China: Reporter ohne Grenzen fordert Freilassung von inhaftierten Medienschaffenden

Polizeiaufgebot bei den Protesten im November
Im Falle einer Verurteilung drohen den Journalistinnen teils lebenslange Haftstrafen. (Quelle: IMAGO / ITAR-TASS)

Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert die Freilassung aller in China inhaftierten Journalistinnen und Journalisten. In keinem anderen Land der Welt säßen so viele Medienschaffende wegen ihrer Arbeit im Gefängnis.

Wie RSF berichtet, wurden Ende vergangenen Jahres vier chinesische Journalistinnen im Zusammenhang mit den Protesten in mehreren chinesischen Städten verhaftet. Ende November waren Menschen in China auf die Straße gegangen und hatten gegen die bis dahin strikte Null-Covid-Politik der Regierung demonstriert. Teils hatte es aber auch offene Kritik an Staats- und Parteichef Xi Jinping und der Kommunistischen Partei gegeben. Viele Demonstrierende hatten weiße Papierblätter als Protest gegen die Zensur hochgehalten.

Mehrere Wochen nach einer Versammlung auf der Liangma-Brücke in Peking wurden laut RSF die freiberufliche Journalistin Siqi Li und die Renwu-Magazine-Reporterin Wang Xue festgenommen. Sie sollen sich weiterhin in Haft befinden.

Ebenfalls Anfang Dezember festgenommen wurden Yang Liu, die für die staatliche Zeitung Beijing News arbeitet, und die freischaffende Journalistin Qin Ziyi. Beide wurden Ende Januar gegen Kaution wieder freigelassen.

RSF-Geschäftsführer Christian Mihr erklärte: “Die vier Journalistinnen wurden festgenommen, einfach nur weil sie am Ort der Proteste waren. Damit möchte das chinesische Regime wieder einmal diejenigen abschrecken, die weiter unabhängig berichten wollen, auch wenn sie damit dem offiziellen Narrativ widersprechen.” Das Regime müsse die “absurden Vorwürfe” gegen die Reporterinnen fallenlassen.

Laut RSF droht den Journalistinnen eine Anklage, etwa wegen Störung der öffentlichen Ordnung oder der angeblichen Provokation von “Ärger”. Der erste Tatbestand kann mit einer lebenslangen Haft geahndet werden.

RSF fordert die Freilassung der beiden noch inhaftierten Journalistinnen und aller weiteren Medienschaffenden. Nach Angaben der Organisation sind in China derzeit mindestens 100 Journalistinnen und Journalisten inhaftiert – mehr als in jedem anderen Land.

Gewalt gegen Demonstrierende

Berichten zufolge war die Polizei bei den Protesten teils gewaltsam gegen Demonstrierende vorgegangen. Auch Medienschaffende seien von der Polizei angegriffen worden, kritisiert RSF. Bei den Protesten in Shanghai Ende November wurde auch ein Journalist der BBC verhaftet und geschlagen. Die Polizei hatte ihn für mehrere Stunden festgehalten, bevor er freigelassen wurde. “Es ist sehr besorgniserregend, dass einer unserer Journalisten bei der Ausübung seiner Tätigkeit auf diese Weise angegriffen wurde”, hatte die BBC zu dem Vorfall erklärt.

Auch Demonstrierende wurden verhaftet – teils erst Wochen nach den Kundgebungen. Wie die Washington Post im Januar berichtete, soll die Polizei unter anderem Gesichtserkennung eingesetzt haben, um Teilnehmer zu identifizieren.

RSF kritisiert, die Kommunistische Partei habe ihre Kontrolle über die Medien und Medienschaffende seit dem Amtsantritt von Präsident Xi Jinping im März 2013 verschärft: Das Propagandaministerium der Partei sendet Medien demnach täglich eine Liste mit Themen, die sie hervorheben sollen – und anderen, über die sie unter Androhung von Sanktionen nicht berichten dürfen.

Journalisten ist es zudem untersagt, persönliche Blogs zu betreiben. In diesen konnten sie früher noch Berichte veröffentlichen, die ihre Redaktionen zensiert hatten. Um einen Presseausweis zu erhalten, müssen Medienschaffende seit 2019 eine App herunterladen und einen Loyalitätstest absolvieren – die App ermöglicht es den Behörden außerdem, das Mikrofon des Telefons zu aktivieren und Dateien zu verändern.

Die Zensur in China betrifft jedoch generell alle Äußerungen im Internet. So werden etwa Inhalte gesperrt, die bestimmte Schlüsselworte enthalten. Als im November chinesischsprachige Berichte über die Proteste auf Twitter auftauchten, gingen diese in einer Flut von Spam unter. Es handelte sich um Werbung für chinesische Escortdienste, die mit den Namen der Städte versehen waren, in denen die Proteste stattgefunden hatten. Ein ehemaliger Twitter-Angestellter hatte gegenüber der Washington Post erklärt, Konten mit Verbindungen zur chinesischen Regierung hätten solche Taktiken bereits in der Vergangenheit angewendet.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit von RSF steht China auf Rang 175 von 180 Staaten. Schlechter schneiden nur Staaten wie der Iran, Eritrea und Nordkorea ab. (js)