US-Drogeriekette setzte jahrelang Gesichtserkennung ein
Die amerikanische Apotheken- und Drogeriekette Rite Aid hat in insgesamt 200 Geschäften Gesichtserkennung eingesetzt: Rund acht Jahre lang soll die Firma ihre Filialen damit ausgestattet haben. In vielen Geschäften wurde offenbar nicht auf die Überwachungstechnik hingewiesen. Sie soll vor allem in ärmeren Vierteln von New York und Los Angeles installiert worden sein. Das hat die Nachrichtenagentur Reuters aufgedeckt. Mittlerweile hat Rite Aid den Einsatz der Technik eingestanden – und eigenen Angaben zufolge gestoppt. Das Unternehmen zählt zu den fünf größten Apotheken- und Drogerieketten in den USA.
Rite Aid erklärte, man habe Ladendiebstahl verhindern sowie Mitarbeiter und Kunden schützen wollen. Kunden wurden beim Betreten der Filialen mithilfe von Kameras registriert. Die Bilder wurden dann mit einer zentralen Datenbank abgeglichen, in denen der Händler Personen gespeichert hatte, die zuvor beispielsweise durch Ladendiebstahl aufgefallen waren. Bei Übereinstimmungen wurde das Sicherheitspersonal per Smartphone informiert. Die Mitarbeiter sollten dann überprüfen, ob es sich um dieselbe Person handelt, schreibt Reuters. Per Smartphone konnten sie auch eigenständig Personen in der Datenbank speichern. Die Kameraaufnahmen sollen nach zehn Tagen gelöscht worden sein.
Rite Aid erklärte gegenüber Reuters im Februar, dass Schilder in den Läden auf die Gesichtserkennung hinweisen würden. Die Reuters-Reporter konnten jedoch in mehr als einem Drittel der mit der Technik ausgestatteten Geschäfte keine solchen Hinweise entdecken.
Kameras in ärmeren Stadtteilen
Laut Reuters setzte die Drogeriekette ihre Gesichtserkennung vor allem in ärmeren Gegenden mit hauptsächlich nicht-weißer Bevölkerung ein.
Das ist besonders problematisch, da Gesichtserkennungssysteme Personen mit dunkler Hautfarbe häufiger falsch erkennen. Eine Studie der US-Standardisierungsbehörde “National Institute of Standards and Technology” hatte erst Ende 2019 festgestellt, dass die Fehlerquote 10- bis 100-mal höher liegt als bei weißen Menschen. Bei Frauen mit dunkler Hautfarbe kommt es zu den meisten Fehlerkennungen. Auch die von Rite Aid eingesetzten Systeme sollen regelmäßig Personen falsch erkannt haben, schreibt Reuters unter Berufung auf Sicherheitsmitarbeiter.
Forderung nach Regulierung
Der Einsatz von Gesichtserkennung in den Vereinigten Staaten ist größtenteils nicht reguliert. Einige US-Städte wie San Francisco haben jedoch Maßnahmen ergriffen und Behörden den Einsatz der Technik verboten. Private Unternehmen in San Francisco betrifft das allerdings nicht. Selbst Technikkonzerne wie Amazon und Microsoft fordern inzwischen, dass der Einsatz der Technik reguliert wird. Inmitten der Black-Lives-Matter-Proteste hatten die Unternehmen erklärt, Behörden nicht mehr mit ihrer Gesichtserkennungs-Software zu versorgen.
IBM hatte sogar entschieden, sich aus dem Geschäft mit Gesichtserkennung komplett zurückzuziehen. Man wolle nicht zulassen, dass Technologie für Massenüberwachung, rassistische Diskriminierung und die Verletzung grundsätzlicher Menschenrechte und Freiheiten verwendet wird, hieß es in einem Brief an US-Abgeordnete.
Gegenüber Reuters hatte Rite Aid im Februar erklärt, dass die Gesichtserkennung nichts mit bestimmten ethnischen Gruppen zu tun habe. Man habe die Läden auf Basis von Statistiken ausgewählt – etwa zu Ladendiebstahl, aber auch der Kriminalitätsrate in der Umgebung.
Als Reuters das Unternehmen Ende Juli mit den Ergebnissen der Recherchen konfrontierte, erklärte Rite Aid, die Technik bereits nicht mehr einzusetzen. Die Entscheidung sei aufgrund einer größeren Debatte unter Technikunternehmen über die Nützlichkeit von Gesichtserkennung gefallen.
Andere Unternehmen testen Gesichtserkennung
Laut Reuters experimentieren auch andere große Handelsketten in den USA immer wieder mit Gesichtserkennung: darunter Home Depot und Walmart. Die Baumarkt-Kette Home Depot soll die Tests mittlerweile eingestellt haben. Walmart wollte die Tests nicht kommentieren. Die Bürgerrechtsorganisation “American Civil Liberties Union” (ACLU) hatte bereits 2018 über solche Tests berichtet. Rite Aid wollte damals weder bestätigen noch dementieren, Gesichtserkennung in den eigenen Filialen einzusetzen.
Die spanische Supermarktkette Mercadona testet seit kurzem ebenfalls in einigen Filialen Gesichtserkennungstechnik, um damit Ladendiebstahl zu bekämpfen. Doch das Thema wird auch in der EU diskutiert: Die EU-Kommission stufte die Technik im Februar als “Hoch-Risikobereich” ein. Ein zuvor diskutiertes temporäres Verbot wird hingegen nicht mehr erwogen. (js)