Telegram sperrt Verschwörungs-Kanäle in Deutschland

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Der Messenger Telegram ist bei Verschwörungsgläubigen besonders beliebt, weil Inhalte nicht moderiert und Kanäle kaum kontrolliert werden. (Quelle: Posteo)

Telegram hat mehrere Kanäle mit Verweis auf Verstöße gegen deutsche Gesetze gesperrt. Betroffen sind mehrere Kanäle des rechtsextremen Verschwörungsideologen Attila Hildmann. Seine Inhalte sind für Nutzerinnen und Nutzer in Deutschland nicht mehr zu erreichen – weder in der Telegram-App, noch von der Desktop-Version aus.

Versucht man einen der sieben betroffenen Kanäle Hildmanns hierzulande aufzurufen, erscheint ein Hinweisfenster, wie die gemeinnützige Organisation CeMAS berichtet. “Dieser Kanal kann nicht angezeigt werden, weil er gegen lokale Gesetze verstieß”.

Die Sperrung erfolgte, nachdem das Bundesinnenministerium in der vergangenen Woche ein Gespräch mit Telegram-Verantwortlichen geführt hatte. Dies zeige, dass Telegram offenbar auf den politischen Druck aus Deutschland reagiert, schrieb die Tagesschau.

Die Behörde konnte nach anhaltendem Druck auf das Unternehmen und – Berichten zufolge – auf Vermittlung von Google direkten Kontakt zur Firmenleitung aufnehmen. Am Mittwoch habe dann “ein konstruktives Gespräch mit Vertretern aus der Konzernspitze von Telegram per Videokonferenz” stattgefunden, hatte ein Ministeriumssprecher erklärt. Die Führungskräfte hätten Kooperationsbereitschaft versprochen und einen Ansprechpartner benannt.

Weiterhin viel Hass auf Telegram

CeMAS forscht zu Themen wie Verschwörungsideologien, Desinformation, Antisemitismus und Rechtsextremismus. Die Organisation erklärte, die Begründung einer Sperre, dass “lokale Gesetze” verletzt wurden, sei neu. Sie kritisierte das Vorgehen des Messengerdienstes auf Twitter als “immer willkürlich”. Viele andere Kanäle auf Telegram, die ebenso Hass verbreiten und zur Gewalt aufrufen, blieben unangetastet.

Auch sind Hildmanns Inhalte offenbar nur von Deutschland aus nicht mehr erreichbar. Die österreichische Journalistin Ingrid Brodnig berichtete auf Twitter, dass sie in ihrem Heimatland weiterhin auf diese zugreifen kann.

Bislang hatte Telegram Sperren in Deutschland mit einem Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen begründet. Oder Inhalte wurden auf iOS- oder Android-Geräten nicht angezeigt, wegen Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen von Apple und Google. Apple schreibt beispielsweise vor, dass keine pornografischen Inhalte gezeigt werden dürfen.

Bereits seit Juni war einer von Hildmanns Kanälen aus den iOS- und Android-Apps heraus nicht mehr abrufbar. Damals war unklar, ob Telegram selbst oder eventuell Apple oder Google für die Sperre verantwortlich waren.

Bundesinnenministerin hatte mit Verbot gedroht

Nach Einschätzung des Bundesjustizministeriums handelt es sich bei Telegram um ein soziales Netzwerk – das unter das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) fällt und deswegen illegale Beiträge löschen muss. Telegram arbeitete in der Vergangenheit aber nur in wenigen Fällen mit Behörden zusammen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte deswegen im Januar mehrmals Netzsperren im Zusammenhang mit Telegram ins Spiel gebracht: In einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit hatte sie gesagt, ein “Abschalten” des Dienstes könne nicht per se ausgeschlossen werden. Es wäre “sehr schwerwiegend und ganz klar Ultima Ratio”. Faeser eklärte der Zeitung, sie strebe eine europäische Lösung an, um Telegram zur Kooperation zu zwingen: “Heute sitzt Telegram in Dubai, morgen vielleicht auf den Cayman Islands. Wir werden bei der Durchsetzung des Rechts viel Stärke brauchen.”

Es folgte scharfe Kritik an Faesers Äußerungen. Unter anderem hatten Journalisten und Bürgerrechtsorganisationen wie Reporter ohne Grenzen und die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) Faeser widersprochen, dass ein Abschalten Telegrams der richtige Weg sei. Lisa Dittmer von Reporter ohne Grenzen schrieb, Telegram und andere Plattformen schafften “vielerorts Freiheitsräume”, die Regime “allzu gerne” mit Verweis auf Deutschland und die EU “abdrehen würden”.

“Die Kollateralschäden sind auch viel zu weitreichend, weil Aktivitäten behindert werden, die völlig legitim sind”, hatte damals Joschka Selinger geschrieben, Jurist bei der GFF. Der Sprecher des Digitalvereins D64, Henning Tillmann, hatte erklärt, eine Entfernung aus den Appstores werde “das Kernproblem nicht lösen”. Er hatte die Sicherheitsbehörden stattdessen aufgefordert, mehr Personal für die Fahndung im Netz einzusetzen.

Hildmann auf der Flucht

Der Kochbuchautor und ehemalige Imbissbetreiber Hildmann wird in Deutschland per Haftbefehl gesucht, gegen ihn wird wegen Beleidigung, Bedrohung und Volksverhetzung ermittelt. Auf Telegram folgten ihm Zehntausende Follower. Aktuell soll er sich in der Türkei aufhalten.

Plattformen wie Instagram und YouTube hatten den Verschwörungsgläubigen bereits vor Monaten aus ihren Netzwerken verbannt, weil er unter anderem antisemitische, rassistische und rechtsextreme Hetze verbreitet hatte. (hcz)