USA: Bürgerrechtler fordern Verbot von staatlicher Gesichtserkennung
Die US-amerikanische Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) fordert ein Verbot für die staatliche Nutzung von Gesichtserkennung in den USA. Auch die private Nutzung müsse streng reguliert werden, weil die Privatsphäre bedroht werde, heißt es in einer Stellungnahme an US-amerikanische Kommission für Bürgerrechte.
Die staatliche Kommission, die unter anderem Empfehlungen in Bürgerrechtsfragen gibt, verfasst derzeit einen Bericht über die Auswirkungen des staatliche Einsatzes von Gesichtserkennungstechnik auf die Bürgerrechte. Die Kommission spricht beispielsweise Empfehlungen für die Politik aus.
In ihrer nun veröffentlichten Stellungnahme an die Kommission kritisiert die EFF Gesichtserkennung als unzuverlässig. Sowohl menschliche als auch technische Fehler könnten beim Einsatz der Technik in jedem Schritt auftreten.
Fehlende Standards
Probleme könnten demnach bereits bei der Auswahl der eingesetzten Vergleichsfotos entstehen: Qualität, Aufnahmewinkel, Beleuchtung und die Auflösung würden sich auf die Genauigkeit der Gesichtserkennung auswirken. Dennoch hätten viele Strafverfolgungsbehörden keine Qualitätsstandards für die Bilder, die sie mit den Systemen verwenden. Dies könne beispielsweise zu Fehlerkennung führen.
Die Fehlerquote liegt demnach besonders hoch bei Menschen mit dunkler Hautfarbe und Angehörigen anderer marginalisierten Gruppen. Diese Probleme haben laut der EFF bereits dazu geführt, dass in den USA mindestens eine schwarze Frau sowie fünf schwarze Männer wegen Straftaten verhaftet wurden, die sie nicht begangen haben.
Porcha Woodruff wurde beispielsweise vorgeworfen, an einem Raubüberfall beteiligt gewesen zu sein. Eine automatische Gesichtserkennungssoftware der Polizei von Detroit hatte sie als mögliche Täterin identifiziert –anschließend wurde sie eigenen Angaben zufolge elf Stunden lang festgehalten und verhört. Aus Detroit sind zudem zwei weitere Verhaftungen aufgrund von Fehlerkennungen bekannt.
Die EFF schreibt, jede Verhaftung einer schwarzen Person berge das Risiko exzessiver oder sogar tödlicher Polizeigewalt – Gesichtserkennung sei also eine Bedrohung für ihr Leben.
Selbst wenn Gesichtserkennungstechnik genauer arbeiten oder bei allen Menschen dieselben Ungenauigkeiten aufweisen würde, gebe es laut EFF diskriminierende Auswirkungen. Denn Überwachungskameras würden in den USA übermäßig in Vierteln eingesetzt, in denen vornehmlich marginalisierte Gruppen leben – die somit eher Gesichtserkennung ausgesetzt sind.
Bedrohte Privatsphäre
Beim Einsatz von Gesichtserkennung werden biometrische Daten verwendet. Diese sind einzigartig und können nicht einfach geändert werden, wie beispielsweise ein Passwort. Die Bedrohung für die Privatsphäre ist laut der EFF im Falle von Gesichtserkennung besonders groß, weil es schwierig sei zu verhindern, dass Fotos des eigenen Gesichts erfasst werden: Wenn Menschen sich im öffentlichen Raum bewegen, zeigen sie in der Regel ihr Gesicht – das etwa von Kameras aufgenommen werden kann. Und in den sozialen Netzwerken seien Gesichtsbilder ebenfalls leicht zugänglich – häufig verknüpft mit dem Namen der abgebildeten Person und weiteren Informationen, selbst wenn die Betroffenen die Bilder nicht selbst geteilt haben.
Die EFF warnt, durch die zunehmende Verbreitung von Überwachungskameras im öffentlichen Raum werde es einfacher zu verfolgen, wo Personen sich aufhalten, wen sie treffen und was sie machen. Wenn US-Behörden die Technik einsetzen, werfe das Fragen hinsichtlich in der Verfassung garantierter Rechte auf, wie den Rechten auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Mithilfe von Gesichtserkennung können etwa Teilnehmer einer Demonstration von den Behörden identifiziert werden – das sei in den USA schon mehrfach vorgekommen. Die Angst überwacht zu werden, könne Menschen davon abhalten, ihre Meinung öffentlich zu äußern oder an Versammlungen teilzunehmen.
Risiko Datendiebstahl
Die Organisation weist zudem auf das Risiko des Missbrauchs von staatlichen Datensammlungen hin, beispielsweise bei einem IT-Angriff. So wurden im Jahr 2019 bereits biometrische Gesichtsbilder von etwa 184.000 Personen bei einem Dienstleister der US-Zollbehörde erbeutet. Für Betroffene kann ein solcher Vorfall weitreichende Folgen haben.
Es bestehe aber auch die Gefahr, dass Behördenmitarbeiter die Daten missbräuchlich und unrechtmäßig verwenden. Die Nachrichtenagentur Associated Press hatte im Jahr 2016 beispielsweise aufgedeckt, dass Polizeibeamte im ganzen Land Daten über “Beziehungspartner, Geschäftspartner, Nachbarn, Journalisten und andere” aus Gründen abfragen, die nicht mit ihrer Arbeit in Verbindung standen. Die EFF schreibt, häufig würden in solchen Fällen Männer auf Daten von Frauen zugreifen.
Auch weitere Organisationen teilen die Einschätzungen der EFF: So warnen beispielsweise mehrere NGOs, die sich für die Rechte von Immigranten einsetzen, in einer Stellungnahme an die Kommission, eine Fehlidentifikation durch Gesichtserkennung könne sogar Abschiebungen nach sich ziehen.
In Deutschland fordern Bürgerrechtsorganisationen ebenfalls ein vollständiges Verbot von biometrischer Überwachung. Die von der EU beschlossenen Regeln für Künstliche Intelligenz verbieten zwar biometrische Überwachung im öffentlichen Raum, enthalten aber Ausnahmen für Strafverfolgung und Sicherheitsbehörden. Bürgerrechtler warnen, sie würden zum “Ausbau öffentlicher Überwachung” einladen. (js)