Schottische Schulen verzichten vorerst auf Gesichtserkennung

Britische Schulkantine
Die Firma hinter dem Erkennungssystem hatte ursprünglich angekündigt, der Einsatz sei an insgesamt 65 Schulen geplant.(Quelle: IMAGO / agefotostock)

Erst in der vergangenen Woche hatten neun Schulen im schottischen North Ayrshire Gesichtserkennung in ihren Kantinen eingeführt. Nun wurde das Projekt vorerst ausgesetzt. Auch eine Schule in England hat sich entschieden, die Erkennungstechnik nicht mehr einzusetzen.

Schülerinnen und Schüler an den betroffenen Schulen konnten seit Montag vergangener Woche per Gesichtserkennung für ihr Mittagessen bezahlen. Doch am Freitag gab der Gemeinderat von North Ayrshire auf Twitter bekannt, das Zahlungssystem vorerst wieder abzuschalten. Man habe eine Reihe von Anfragen bezüglich der Gesichtserkennung erhalten, die nun geprüft und beantwortet werden sollen.

Die britische Datenschutzbehörde ICO hatte zuvor angekündigt, den Einsatz der Technik mit dem Gemeinderat besprechen zu wollen. Die Behörde hatte darauf hingewiesen, dass das Datenschutzrecht Kinder besonders schützt. Wenn möglich, solle auf Gesichtserkennung verzichtet werden. Werde die Erkennungstechnik verwendet, müsse das Datenschutzgesetz eingehalten werden.

Der Gemeinderat teilte mit, vorerst sollen alle Schülerinnen und Schüler weiter eine Geheimnummer (PIN) für Zahlungen in den Schulkantinen verwenden. Diese war auch als Alternative vorgesehen, wenn Eltern oder Kinder der Gesichtserkennung nicht zustimmen wollten.

Kinder als “Versuchskaninchen”

Die auf die digitalen Rechte von Kindern spezialisierte Organisation Defend Digital Me begrüßte die Entscheidung. Auf Twitter schrieb sie: “Hoffen wir, dass diese Entscheidung von Dauer ist.” Die Geschäftsführerin der Organisation, Jen Persson, kritisierte den Einsatz von Gesichtserkennung in Schulen gegenüber der BBC: Kinder würden als Versuchskaninchen für eine Technologie verwendet, die stark in die Privatsphäre eingreife.

Gesichtsbilder sind biometrische Daten. Diese Daten sind besonders sensibel, da sie sich nicht verändern lassen. Personen können so ein Leben lang über sie identifiziert werden.

Wie die BBC berichtet, hat in Folge der Vorkommnisse die Great Academy Ashton in Ashton-under-Lyne in der Nähe von Manchester beschlossen, die Einführung eines Gesichtserkennungssystems komplett einzustellen. Nach Angaben des Schuldirektors waren die Äußerungen der Datenschutzbehörde Auslöser dafür. Allerdings will die Schule weiter Fingerabdrücke für Zahlungen in der Kantine verwenden – auch dabei handelt es sich um sensible biometrische Daten.

Kritik an Gesichtserkennung in Schulen

Im Vorfeld hatte es scharfe Kritik an der Gesichtserkennung in Schulen gegeben: Silkie Carlo von der Bürgerrechtsorganisation Big Brother Watch hatte dem Guardian erklärt, es handle sich um hochsensbile, persönliche Daten – Kindern sollte beigebracht werden, diese zu schützen. Sie hatte weiter kritisiert: “Kein Kind sollte Kontrollen wie an der Grenze durchlaufen müssen, nur um eine Schulmahlzeit zu bekommen.” Die Organisation bezeichnete den vorläufigen Stopp der Gesichtserkennung auf Twitter als “fantastische Neuigkeiten”.

Auch Fraser Sampson, Beauftragter für Biometrie und Überwachungskameras in England und Wales, hatte den Einsatz von Gesichtserkennung als heikel bezeichnet – es bestehe die Gefahr einer “Normalisierung” der Verwendung biometrischer Daten.

Defend Digital Me hatte Gesichtserkennung als “übermäßigen Eingriff in das Recht der Kinder auf Schutz ihrer Privatsphäre” bezeichnet. In einer demokratischen Gesellschaft sei dieser “nicht notwendig”. Nach Angaben des Gemeinderates hatten 97 Prozent der Kinder oder ihre Eltern eingewilligt, das neue System zu nutzen. Defend Digital Me hingegen hatte erklärt, das Gesichtserkennungssystem sei wahrscheinlich rechtswidrig.

Im Jahr 2018 hatte eine schwedische Schule ebenfalls Gesichtserkennung verwendet, um die Anwesenheit von Schülerinnen und Schülern zu kontrollieren. Auch in Frankreich hatte es ähnliche Projekte gegeben. Die zuständigen Datenschutzbehörden hatten die Überwachungstechnik aber jeweils wieder gestoppt. Demnach sei die Einwilligung von Schülern oder Eltern keine angemessene Rechtsgrundlage für die Verarbeitung biometrischer Daten gewesen. Die schwedische Behörde hatte festgestellt, dass durch das Machtungleichgewicht zwischen Schülern und Schule Druck ausgeübt werden könne, um den Einsatz der Gesichtserkennungstechnologie zu akzeptieren. Ein französisches Gericht hatte im Jahr 2020 ähnlich argumentiert. (js)