Türkei verhängt Geldstrafen gegen soziale Medien
Die Türkei hat gegen Anbieter wie Facebook, Instagram, Twitter, Periscope, YouTube und TikTok eine Strafe von umgerechnet jeweils etwa 1 Million Euro verhängt. Hintergrund ist ein neues Gesetz zur stärkeren Regulierung sozialer Medien.
Das “Gesetz gegen Internetverbrechen” verpflichtet die Anbieter unter anderem dazu, Niederlassungen in der Türkei mit einem türkischen Staatsbürger als Vertreter zu eröffnen. Innerhalb der vorgegebenen Frist sei dies nicht geschehen, teilte der stellvertretende Minister für Verkehr und Infrastruktur, Ömer Fatih Sayan, auf Twitter mit.
Das Parlament hatte das Gesetz im Juli verabschiedet. Plattformen mit mehr als einer Million Nutzer in der Türkei pro Tag müssen seitdem türkische Ansprechpartner benennen. Möglich ist auch die Vertretung durch eine juristische Person. Außerdem müssen die Anbieter innerhalb von 48 Stunden auf Anfragen zur Löschung oder Änderung bestimmter Inhalte reagieren und Nutzerdaten in der Türkei speichern. Andernfalls drohen Geldstrafen und Einschränkungen der Dienste in der Türkei. Werden Inhalte nicht entfernt, sollen die Webseiten innerhalb von vier Stunden blockiert werden.
Weitere Strafen drohen
Die nun verhängte Geldstrafe sei der erste von fünf Schritten, schrieb Sayan. Wenn die Anbieter sich auch innerhalb der nächsten 30 Tage nicht an das Gesetz hielten, werde eine Strafe von umgerechnet etwa 3 Millionen Euro verhängt. Anschließend dürfen türkische Firmen nicht mehr auf den Plattformen werben. Im nächsten Schritt folge eine Reduzierung der Bandbreite um 50 Prozent. Im letzten Schritt werde die Verbindungsgeschwindigkeit um 90 Prozent reduziert, womit sie fast unnutzbar werden.
Das Gesetz war bereits im Vorfeld kritisiert worden: Die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) hatte geschrieben, die Regierung wolle nun auch die sozialen Medien kontrollieren. Sie seien der einzige Ort, wo Journalistinnen und Journalisten noch vergleichsweise frei berichten können. Laut ROG wurde schon die 2007 in Kraft getretene Ursprungsversion des Gesetzes dazu genutzt, unabhängige Online-Medien zu zensieren.
Bei der Überarbeitung will sich die Regierung immer wieder auf das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) bezogen haben, das hierzulande 2018 in Kraft trat. ROG-Geschäftsführer Christian Mihr hatte diesen Umstand im Juli kritisiert: “Nun passiert auch in der Türkei genau das, wovor wir von Anfang an gewarnt haben: Autoritäre Regime erlassen Gesetze zur Kontrolle von Social-Media-Plattformen und berufen sich dabei unter anderem auf das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz.”
Türkische Medien stehen zum Großteil unter direkter oder indirekter Kontrolle der Regierung; auch die Kontrolle über Inhalte im Internet wurde immer wieder verstärkt. Bis Januar war beispielsweise die Online-Enzyklopädie Wikipedia zwei Jahre lang nicht zugänglich. Die Regierung geht wegen regierungskritischer Inhalte im Internet auch regelmäßig gegen Nutzerinnen und Nutzer vor und verhängt lange Gefängnisstrafen. (dpa / js)