Smart Cities: "Traum von Diktatoren"

Überwachungskameras
Überwachungsprojekte im öffentlichen Raum erleichtern es laut Acces Now, abweichende Meinungen zu unterdrücken. (Quelle: Pixabay)

Eine sogenannte Smart City sammelt Daten im öffentlichen Raum, um das urbane Leben zu verwalten. So laute jedenfalls das Versprechen von Regierungen und Technologiefirmen, kritisiert die Bürgerrechtsorganisation Access Now. Sie warnt, die Technologien ließen sich zu Überwachungszwecken missbrauchen. Insbesondere in autoritären Regimen und Diktaturen bedrohten solche Projekte die Grundrechte. Das Konzept der Städte beruhe darauf, massenhaft persönliche Daten zu erfassen – häufig ohne das Wissen oder die Zustimmung Betroffener.

Exemplarisch verweist die Organisation auf zwei Projekte für vernetzte Städte in Ägypten und Saudi-Arabien – zwei Ländern, deren Menschenrechtssituation in der Kritik steht.

Access Now berichtet, in Ägypten entstehe derzeit eine neue Verwaltungshauptstadt. Der noch namenlose Ort wird in der Nähe von Kairo errichtet. Dort sollen beispielsweise Ministerien, Behörden, Finanzinstitutionen und auch ausländische Botschaften angesiedelt werden. Das Projekt wurde bereits im Jahr 2015 offiziell angekündigt.

In Zukunft sollen etwa 6,5 Millionen Menschen in der Stadt leben. Auf der Internetseite des Projektes wird die Stadt unter anderem als sicher angepriesen – weil in Zukunft Überwachungskameras und Kontrollsensoren alle Stadtteile erfassen. Medienberichten zufolge ist geplant, etwa 6000 Kameras in der Stadt zu installieren. In einem Kontrollzentrum sollen die Bilder der Kameras zusammenlaufen – Ziel sei es auch, “verdächtige Aktivitäten” zu erkennen. Ägypten plane außerdem, weitere solche Städte zu bauen.

Drohnen und Gesichtserkennung in Saudi-Arabien

Auch Saudi-Arabien errichte eine Planstadt namens Neom – der erste Teil soll bis zum Jahr 2025 fertiggestellt sein. Das gesamte Projekt im Nordwesten des Landes soll etwa 500 Milliarden US-Dollar kosten.

Das Wall Street Journal hatte bereits im Jahr 2019 aus internen Planungsdokumenten zitiert. Während einige der beschriebenen Techniken an Science-Fiction-Romane erinnerten, wurde das Projekt in den Dokumenten auch als “automatisierte Stadt” beschrieben, in der sich “alles überwachen” lässt. Kameras, Drohnen und Gesichtserkennung sollen demnach Menschen überall beobachten können.

Laut Access Now sollen die Bewohnerinnen und Bewohner von Neom auch eindeutige Identifizierungsnummern zugewiesen bekommen. Damit ließen sich Daten verknüpfen, die über sie gesammelt werden – beispielsweise Bankdaten und mittels Gesichtserkennungssystemen in der Stadt erfasste Daten. Access Now warnt vor einer solchen “digitalen Identität”. Es bleibe unklar, wie die Rechte der Betroffenen geschützt werden. Menschen könnten komplett überwacht werden, während die angeblichen Vorteile unklar blieben.

Überwachung bedroht Menschenrechte

Projekte, wie sie in den beiden Ländern geplant sind, beschreibt die Organisation als den “Traum von Diktatoren” – und warnt, sie bedrohten die Menschenrechte. Selbst wenn es Datenschutzgesetze gebe, seien diese möglicherweise nicht wirksam. Vielmehr bestehe das Risiko, dass Regierungen die Daten zur Überwachung ihrer Bürger missbrauchten. Insbesondere, da die Situation der Menschenrechte in beiden Staaten schlecht sei: Organisationen wie Human Rights Watch berichten beispielsweise, in beiden Ländern würden abweichende Meinungen unterdrückt.

In Ägypten – wo sich President Abd al-Fattah as-Sisi im Jahr 2013 an die Macht geputscht hat – lösen Sicherheitskräfte laut Amnesty International die seltenen Proteste auf und verhaften Demonstrierende. In Saudi-Arabien befanden sich nach Angaben der Organisation Ende 2020 alle bekannten Menschenrechtler in Haft.

Beide Länder seien dafür bekannt, ihre Einwohner zu überwachen, so Access Now. Wenn gesamte Städte überwacht würden, ließen sich kritische Meinungen noch weiter unterdrücken.

Verändertes Verhalten als Folge

Zudem könne allgegenwärtige Überwachung zu Selbstzensur führen. Access Now kritisiert, es bestehe nicht nur das Risiko, dass Details aus dem Privatleben der Bürger öffentlich werden. Vielmehr könnten Behörden die Daten auch manipulieren – und somit Kontrolle ausüben. Weil Menschen Schikane, Verfolgung oder Haft drohe, könnten sie abgeschreckt werden, etwa an Demonstrationen teilzunehmen.

Access Now weist zudem auf das Risiko eines IT-Angriffs hin: Insbesondere, wenn die gesammelten Daten zentral gespeichert sind, könnten sie in die falschen Hände gelangen. Angreifer könnten so beispielsweise Zugriff auf sensible und unveränderliche biometrische Daten bekommen. Für Betroffene hätte dies weitreichende Folgen: Sie können ihr Leben lang über diese Daten identifiziert werden. Dieses Risiko besteht generell bei solchen Datensammlungen – nicht nur in autoritären Staaten.

Dort bedrohten “Smart Cities” auch die Lebensgrundlage von Menschen. Häufig handle es sich um Prestigeprojekte, die als Aushängeschild für Regime dienen sollen. So seien in Saudi-Arabien Menschen vertrieben worden, um Platz für die neue Stadt Neom zu schaffen. Proteste gegen die Umsiedlung wurden gewaltsam aufgelöst – ein Bürger, der sich geweigert hatte umzuziehen, sei hingerichtet worden.

Aber nicht nur in Städten in Ägypten und Saudi-Arabien kommen Technologien zum Einsatz, die auch zur Überwachung missbraucht werden können. In Shanghai beispielsweise werden weite Teile des öffentlichen Lebens überwacht und auch in New York kommen Überwachungstechnologien zum Einsatz.

Allgegenwärtige Überwachung müsse nirgends auf der Welt akzeptiert werden, konstatiert Access Now. Die Organisation ruft daher dazu auf, sich gegen Überwachung und für ein Verbot von biometrischer Überwachung einzusetzen. (js)