoso und Zulu formuliert.

“Angesichts der zunehmenden Spannungen in den letzten Jahren und im Vorfeld eines wichtigen Wahljahres für Südafrika im Jahr 2024 sind wir zutiefst besorgt darüber, dass Social-Media-Plattformen hier ihre Menschenrechtsverantwortung vernachlässigen”, kritisierte Sherylle Dass, Regionaldirektorin des Legal Resource Centre. Die Geschichte habe gezeigt, dass Social-Media-Kampagnen zu Gewalt in der realen Welt führen können. Die Plattformen müssten nun Schritte unternehmen, um Existenzgrundlagen und Leben in Zukunft zu schützen.

Zu sehen bekam die Hasswerbung niemand: Die Menschenrechtler zogen die Anzeigen nach der Genehmigung zurück, bevor diese veröffentlicht wurden.

Andere Länder, gleiche Ergebnisse

Die Organisation hat mittlerweile mehr als zehn ähnliche Tests weltweit durchgeführt, um zu untersuchen, wie Social-Media-Unternehmen online Hassbotschaften bekämpfen. Die Untersuchungen fanden unter anderem in Brasilien, Äthiopien, Irland, Kenia und Myanmar statt. “Die Ergebnisse haben jedes Mal gezeigt, dass es eklatante Lücken in der Art und Weise gibt, wie diese Unternehmen die Verbreitung von Hass auf ihren Plattformen erkennen, blockieren und beseitigen”, schreibt die Organisation.

Die Tests in Kenia hatten kurz vor den Wahlen im August 2022 stattgefunden. Global Witness hatte bei Facebook probeweise Werbeanzeigen eingereicht, die inhaltlich klar gegen die Gemeinschaftsstandards der Plattform verstießen. Unter anderem wurden darin bestimmte ethnische Gruppen mit Tieren verglichen – und es wurde zu Enthauptungen aufgerufen. Auch diese Inhalte basierten auf Beispielen von realer Hassrede, die bereits kursieren. Die Anzeigen waren jeweils in den beiden Amtssprachen Swahili und Englisch formuliert.

Die Plattform hatte nur die englischsprachigen Anzeigen beanstandet – allerdings nicht wegen ihrer Inhalte, sondern aufgrund sprachlicher Mängel. Nach kleinen Korrekturen seien auch diese angenommen worden. Meta gelobte nach der Untersuchung Besserung.

Auch die in Brasilien im August 2022 bei Facebook eingereichten Werbeanzeigen – zwei Monate vor der Präsidentschaftswahl – wurden allesamt genehmigt. Sie hatten Falschinformationen enthalten wie ein falsches Wahldatum und hatten den Wahlprozess diskreditiert. Meta hatte daraufhin weitere Kontrollmaßnahmen angekündigt.

Hannah Sharpe, Aktivistin für digitale Bedrohungen bei Global Witness, zeigte sich enttäuscht von den aktuellen Ergebnissen: “Es handelt sich nicht um einen Einzelfall, sondern um ein wiederholtes Versäumnis, ihre eigenen Richtlinien zu Hassreden und der Aufstachelung zu Gewalt auf ihren Plattformen durchzusetzen.” Es wäre zumindest zu erwarten, dass die Plattformen ihre eigenen Richtlinien einhalten. “Sie auf dem Papier zu haben, ist bedeutungslos, wenn sie nicht aktiv durchgesetzt werden. […] Die Nichtdurchsetzung dieser Richtlinien hat reale Auswirkungen und kostet Leben”, so Sharpe weiter.

Aufgeheizte Stimmung

Experten der Vereinten Nationen sahen Südafrika " Mitte 2022 am Abgrund explosiver fremdenfeindlicher Gewalt". Eine Gruppe unabhängiger UN-Menschenrechtsexperten hatte damals über eskalierende Gewalt gegen Ausländer in dem Land berichtet. Sie warnten vor zunehmender Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Hassreden gegen Migranten, Flüchtlinge, Asylbewerber sowie weitere Minderheiten. Das African Centre for Migration & Society berichtet von 15.093 fremdenfeindlich motivierten Vertreibungen, 3040 geplünderten Geschäften und 218 Todesfällen seit 2014.

Einige politische Parteien in dem Land nutzten diese Stimmung zentral in ihrer Wahlkampfstrategie, so Global Witness. Fremdenfeindlichkeit, insbesondere gegenüber einkommensschwachen afrikanischen und südostasiatischen Migranten und Flüchtlingen, sei seit vielen Jahren ein Merkmal der südafrikanischen Politik.

“Der migrantenfeindliche Diskurs hochrangiger Regierungsbeamter hat das Feuer der Gewalt angeheizt, und Regierungsakteure haben es versäumt, weitere Gewalt zu verhindern oder die Täter zur Verantwortung zu ziehen”, hatten die UN-Experten gewarnt. Täter könnten weitgehend mit Straflosigkeit für fremdenfeindliche Rhetorik und Gewalt rechnen.

Unternehmen gestehen Fehleranfälligkeit

Global Witness hat die Betreiber der Plattformen mit den Untersuchungsergebnissen aus Südafrika konfrontiert: Facebook-Betreiber Meta und TikTok erklärten, die eingereichten Anzeigen würden gegen ihre Richtlinien verstoßen und Werbeinhalte würden angeblich mehrere Überprüfungsinstanzen durchlaufen. Dass die Einreichungen dennoch genehmigt wurden, erklärten sie damit, dass ihre Kontrollsysteme nicht perfekt seien – sowohl Maschinen und Menschen würden Fehler machen. TikTok versprach, die Ergebnisse zu untersuchen. Die Moderatoren von Inhalten sprächen Afrikaans, Xhosa und Zulu.

YouTube-Betreiber Google hat nicht auf die Anfrage von Global Witness geantwortet. (hcz)