San Francisco: Polizei greift häufig auf private Kameras zu
Die Polizei in San Francisco macht reichlich von ihrem Recht gebraucht, in Echtzeit auf privat betriebene Überwachungskameras in der Stadt zuzugreifen. Wie das San Francisco Police Department (SFPD) in seinem aktuellen Bericht mitteilt, haben Polizeibeamte in der Zeit zwischen Juli und September 2023 über 193 Stunden Live-Material aus Kameras gesichtet, die nicht von der Stadt betrieben werden.
Unter anderem hat die Polizei auch öffentliche Veranstaltungen live überwacht, wie etwa ein Musik-Festival.
Seit Herbst 2022 ist in San Francisco eine umstrittene Verordnung in Kraft, die der Polizei den Zugriff auf Überwachungskameras erlaubt, die nicht von der Stadt betrieben werden. Die Behörde muss zwar die Kamerabesitzer um Erlaubnis bitten, ein richterlicher Beschluss ist für den Zugriff aber nicht notwendig.
Kritiker hatten in der Vergangenheit bemängelt, das SFPD lege ihre Befugnisse zu weit aus und beobachte beispielsweise auch Proteste und andere Veranstaltungen, die eigentlich unter den Schutz der Meinungs- und Versammlungsfreiheit fallen. Ausnahmen sind nur bei unmittelbarer Gefahr für die öffentliche Sicherheit vorgesehen.
Bürgerrechtsgruppen wie die Electronic Frontier Foundation (EFF) sehen ihre früheren Warnungen durch den neuen Bericht nun bestätigt. “Als das Aufsichtsgremium diese Verordnung verabschiedete, die der Polizei den Live-Zugriff auf private Kameras für strafrechtliche Ermittlungen […] und für Großveranstaltungen ermöglicht, hatten wir davor gewarnt, die Polizei würde diese neu gewonnene Befugnis nutzen, um große Teile der Stadt zu überwachen – und wir hatten leider Recht”, schrieb die EFF in einer Mitteilung vergangene Woche.
Großprojekt mit umstrittenen Erfolg
Als “extremstes” Beispiel im Bericht wertet die EFF die Live-Überwachung des Musik-Festivals Outside Lands, das im August 2023 stattfand. Dieses sei 42 Stunden lang in Echtzeit von der SFPD mit Kameras überwacht worden. Die Maßnahme hätte aber nur zu fünf Verhaftungen wegen Diebstahls und Widerstand gegen die Festnahme geführt; nur in einem Fall wurde Anklage erhoben.
“Trotz der Argumente der Befürworter, dass die Live-Überwachung die Effizienz der Polizeiarbeit fördern würde, führte sie in diesem Fall zu einem massiven Einsatz von Polizeiressourcen, der sich kaum auszahlte”, kritisierte die EFF.
Auch die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) bewertet das Vorgehen der Polizei bei dem Festival als übertrieben. “Es ist ein erstaunliches Beispiel dafür, wie das SFPD eine Veranstaltung mit vielen Menschen sieht und dann einfach einen breiten Zugang zu Kameras fordert”, sagte ACLU-Anwalt Matt Cagle gegenüber der San Francisco Chronicle.
Intransparente Datenlage
Innerhalb von neun Monaten hat die Polizei – den vierteljährlichen Polizeiberichten zufolge – mithilfe der Live-Überwachung zwei Verhaftungen im Zusammenhang mit Morden vorgenommen, elf wegen Gewaltdelikten, Diebstahl oder Behinderung eines Polizeibeamten sowie 52 Verhaftungen im Zusammenhang mit Drogen. In 29 Fällen erhob die Staatsanwaltschaft Anklage, sechs führten bislang zu Verurteilungen.
Dafür hätten sich 103 Polizisten über 250 Stunden Live-Material angeschaut. Von 50 Anfragen an private Kamerabetreiber in neun Monaten wurde nur eine abgelehnt.
Das Büro der Bürgermeisterin von San Francisco, London Breed, ist angesichts der Zahlen davon überzeugt, dass die Live-Überwachung “funktioniert” und zur Bekämpfung der “schlimmsten Verbrechen” in der Stadt beiträgt.
Aktuell versucht Breed die Wählerinnen und Wähler von einer weiteren Verschärfung der innerstädtischen Überwachung zu überzeugen. Sie schlägt unter anderem vor, mehr öffentliche Überwachungskameras zu installieren sowie Drohnen und Gesichtserkennungstechnologie zur Verbrechensbekämpfung einzusetzen. Die Bürgerinnen und Bürger sollen über den Vorschlag am 5. März abstimmen.
Die ACLU kritisierte gegenüber dem San Francisco Chronicle den weiteren Ausbau der Überwachung, während die Standards bei den Berichtspflichten sinken oder gar nicht eingehalten würden. Auch würde die Polizei Informationen in ihren Berichten vorenthalten, zu deren Angabe sie eigentlich verpflichtet sei. Die Quartalsberichte enthielten beispielsweise keine Angaben darüber, warum Zugang zu privaten Kameras angefordert wurde, und ob die Bilder genutzt wurden, um Anklage zu erheben beziehungsweise ob diese erfolgreich waren. Deswegen bleibe weiterhin unklar, wie wirksam der Zugriff auf die privaten Kameras bei der Verbrechensbekämpfung in San Francisco wirklich ist.
Zudem gibt es laut den Bürgerrechtlern Unterschiede, wo Kamerazugriff angefordert wird. “Einkommensschwache, farbige Gemeinden werden eher überwacht als weiße Gemeinden. Und wie die Aufzeichnungen zeigen, ist das SFPD bereit, die Kameras auf alles zu richten, von Konzerten bis zu Protesten gegen Polizeigewalt”, sagte Cagle gegenüber dem Chronicle. (hcz)