Äthiopien: Kein Zeitplan für Aufhebung der Internetsperre

Internetshop in Tigray
Das Internet war im November 2020 kurz nach Ausbruch von bewaffneten Konflikten in Tigray blockiert worden. (Quelle: IMAGO / ZUMA Wire)

Ein Ende der seit zwei Jahren andauernden Internetsperre in der äthiopischen Region Tigray ist weiter nicht absehbar. Hierfür gebe es kein Datum, erklärte der äthiopische Minister für Innovation und Technologie, Belete Molla, am Dienstag auf dem Internet Governance Forum der Vereinten Nationen. Die jährliche Veranstaltung findet aktuell in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba statt.

Wie die Nachrichtenagentur Associated Press berichtet, erklärte der Minister zwar, die Regierung arbeite an der Aufhebung der Sperre. Einen Zeitplan gebe es aber nicht. Das Internet in Tigray wird bereits seit November 2020 komplett blockiert.

Anfang November 2020 war in der äthiopischen Region ein bewaffneter Konflikt ausgebrochen. Die Organisation NetBlocks stellte daraufhin am 4. November 2020 die Internetsperre fest; zumindest zwischenzeitlich waren auch Telefonverbindungen blockiert.

Äthiopiens Regierung und die Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) hatten Anfang November 2022 einen Waffenstillstand vereinbart. Laut Associated Press wurde dabei eigentlich auch beschlossen, die Grundversorgung in der Region wieder herzustellen.

Über sechs Millionen Menschen betroffen

Die Organisation Access Now hatte erst Anfang November, zum Jahrestag der Blockade, gefordert, die Internetsperre aufzuheben. In Tigray leben über sechs Millionen Menschen, die seit über 700 Tagen von den Einschränkungen betroffen sind. Laut Brett Solomon, Geschäftsführer von Access Now, handelt es sich in Tigray um die am längsten anhaltende Internetsperre weltweit.

Die Menschen würden daran gehindert, lebenswichtige Informationen über den Konflikt zu erhalten und mit ihren Familien oder Menschen im Ausland zu kommunizieren. Access Now kritisiert, das Internet sei absichtlich blockiert worden, um den Informationsfluss zu kontrollieren. Den Menschen in der Region werde außerdem der Zugang zu Bildung und Gesundheitsfürsorge erschwert.

Gemeinsam mit einer Reihe weiterer Organisationen – wie der Electronic Frontier Foundation, Reporter ohne Grenzen und Women of Tigray – appelliert Access Now auch an die Afrikanische Union und ihre Mitgliedsstaaten, sich für ein Ende der Internetsperre in Äthiopien einzusetzen.

Die Organisationen kritisieren, diese verstoße gegen die äthiopische Verfassung und gegen internationale Menschenrechtsabkommen. Zudem habe Äthiopien die Internationale Fernmeldeunion nicht informiert – wozu das Land nach deren Satzung aber verpflichtet sei.

Humanitäre Arbeit erschwert

Aus der Konfliktregion hatte es wiederholt Berichte über schwere Menschenrechtsverletzungen durch beide Parteien gegeben: Unter anderem über Massentötungen und sexualisierte Gewalt an Mädchen und Frauen.

Access Now kritisiert, Medienschaffenden und Menschenrechtlern werde die Dokumentation solcher Menschenrechtsverletzungen durch die Internetsperre erschwert und sie könnten nur eingeschränkt aus der Region berichten.

Auch bei der Lieferung lebenswichtiger Güter durch Hilfsorganisationen entstünden Probleme, weil diese in der Konfliktregion nicht kommunizieren können. Associated Press zufolge wurde die Lieferung von Hilfsgütern inzwischen zwar wieder aufgenommen. Laut dem Welternährungsprogramm ist der Zugang zu Teilen von Tigray aber weiter eingeschränkt.

Im Sommer hatte das UN-Menschenrechtsbüro in einem Bericht kritisiert, Internetsperren hätten “dramatische Auswirkungen” auf das Leben und die Menschenrechte von Millionen Menschen. Die Situation gefährde die Sicherheit und das Wohlergehen von Menschen, weil sie ohne Kommunikationsmöglichkeiten beispielsweise nicht vor Gefahren gewarnt werden können. Das UN-Menschenrechtsbüro hatte auch erklärt, Internetblockaden würden in einigen Fällen bewusst eingesetzt, um Menschenrechtsverletzungen zu vertuschen.

Laut Access Now haben äthiopische Behörden seit dem Jahr 2016 mindestens 22 Internetsperren auf lokaler und nationaler Ebene verhängt. Wiederholt sei dies während bewaffneter Konflikte passiert.

Im Jahr 2021 hatte die Organisation weltweit 182 Internetblockaden dokumentiert – in 34 Staaten. (js)