Umweltverbände reichen Verfassungsbeschwerde für mehr Klimaschutz ein
Die Umweltorganisationen Greenpeace und Germanwatch haben am Montag zusammen mit über 54.000 Privatpersonen Verfassungsbeschwerde gegen die Bundesregierung eingereicht. Sie sind der Ansicht, die Politik unternehme zu wenig für den Klimaschutz, teilte Greenpeace am Montag mit. Die Klagenden fordern ein verfassungskonformes Klimaschutzgesetz und Schritte zur CO2-Reduktion im Verkehr. Unter anderem geht es um die umstrittene Novelle des Klimaschutzgesetzes, die aus Sicht der Klagenden verfassungswidrig ist.
“Die Bundesregierung verschleppt wirksame und sozial gerechte Klimaschutz-Maßnahmen und verletzt damit Freiheits- und Gleichheitsrechte”, kritisierte die Rechtsanwältin der Beschwerdeführenden, Roda Verheyen. “Um unsere Grundrechte zu wahren, müssen Emissionsreduktionen rechtzeitig eingeleitet und umgesetzt werden.” Die Novelle des Klimaschutzgesetzes erreiche aber genau das Gegenteil.
Germanwatch kritisiert, die im Juli in Kraft getretene Novelle des Gesetzes sei verfassungswidrig, weil sie die Senkung von Emissionen faktisch in die Zukunft verschiebt und nicht gewährleistet, dass die Klimaschutzziele bis 2030 und danach eingehalten werden.
Im Frühjahr hatte der Bundestag die Reform des Klimaschutzgesetzes beschlossen. Seitdem wird die Einhaltung der Klimaziele nicht mehr rückwirkend nach Sektoren kontrolliert – die Klimaziele müssen nun insgesamt und sektorübergreifend erreicht werden. Wenn sich in zwei aufeinanderfolgenden Jahren abzeichnet, dass die Bundesregierung ihre Klimaziele für das Jahr 2030 verfehlt, muss sie nachsteuern. Das Gesamtziel für die Emissionsreduzierungen hat sich mit der Novelle nicht geändert. Die Klagenden halten es aber für zu niedrig, um den Zielen des Pariser Klimaabkommens gerecht zu werden.
Die Reform sei eine Aufweichung. In der Klageschrift heißt es, die Novelle habe die Überschreitung der zulässigen Emissionsmengen einzelner Sektoren nachträglich legalisiert, weil sie mit den Werten anderer Sektoren verrechnet werden. Die Klagenden kritisieren, es werde bewusst Transformationsdruck von den “Problemsektoren” genommen und eine Möglichkeit zum “Weiter so” geschaffen.
Im Verkehr tut sich zu wenig
Die beteiligten Organisationen hatten im Jahr 2021 mit einer ähnlichen Klage vor dem Bundesverfassungsgericht Erfolg: Das Gericht stellte damals fest, dass die Bundesregierung deutlich mehr tun muss, damit Klimaziele erreicht werden – und einschneidende Schritte zur Senkung von schädlichen Treibhausgasemissionen nicht zulasten der jungen Generation auf die lange Bank schieben darf.
Greenpeace sieht die Regierung weiterhin “nicht auf Kurs, um ihre verbindlichen Klimaziele zu erreichen”. In der Klageschrift heißt es: “Drei Jahre nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes […] scheinen sowohl die dort festgestellten Rechte und Pflichten, als auch das zugrunde liegende Menschheitsproblem Klimawandel in den Hintergrund gerückt.”
Insbesondere das Verkehrsministerium unter Volker Wissing (FDP) wird von Greenpeace dafür kritisiert, dass es seit 2021 seine Klimaziele verfehlt und schnell wirksame Maßnahmen wie ein Tempolimit verhindert.
Die Umweltschutzorganisation verweist auf eine Kurzstudie von letzter Woche, die das NewClimate Institute im Auftrag von Greenpeace und Germanwatch erstellt hat. Demnach seien laut Greenpeace in den 2030er Jahren harte Einschnitte bis hin zu Fahrverboten für Verbrenner möglich, wenn Klimaschutzmaßnahmen im Verkehrssektor weiter aufgeschoben werden. Von den Einschränkungen besonders betroffen wären demnach arme und körperlich eingeschränkte Menschen sowie Bewohner von ländlichen Gebieten ohne öffentliche Verkehrsangebote.
Weitere Klagen für den Klimaschutz
Insgesamt gibt es Greenpeace zufolge derzeit drei Verfassungsbeschwerden gegen die Klimapolitik der Bundesregierung. Neben Greenpeace und Germanwatch habe auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sowie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gemeinsam mit dem Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV) jeweils eine Verfassungsbeschwerde eingereicht.
Am Freitag war eine Entscheidung des Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg von Mitte Mai rechtskräftig geworden, die die Bundesregierung zu mehr Klimaschutzmaßnahmen verpflichtet. Geklagt hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH). (hcz)