Umweltbundesamt: Tempolimit bringt mehr CO2-Einsparung als gedacht
Ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen brächte nach einer neuen Studie des Umweltbundesamtes mehr CO2-Einsparung als bisher gedacht. Es wäre ein wichtiger Baustein für die Einhaltung der Klimaschutzziele im Verkehr, erklärte der Präsident des Umweltbundesamts, Dirk Messner, am Montag – “und zwar schnell und praktisch ohne Mehrkosten”.
Eine neue Studie im Auftrag des Umweltbundesamts zeige, dass ein Tempolimit von 120 Kilometern pro Stunde auf Bundesautobahnen und “autobahnähnlich ausgebauten” Straßen jährlich Treibhausgasemissionen in Höhe von 6,7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente einsparen würde, so Messner.
Bisher sei die Behörde von 2,6 Millionen Tonnen ausgegangen. Die höheren CO2-Einsparungen im Vergleich zu früheren Studien kämen daher, dass der Verbrauch der Fahrzeuge genauer bestimmt und auch eine veränderte Routenwahl und Verkehrsnachfrage berücksichtigt worden sei. Denn ein Tempolimit auf Autobahnen würde der Studie zufolge auch dazu führen, dass Landstraßen an Attraktivität gewinnen und weniger Umwege gefahren werden, um Autobahnen zu erreichen. Autobahnen würden dann um 1,1 Prozent weniger befahren werden.
Da auch Alternativen zum Auto wie die Bahn durch die Maßnahme an Attraktivität gewinnen würden, gehen die Expertinnen und Experten von einer Reduzierung des Verkehrs auf allen Straßen von 1,8 Prozent aus. Streckennetze müssten folglich ausgebaut werden.
Verkehrsministerium unter Handlungsdruck
Wenn zum Januar 2024 Tempo 120 auf Bundesautobahnen und Tempo 80 auf Außerortsstraßen eingeführt würde, könnten bis 2030 in Summe rund 47 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente eingespart werden, so Messner. Damit könnte die Klimaschutzlücke im Verkehrssektor um rund ein Sechstel geschlossen werden.
Hintergrund ist, dass im Verkehrsbereich bisher eine große Diskrepanz zu den angestrebten Klimazielen der Bundesregierung besteht. Auf die Lücke in den Bereichen Verkehr und Gebäude hat auch der Expertenrat der Bundesregierung bereits mehrfach hingewiesen. Das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung, das dieses Problem adressieren soll, steht immer noch aus.
In der Regierungskoalition ist ein Tempolimit weiterhin umstritten. Die FDP sperrt sich dagegen, auch im Koalitionsvertrag ist eine Einführung nicht vereinbart.
Das vom FDP-geführten Verkehrsministerium zuletzt vorgelegte Sofortprogramm verfehlt laut Deutscher Umwelthilfe die gesetzlich festgelegten Vorgaben für CO2-Einsparungen um das 20-fache.
Klimapolitik gescheitert
Deutschland hat sein Ziel, bis 2020 insgesamt 40 Prozent an Treibhausgasen einzusparen im Vergleich zu 1990, nicht erreicht – und zwar auch 2021 nicht. Nach vorläufigen Berechnungen der Denkfabrik Agora Energiewende ist dies 2022 ebenfalls nicht gelungen.
Laut Klimaschutzgesetz muss die Bundesregierung bis 2030 ihre Emissionen um 65 Prozent reduzieren. Überschreiten Sektoren die vorgegebenen Emissionsmengen, muss die Regierung laut Gesetz schnellstmöglich Sofortprogramme beschließen. Im Verkehrssektor wurden sie 2021 um 3,1 Millionen Tonnen, im Gebäudesektor um 2,5 Millionen Tonnen überschritten. Für 2022 ist eine erneute Überschreitung zu erwarten.
Am Dienstag wurde bekannt, dass der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) die Bundesregierung deshalb verklagt. Die Organisation verlangt in seiner Klage den Beschluss von weiteren Sofortprogrammen gemäß der gesetzlichen Bestimmungen.
BUND-Vorsitzende Olaf Bandt erklärte: “Es braucht jetzt die politische Entscheidung, wirksame Maßnahmen für den Klimaschutz zu schaffen. Wenn die Regierung von Olaf Scholz dazu politisch nicht fähig oder willens ist, muss sie gerichtlich dazu verpflichtet werden.”
Deutschlands Sonderweg
Das Umweltbundesamt macht sich wie auch Umweltverbände seit langem für die Einführung eines Tempolimits stark. Die Maßnahme war auch infolge des Ukraine-Kriegs als Möglichkeit zum Energiesparen erneut in den Blick gerückt.
Der Co-Vorsitzende der Grünen, Omid Nouripour, sagte zum Tempolimit, es sei bekannt, dass seine Partei dafür sei. Man habe sich in den Koalitionsverhandlungen mit SPD und FDP in diesem Punkt aber nicht durchsetzen können. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung sei eine Maßnahme unter mehreren, die die Klimaschutzlücke im Verkehr füllen könnte. Fast alle Länder der Welt hätten Tempolimits. “Es ist weiterhin mir persönlich nicht verständlich, warum Deutschland diesen Sonderweg geht.”
Mitte Januar hatte das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde für ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen als unzulässig abgewiesen. Die beiden Kläger hatten vor Gericht argumentiert, dass der Gesetzgeber gegen das Klimaschutzgebot und Freiheitsrechte verstoße, indem er kein Tempolimit einführt. Das hätten sie aber nicht ausreichend begründet, meinte das höchste deutsche Gericht.
Dem Umweltbundesamt zufolge würde ein Tempolimit neben den Emissionen auch die Zahl der Verkehrstoten sowie den Lärm deutlich reduzieren. Fast zwei Drittel der Deutschen sprächen sich zudem für eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen aus. (dpa / hcz)