San Francisco: Polizei wollte Proteste mit privaten Kameras überwachen
Strafverfolger in San Francisco wollten im Januar eine Demonstration gegen Polizeigewalt mithilfe privater Kameras überwachen. Bürgerrechtler kritisieren, die Aktivisten seien damit dem Risiko von Repressalien ausgesetzt gewesen. Sie hatten das San Francisco Police Department (SFPD) wegen der Überwachung von Demonstrierenden bereits in der Vergangenheit verklagt.
Wie die Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) berichtet, hatte die Polizei den Zugriff auf Überwachungskameras im zentralen Einkaufsviertel Union Square für den 27. Januar bei den Betreibern der Kameras beantragt. Das geht aus Dokumenten hervor, die die Organisation per Informationsfreiheitsanfragen angefordert hatte.
Für dieses Datum waren in San Francisco Proteste gegen Polizeigewalt angekündigt worden. Anlass war der Tod des schwarzen Mannes Tyre Nichols in Folge einer Verkehrskontrolle in Memphis im US-Bundesstaat Tennessee. Die beteiligten Polizisten wurden inzwischen aus dem Dienst entlassen und angeklagt.
Die Polizei wollte aufgrund der Proteste für zwölf Stunden lang Live-Zugriff auf die privaten Überwachungskameras und begründete dies mit “potenziellen zivilen Unruhen”. Laut EFF sind in dem Viertel rund 450 Überwachungskameras installiert, die von dem Gewerbetreibenden-Verband Union Square Alliance betrieben werden. Der Verband hatte dem Kamerazugriff zugestimmt.
Gegenüber der Nachrichtenseite San Francisco Standard erklärte die Polizei nun, Beamte hätten letztlich nicht auf die Kameraaufnahmen zugegriffen.
Doch die EFF kritisiert, die Möglichkeit zur Überwachung könne Menschen von der Teilnahme an Protesten abhalten. Die Demonstration im Januar sei friedlich verlaufen – dennoch habe die Polizei die Kameraaufnahmen präventiv nutzen wollen. Laut San Francisco Standard befürchten die Bürgerrechtler, die Polizei könnte künftig routinemäßig die Überwachung von Demonstrationen planen, selbst wenn es keine Hinweise auf Straftaten gibt.
Umstrittene Regelung
Seit Herbst 2022 gilt in San Francisco eine umstrittene Verordnung, die der Polizei den Zugriff auf private Überwachungskameras erlaubt. Die Behörde muss zwar die Kamerabesitzer um Erlaubnis bitten, ein richterlicher Beschluss ist für den Zugriff aber nicht notwendig.
Die EFF kritisiert jedoch, das SFPD lege die Verordnung zu weit aus. Denn diese verbiete den Kamerazugriff eigentlich in Verbindung mit Aktivitäten, die unter den ersten Zusatzartikel der US-Verfassung fallen. Dieser garantiert unter anderem die Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Ausnahmen seien nur bei einer unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit vorgesehen. Anlässlich der Demonstration im Januar hätte die Polizei aber nicht nachgewiesen, dass eine solche Gefahr bestanden hätte.
Die EFF hatte bei der Verabschiedung der Verordnung gewarnt, der Polizei sei auch die Überwachung von nur vage definierten “bedeutenden Ereignissen” erlaubt – was zur Überwachung von Protesten führen könne.
Die Verordnung wurde Ende September 2022 vom Verwaltungsrat verabschiedet und ist zunächst 15 Monate lang gültig. Kritiker hatten damals auch eine Abkehr von der bisherigen Haltung der Verwaltung zu Überwachungstechnologien bemängelt. So hatte San Francisco im Jahr 2019 beispielsweise noch ein Verbot von Gesichtserkennung erlassen.
Bereits im Jahr 2020 – also vor Verabschiedung der Verordnung – soll die Polizei in San Francisco mehrere Proteste mithilfe privater Kameras in Union Square überwacht haben. Anlass für die Demonstrationen war damals die Ermordung des schwarzen US-Amerikaners George Floyd durch Polizisten. Die EFF und die American Civil Liberties Union haben die Behörde daraufhin verklagt. In erster Instanz hatte ein Gericht zugunsten der Behörde entschieden – das Berufungsverfahren ist jedoch weiter anhängig.
Seit Jahresbeginn soll die Polizei auch im Zusammenhang mit Drogenhandel und Hehlerei auf private Überwachungskameras zugegriffen haben, berichtet San Francisco Standard.
US-Städte bauen Videoüberwachung aus
Erst kürzlich hatten Recherchen der EFF und der Thomson Reuters Foundation ergeben, dass Kommunen in den USA ihre Videoüberwachung ausbauen. Mehr als 60 Städte und Landkreise setzen demnach die Plattform des US-Unternehmens Fusus ein, in die auch private Überwachungskameras eingebunden werden können. In einigen Städten würde die Polizei aktiv dafür werben, dass beispielsweise Ladenbesitzer der Polizei den Zugriff auf ihre Kameras ermöglichen.
Die EFF hatte kritisiert, durch die Fusus-Plattform würden die polizeilichen Möglichkeiten zur Überwachung noch erweitert – so könnten auch Unverdächtige beobachtet werden.
Bereits im Jahr 2022 hatte das Technikmagazin Wired berichtet, Polizeibehörden in mehreren US-Städten könnten zunehmend auch auf private Überwachungskameras zugreifen. Bürgerrechtler hatten damals ebenfalls gewarnt, die Polizei könne so Proteste und marginalisierte Gruppen überwachen. (js)