Saudi-Arabien verhaftet Kritiker nach Social-Media-Kommentaren

Flagge Saudi-Arabiens
Amnesty International zufolge wurden im Jahr 2022 mindestens 15 Menschen in Saudi-Arabien wegen Meinungsäußerungen in sozialen Medien verurteilt. (Quelle: IMAGO / imagebroker)

Der Guardian berichtet über mehrere Fälle, in denen im Jahr 2022 Menschen in Saudi-Arabien festgenommen wurden, weil sie das Regime unter Kronprinz Mohammed bin Salman in sozialen Netzwerken wie Snapchat kritisiert hatten. Die Zeitung beruft sich auf Gerichtsunterlagen.

Dem Guardian zufolge wurde die 29-Jährige Manahel al-Otaibi bereits im November verhaftet. Demnach hatte sie auf Snapchat und Twitter soziale Reformen im Königreich begrüßt, aber auch für mehr Grundrechte geworben. Die Behörden würden ihr nun vorwerfen, einen Hashtag genutzt zu haben, um das Ende der männlichen Vormundschaft in dem Land zu fordern.

Frauen benötigen beispielsweise weiterhin die Erlaubnis eines männlichen Vormunds, um heiraten zu dürfen.

Fall soll vor Sonderstrafgericht verhandelt werden

Nach Angaben der Nachrichtenagentur AP werfen die Behörden ihr unter anderem vor, “zur Rebellion gegen die öffentliche Ordnung und die Traditionen und Bräuche der Gesellschaft” aufgerufen zu haben. Ihr Fall soll vor dem saudischen Sonderstrafgericht für terroristische Straftaten verhandelt werden, das teils auch Anklagen gegen Aktivistinnen und Aktivisten verhandelt.

Dem Bericht zufolge hatte sie vor ihrer Verhaftung außerdem ein Foto von sich auf Snapchat gepostet. Weil sie darauf nicht das traditionelle Gewand Abaya getragen habe, werfen ihr die Behörden vor, “unsittlich” gekleidet gewesen zu sein.

Laut Guardian hatte die 29-Jährige das fragliche Bild als “privat” markiert, sodass es eigentlich nur ausgewählte Kontakte sehen konnten. Wie die Behörden an das Bild gelangt sind, ist dem Bericht zufolge unklar. Snapchat erklärte auf Anfrage der Zeitung, es habe in dem Fall keine Anfrage der saudischen Behörden gegeben und das Unternehmen habe auch keine “privaten Nutzerdaten mit der saudischen Regierung geteilt”.

Derzeit befinde sich al-Otaibi in Haft; sie sei aber noch nicht verurteilt worden.

27 Jahre Haft

Lina al-Hathloul von der Menschenrechtsorganisation ALQST sagte gegenüber dem Guardian: “Al-Otaibis Fall ist ein weiteres Beispiel für die leeren Versprechen Saudi-Arabiens, wenn es um Reformen geht. Noch immer werden saudische Frauen inhaftiert und müssen Scheinprozesse über sich ergehen lassen, weil sie ihre Rechte einfordern oder einfach nur denken, dass sie jetzt frei sind, anzuziehen was sie wollen.”

Zu Festnahmen kam es aber auch in Fällen ohne Bezug zu Frauenrechten: Der Influencer Rahaf Al-Qahtani wurde laut Guardian verhaftet, nachdem er auf Snapchat Kommentare veröffentlicht haben soll, die als beleidigend für die Bevölkerung der Malediven angesehen wurden. Damit habe er angeblich gegen ein saudisches Gesetz verstoßen, das die Beschädigung von Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und seinen Verbündeten verbietet.

Der Snapchat-Influencer Mansour Al-Raqiba wurde sogar zu 27 Jahren Haft verurteilt. Er sei im Mai 2022 verhaftet worden, nachdem er online Kritik am saudischen Wirtschaftsplan “Vision 2030” angedeutet hatte und daraufhin erpresst worden war.

Warnung im Fernsehen

Laut Bericht hatte ein staatlicher Fernsehsender im April zudem ein Interview mit einem Mann ausgestrahlt, der wegen eines Tweets im Gefängnis sitzt. Der nur als Silhouette gezeigte Mann erklärt darin, seinen “beleidigenden” Beitrag zu bereuen. Saudische Dissidenten werteten den Fernsehbeitrag als “klare Warnung”, keine Kritik zu veröffentlichen.

Bereits im vergangenen Jahr waren zwei Fälle bekannt geworden, in denen Frauen wegen ihrer Aktivitäten in den sozialen Netzwerken zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden. So wurde Salma al-Schihab im August 2022 von einem Sonderstrafgericht zu 34 Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie sie auf Twitter Frauenrechtsaktivistinnen folgte und deren Beiträge geteilt hatte. Auch sie hatte Forderungen unterstützt, das System männlicher Vormundschaft von Frauen in Saudi-Arabien zu beenden.

Wenig später wurde Nura al-Kahtani wegen ihrer Aktivitäten auf Twitter zu 45 Jahren Gefängnis verurteilt. Menschenrechtler hatten damals gewarnt, weitere Urteile könnten folgen.

Anlässlich des Saudi-Arabien-Besuchs von US-Außenminister Antony Blinken in dieser Woche forderte die von dem ermordeten Dissidenten Jamal Khashoggi gegründete Organisation DAWN, Blinken müsse mehrere Menschenrechtsthemen ansprechen, wie etwa die Verfolgung und Inhaftierung von Personen, die in den sozialen Medien Kritik äußern. Das Sonderstrafgericht habe im vergangen Jahr “übermäßig harte Strafen” gegen Nutzerinnen und Nutzer verhängt.

Laut Amnesty International wurden im Jahr 2022 mindestens 15 Menschen verurteilt, weil sie unter anderem auf Twitter ihr Recht auf Meinungsfreiheit ausgeübt hatten. Es handle sich sowohl um saudische als auch ausländische Staatsangehörige, die nach “grob unfairen” Verfahren zu Haftstrafen zwischen 15 und 45 Jahren verurteilt wurden. (js)