Studie: Klimawandel setzt Weltwirtschaft zu
Die Weltwirtschaft droht einer neuen Berechnung zufolge durch Folgen der Erderwärmung bis Mitte des Jahrhunderts um rund ein Fünftel zu schrumpfen – und das sogar, wenn der Ausstoß klimaschädlicher Gase künftig drastisch gesenkt würde. Andernfalls sind noch deutlich größere wirtschaftliche Schäden als jene 38 Billionen US-Dollar pro Jahr zu erwarten, wie Forschende des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) in einer am Mittwoch im Fachjournal Nature veröffentlichten Studie berechnet haben.
Diese Schäden würden damit sechsmal höher ausfallen als die veranschlagten Kosten für Klimaschutzmaßnahmen zur Begrenzung der Erderwärmung auf maximal zwei Grad, teilten die Autorinnen und Autoren mit.
“Diese Verluste werden durch unterschiedlichste wirtschaftsrelevante Wirkungen des Klimawandels verursacht, wie zum Beispiel Folgen für landwirtschaftliche Erträge, Arbeitsproduktivität oder Infrastruktur”, sagte PIK-Forscher und Erstautor der Studie Maximilian Kotz. Die Schäden resultierten hauptsächlich aus dem Temperaturanstieg, aber auch aus Veränderungen bei den Niederschlägen und der Temperaturvariabilität. Die Berücksichtigung anderer Wetterextreme wie Stürme oder Waldbrände könnte sie noch weiter erhöhen.
Für die Berechnung haben die Forscherinnen und Forscher Daten der vergangenen 40 Jahre aus mehr als 1600 Regionen ausgewertet und untersucht, wie Wetterextreme das Wirtschaftswachstum beeinflusst haben. Auf Basis von Klimamodellen errechneten sie, wie sich diese voraussichtlich in den kommenden 26 Jahren wirtschaftlich auswirken werden.
Ungleiche Verteilung der Schäden
Je nach Region fallen die erwarteten Schäden sehr unterschiedlich aus. Die ärmsten und am wenigsten für den Klimawandel verantwortlichen tropischen Länder werde es am schwersten treffen, heißt es in der Studie. Dort würden die Einkommensverluste voraussichtlich 60 Prozent höher ausfallen als in den Ländern mit höherem Einkommen. Auch verfügten diese Staaten über die wenigsten Ressourcen, um sich an die Klimafolgen anzupassen. Weitere Studien hatten bereits gezeigt, dass die in den ärmeren Ländern lebenden Menschen auch gesundheitlich am stärksten unter den steigenden Temperaturen leiden werden.
Für die meisten Weltregionen werden hohe Einkommensverluste prognostiziert, wobei Südasien und Afrika am stärksten betroffen sind. Weil es dort bereits wärmer ist, wirke sich dort der Klimawandel am deutlichsten aus. Aber auch für Nordamerika und Europa werden hohe Einkommensverluste prognostiziert. Für Deutschland sagen die Forscher – ebenso wie für die USA – bis zur Mitte des Jahrhunderts ein Schrumpfen der Wirtschaft um 11 Prozent voraus, verglichen mit einem Szenario ohne Klimafolgen.
Die Angaben beziehen sich auf ein Szenario, bei dem es gelingt, auf einen Pfad zu kommen, mit dem die Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf unter zwei Grad Celsius begrenzt werden kann. Die bisherigen Klimaschutzpläne reichen dafür nach Angaben der Vereinten Nationen bislang nicht aus.
Klare Lösungen
Forscherin Leonie Wenz wies darauf hin, dass die erwarteten Schäden Folgen der bereits ausgestoßenen Treibhausgase seien. Um diese abzufedern, brauche es Anpassungsmaßnahmen. “Zusätzlich müssen wir unsere CO2-Emissionen drastisch und sofort reduzieren”, sagte Wenz.
Ihr Kollege Andreas Levermann ergänzte: “Die Temperatur des Planeten kann nur stabilisiert werden, wenn wir aufhören Öl, Gas und Kohle zu verbrennen.” Andernfalls würden die wirtschaftlichen Verluste in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts noch höher sein und bis Ende des Jahrhunderts im globalen Durchschnitt bis zu 60 Prozent betragen.
Die aktuellen Berechnungen des Potsdamer Teams liegen erstaunlich nahe an den als Stern-Report bekannten Prognosen, die der Wirtschaftswissenschaftler Nicholas Stern schon vor knapp 20 Jahren im Auftrag der britischen Regierung errechnete: Durch den Klimawandel drohe der internationalen Wirtschaft ein Rückgang um rund 20 Prozent, hieß es in der 2006 vorgestellten Studie. Das Fazit lautete schon damals: Klimaschutz sei zwar teuer – kein Klimaschutz aber noch viel teurer. (dpa / hcz)