Apple will Gerichtsverfahren gegen Spionagesoftware-Hersteller NSO beenden
Apple möchte seine Klage gegen den Spähsoftware-Entwickler NSO Group nicht weiter verfolgen. Am Freitag hat das Unternehmen vor einem US-Gericht die Einstellung des Verfahrens beantragt. Der Konzern sieht zu große Risiken für seine Bemühungen, um Spähsoftware-Angriffe gegen Apple-Geräte zu erkennen und abzuwehren.
Der US-Konzern hatte im November 2021 Klage gegen das israelische Unternehmen NSO eingereicht. Zuvor hatten internationale Medien aufgedeckt, wie mit dessen Spähsoftware Pegasus weltweit Medienschaffende, Aktivisten, Dissidenten und Regierungsbeamte überwacht wurden.
Ziel der Klage war es, den Spähsoftware-Hersteller für die Überwachung und die gezielten Angriffe auf Apple-Nutzerinnen und -Nutzer zur Verantwortung zu ziehen.
Doch nun hat der US-Konzern vor Gericht beantragt, das Verfahren einzustellen. Begründet wird dies unter anderem mit Befürchtungen, wichtige Informationen über die eigenen Sicherheitsbemühungen offenlegen zu müssen. Diese Möglichkeit habe das Unternehmen zwar auch vor drei Jahren bedacht – das Risiko sei inzwischen aber größer geworden.
Infrastruktur um Nutzer zu schützen
Bereits im November 2021 hatte Apple damit begonnen, Betroffene zu informieren, wenn das Unternehmen Hinweise auf Spionageangriffe entdeckt. Wiederholt konnten Sicherheitsforscher anschließend tatsächlich Angriffe oder Infektionen mit Spähsoftware nachweisen. Zudem hat der US-Konzern in seinen Betriebssystemen einen “Blockierungsmodus” eingeführt, der die Geräte gegen Angriffe abschirmen soll.
Was ist Pegasus?
Pegasus ist eine Spionagesoftware der israelischen Firma NSO Group. Die Spähsoftware kann ein infiltriertes Gerät komplett übernehmen und beispielsweise die Kamera und das Mikrofon unbemerkt anschalten – oder sämtliche Daten kopieren. Auch Standortdaten lassen sich abrufen und Passwörter auslesen. Das Überwachungsprogramm steht seit Jahren im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen in der Kritik.
Apple schreibt in dem Antrag nun, man habe den Schutz vor Spähsoftware-Angriffen seit Klageeinreichung immer weiter ausgebaut. Würden nun genauere Informationen über die technischen Vorkehrungen im Laufe des Verfahrens an Dritte gelangen, könnte das die Schutzmaßnahmen untergraben – und Nutzerinnen und Nutzer gefährden.
Zudem habe sich der Spähsoftware-Markt seit Klageeinreichung erheblich verändert. So gebe es inzwischen eine wachsende Anzahl verschiedener Anbieter und nicht mehr nur einen mächtigen Akteur. Nach Einschätzung von Apple hätte daher selbst ein vollständiger juristischer Sieg heute nicht mehr die gleichen Auswirkungen wie im Jahr 2021. Damals hätte demnach ein bedeutender Teil des Marktes zerschlagen werden können – inzwischen gebe es aber viele weitere Unternehmen, die von einem Urteil nicht betroffen wären und ihre Aktivitäten fortsetzen könnten.
Der Konzern verweist außerdem auf Berichte, wonach die israelische Regierung Dokumente bei NSO beschlagnahmt haben soll – wohl um zu verhindern, dass diese in einem laufenden Verfahren von Meta und WhatsApp gegen den Spähsoftware-Entwickler vor Gericht gelangen. Deshalb könne es auch in dem Apple-Prozess schwierig werden, nötige Beweismittel zu erlangen.
Schadensersatz gefordert
In der Klage hatte Apple ursprünglich verlangt, dass NSO gerichtlich untersagt wird, jegliche Software, Dienste oder Geräte von Apple zu nutzen und Schadsoftware dafür zu entwickeln und zu vertreiben. Auch eine nicht näher bezifferte Schadensersatzsumme hatte das Unternehmen gefordert.
Der iPhone-Hersteller hatte in seiner Klageschrift scharfe Kritik an NSO geübt und die Firma als “amoralische Söldner des 21. Jahrhunderts” bezeichnet. Die von NSO und der Muttergesellschaft Q Cyber geschaffene Überwachungsmaschinerie lade zum routinemäßigen und unverfrorenen Missbrauch ein. Zudem sei ein “Wettrüsten” entstanden: Während Apple die Sicherheit seiner Geräte verbessere, arbeite auch NSO ständig an Pegasus, um neue Hürden zu überwinden. Dies verursache “enorme Kosten” für Apple.
Erst im Januar hatte das zuständige Gericht entschieden, dass die Klage gegen NSO weiterverhandelt werden kann. NSO hatte beantragt diese abzuweisen und argumentiert, weil das Unternehmen seinen Sitz in Israel habe, hätte Apple dort vor Gericht ziehen müssen. Der zuständige Richter folgte dem jedoch nicht und entschied, die Klage könne in den USA verhandelt werden.
Über den nun von Apple eingereichten Antrag, das Verfahren zu beenden, wird das Gericht voraussichtlich Ende Oktober entscheiden.
Auch Meta klagt gegen NSO
In den USA läuft weiterhin die Klage von Meta und WhatsApp gegen NSO. Die Unternehmen werfen dem Spähsoftware-Hersteller vor, an Angriffen auf 1400 WhatsApp-Nutzer beteiligt gewesen zu sein. NSO hatte demnach eine damals bestehende Sicherheitslücke in der Anruffunktion von WhatsApp ausgenutzt, um seine umstrittene Spionagesoftware Pegasus in Smartphones einzuschleusen. Das angerufene Gerät wurde auch dann infiltriert, wenn der Anruf nicht angenommen wurde. Unter den über WhatsApp angegriffenen Zielpersonen sollen Medienschaffende, Anwälte, Dissidenten, Menschenrechtsaktivisten, Diplomaten und Regierungsbeamte gewesen sein.
Nach den Enthüllungen zum weltweiten Missbrauch von Pegasus hatte die US-Regierung im November 2021 Sanktionen gegen NSO verhängt: Seitdem ist es US-Unternehmen verboten, ohne Sondergenehmigung Geschäfte mit der Firma zu machen. Auch gegen andere Spähsoftware-Hersteller hat die US-Regierung solche Sanktionen verhängt. (js)